Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug
Leitsatz (NV)
Ein Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers kommt nicht in Betracht, wenn der leistende Unternehmer die Leistung in Frankreich erbracht und deshalb in einer Rechnung zu Unrecht (deutsche) Umsatzsteuer ausgewiesen hat.
Normenkette
UStG 1991 § 3 Abs. 8; UStG 1993 § 3 Abs. 7
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 17.07.2003; Aktenzeichen 14 K 1889/00) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb den Im- und Export von Waren aller Art. Er begehrt den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung der Société T in Frankreich vom 16. Juli 1992 über die Lieferung verschiedener Gegenstände "franko Baustelle auf LKW verzollt", in der Umsatzsteuer in Höhe von … DM gesondert ausgewiesen ist. Die Lieferung erfolgte im Januar 1993; die Rechnung ging dem Kläger erst im Jahr 1997 zu.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) versagte den Vorsteuerabzug im Umsatzsteuerbescheid für 1997 (Streitjahr), weil es sich bei der Rechnung um eine Zweitschrift handele.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Es führte zur Begründung aus, die Rechnung vom 16. Juli 1992 sei nicht geeignet, den Anspruch auf Vorsteuerabzug entstehen zu lassen, weil es sich um eine Kopie handele, bei der lediglich nachträglich ein Stempel der Société T aufgedruckt worden sei. Im Übrigen stehe nach Überzeugung des Senats aufgrund der Einvernahme des Zeugen S fest, dass Vertragspartner des Klägers und damit Leistender bei der Lieferung im Januar 1993 die Société T in Frankreich --und nicht ihre Zweigniederlassung in A (Deutschland)-- gewesen sei, so dass der Ort der Leistung nach § 3 Abs. 7 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) in Frankreich gelegen habe. Ein Vorsteuerabzug komme folglich nicht in Betracht; die Société T, Frankreich, habe demnach zu Unrecht (deutsche) Umsatzsteuer ausgewiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Hat das FG --wie hier-- sein Urteil mehrfach begründet und stützt jeder der Gründe die Entscheidung, so muss gegen jeden dieser entscheidungserheblichen Gründe ein Zulassungsgrund schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Juni 2003 V B 48/03, BFH/NV 2003, 1341). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.
2. Der Kläger stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
a) Soweit das FG seine Entscheidung darauf gestützt hat, der Vorsteuerabzug sei aufgrund der Rechnung vom 16. Juli 1992 nicht zu gewähren, rügt der Kläger, dass die Entscheidung insoweit nicht mit Gründen versehen sei. Der Senat kann offen lassen, ob dieser Mangel vorliegt.
b) Denn soweit das FG seine Entscheidung darauf gestützt hat, der Ort der Lieferung habe nach § 3 Abs. 7 UStG 1993 in Frankreich gelegen, hat der Kläger keinen Zulassungsgrund schlüssig dargelegt.
aa) Insoweit macht der Kläger geltend, es liege eine --für ihn unvorhersehbare-- Fehlentscheidung vor, weil das FG zu Unrecht das UStG 1993 und nicht --wie geboten-- das UStG 1991 angewendet habe. Nach dem im Jahr 1992 gültigen UStG 1991 liege im Streitfall der Ort der Lieferung gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1991 in der Bundesrepublik Deutschland. Denn Schuldner der 1992 für den Lieferverkehr zwischen Frankreich und Deutschland noch zu erhebenden Einfuhrumsatzsteuer sei nach den Lieferbedingungen die Société T gewesen.
bb) Entgegen der Ansicht des Klägers hat das FG im Streitfall zutreffend § 3 Abs. 7 UStG 1993 angewendet. Denn da die in Rechnung gestellten Waren (erst) im Januar 1993 geliefert wurden, galten die Vorschriften des UStG 1993.
Änderungen des UStG durch das UStG 1993 sind nach § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993, soweit --wie hier-- nichts anderes bestimmt ist, auf Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und 5 UStG anzuwenden, die ab dem In-Kraft-Treten der maßgeblichen Änderungsvorschrift ausgeführt werden. Das gilt für Lieferungen und sonstige Leistungen auch insoweit, als die Steuer dafür nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG --was der Kläger geltend macht-- vor dem In-Kraft-Treten der Änderungsvorschrift entstanden ist (§ 27 Abs. 1 Satz 2 UStG 1993).
Dass das FG § 3 Abs. 7 UStG 1993 anwenden würde, konnte für den Kläger mithin nicht überraschend sein.
cc) Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang ausführt, das FG habe noch in der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen gegeben, dass es nicht über die "Vorauskasse-Rechnung" vom 16. Juli 1992 nach dem für 1992 gültigen Recht, sondern über die Vorsteuer aus einer Lieferung in 1993 nach dem UStG 1993 entscheiden werde, ist darauf hinzuweisen, dass der Vorsteuerabzug nicht allein aufgrund einer Rechnung geltend gemacht werden kann, wie der Kläger offenbar meint.
Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1991/1993 die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug kann (erst) in dem Besteuerungszeitraum, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1991/1993 insgesamt vorliegen, geltend gemacht werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1994 V R 84/92, BFHE 176, 469, BStBl II 1995, 233, m.w.N.). Diese Rechtslage steht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 29. April 2000 Rs. C-152/02, Terra Baubedarf-Handel GmbH, Umsatzsteuer-Rundschau 2004, 323).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Alternative FGO ab.
Fundstellen