Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässiger Wiederaufnahmeantrag
Leitsatz (NV)
1. Ein durch Beschluß rechtskräftig beendetes Verfahren kann durch einen Antrag auf Wiederaufnahme innerhalb der Frist des § 586 Abs. 1 ZPO wieder aufgenommen werden.
2. Eine (unverschuldete) Störung des übermittelnden Telefax-Gerätes kommt nur dann als Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, wenn der Absender dadurch gehindert war, das fristwahrende Schreiben rechtzeitig an das Telefax-Empfangsgerät des Gerichts oder auf dem üblichen Postweg zu übermitteln.
Normenkette
FGO § 56; ZPO § 586
Tatbestand
Die Antragsteller legten nach Abweisung ihrer auf § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Untätigkeitsklage wegen Einkommensteuer 1989 durch das Finanzgericht (FG) Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Az. III B 127/92) und die Nichtgewährung von Akteneinsicht im Klageverfahren (Az. III B 185/92) ein. In diesen Beschwerdeverfahren lehnten sie den Vorsitzenden Richter am Bundesfinanzhof (BFH) ... sowie alle anderen fünf dem erkennenden Senat seinerzeit angehörenden Richter unter namentlicher Benennung ab (Az. III S 10/93).
Durch Beschlüsse vom 29. Oktober 1992 wies der Senat die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurück und verwarf jene wegen Nichtgewährung von Akteneinsicht als unzulässig. Das Gesuch auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am BFH ... verwarf der Senat ebenfalls durch Beschluß vom 29. Oktober 1992 als unzulässig. Die Beschlüsse wurden dem Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller durch am 21. Dezember 1992 abgesandten eingeschriebenen Brief zugestellt.
Mit Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten vom 15. Januar 1993 beantragten die Antragsteller die Wiederaufnahme der Verfahren III B 127/92, III B 185/92 und III S 10/92 gemäß § 134 FGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts. Von diesem Schriftsatz wurden jedoch am 21. Januar 1993 per Telefax nur die Seiten 1 und 2 an den BFH übermittelt. Der untere Rand der beiden Blätter enthält in Computerschrift u.a. die Eintragung:
M ... X-GRAND HOTEL.
Mit Schreiben vom 26. Januar 1993 wies die Geschäftsstelle des erkennenden Senats auf diesen Sachverhalt hin.
Mit Schreiben vom 1. Februar 1993, beim BFH am 4. Februar 1993 eingegangen, übersandte der Prozeßbevollmächtigte der Antragsteller den Schriftsatz vom 15. Januar 1993 im Original. Er beantragte gleichzeitig, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Hierzu trägt er vor:
Der Schriftsatz vom 15. Januar 1993 sei am Donnerstag, dem 21. Januar 1993, im ... X-Grand Hotel, ..., zur Übersendung per Telebrief aufgegeben worden. Es hätte jedoch lediglich eine Seite an den BFH übermittelt werden können. Die Übermittlungsversuche seien bis ca. 22 Uhr ohne Erfolg fortgesetzt worden.
Zum Beweis überreichte der Prozeßbevollmächtigte eine Bescheinigung der Telefonzentrale des ... X-Grand Hotels vom 21. Januar 1993. Diese lautet wie folgt:
Herr Z hat uns am 21.01. 93 gg. 18.30 Uhr beauftragt, dieses Fax abzusetzen. Nach dem Senden der 1. Seite ist die Übertragung abgebrochen. Seitdem konnten wir trotz mehrmaliger Versuche keine Verbindung mehr bekommen (nur ein Freizeichen).
Entscheidungsgründe
Die Nichtigkeitsanträge sind unzulässig.
Auch ein durch Beschluß rechtskräftig beendetes Verfahren kann wieder aufgenommen werden. An Stelle einer Nichtigkeitsklage ist in diesem Fall - wie geschehen - ein Antrag auf Wiederaufnahme zu stellen (BFH-Beschluß vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252).
1. Die Anträge sind jedoch nicht rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 586 Abs. 1 ZPO ordnungsgemäß gestellt worden. Nach § 586 Abs. 1 ZPO ist der Antrag auf Wiederaufnahme vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund erfahren hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils (§ 586 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Für den Fristbeginn kommt es somit auf die Rechtskraft und die Kenntnis des Wiederaufnahmegrunds an.
Im Streitfall begann die Notfrist mit Eintritt der Rechtskraft. Denn dem Prozeßbevollmächtigten war zu diesem Zeitpunkt die für Beschlüsse geltende Besetzungsregelung des Senats bekannt. Die Beschlüsse wurden im Zeitpunkt ihrer Zustellung am 24. Dezember 1992 (s. § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FGO i.V.m. § 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG -) rechtskräftig. Die Monatsfrist endete somit am 25. Januar 1993 (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). Innerhalb dieser Frist haben die Antragsteller keinen ordnungsgemäßen Antrag nach § 134 FGO i.V.m. § 586 Abs. 1 ZPO gestellt. Der per Telefax am 21. Januar 1993 übermittelte Schriftsatz war unvollständig und darum nicht fristwahrend.
Es bestehen zwar keine Bedenken dagegen, daß der Prozeßbevollmächtigte der Antragsteller zur Übermittlung der Wiederaufnahmeklage das Telefax-Verfahren gewählt hat. Die in diesem Verfahren gesendete Kopie der Originalschrift hätte aber bis zum Ablauf der Notfrist vollständig aufgezeichnet werden müssen. Das war hier nicht der Fall. Der Schriftsatz war insbesondere deshalb unvollständig, weil er keine Unterschrift enthielt (BFH-Beschluß vom 2. Dezember 1991 V B 116/91, BFH/NV 1992, 532).
2. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Notfrist kann nicht gewährt werden.
Nach § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dies setzt zunächst voraus, daß die Tatsachen schlüssig vorgetragen werden. Erforderlich ist eine vollständige Darlegung der Ereignisse, die zur Fristversäumnis geführt haben (Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 56 Anm. 49).
Zwar kann grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen, wenn der unvollständige Eingang eines Schriftstücks beim BFH auf eine Betriebsstörung des Telefaxgerätes des BFH zurückzuführen ist, die der Absender nicht zu vertreten hat (BFH-Entscheidungen vom 6. Februar 1991 V B 44/89, BFH/NV 1992, 111; vom 4. August 1992 VII R 40/91, BFH/NV 1993, 342). Im Streitfall ist dem Vortrag des Prozeßbevollmächtigten jedoch nicht zu entnehmen, daß er gehindert war, bis zum Ablauf der Notfrist den Schriftsatz vom 15. Januar 1993 vollständig an das Telefax-Empfangsgerät des BFH oder auf dem üblichen Postweg zu übermitteln. Aus dem Vorbringen ergibt sich lediglich schlüssig, daß er in den Abendstunden des 21. Januar 1993 gehindert war, diese Übermittlung wegen einer Störung des Empfangsgeräts vorzunehmen. Da die Notfrist erst am 25. Januar 1993 endete, bestand somit die Möglichkeit, bis zum Ende dieses Tages den Schriftsatz fristgerecht zu übermitteln. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund der Prozeßbevollmächtigte davon keinen Gebrauch gemacht hat bzw. machen konnte. Dies darzutun oblag aber dem Prozeßbevollmächtigten gemäß § 56 Abs. 2 FGO.
3. Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 FGO über die Wiederaufnahmeanträge durch Beschluß ohne mündliche Verhandung.
Fundstellen
Haufe-Index 419326 |
BFH/NV 1994, 483 |