Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 240 AO 1977
Leitsatz (NV)
BVerfG und BFH haben sich bereits mit der Frage beschäftigt, ob die Vorschrift des § 240 AO 1977 verfassungswidrig ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3; AO 1977 § 240
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 09.10.2003; Aktenzeichen 14 K 2194/00) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) verkaufte im Oktober 1992 ein Grundstück mit einem noch zu errichtenden Gebäude. Im Januar 1993 erteilte sie der Käuferin hierüber eine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer. Die Käuferin machte einen entsprechenden Vorsteuerabzug geltend.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte deshalb gegen die Klägerin mit Bescheid vom 18. März 1993 eine Umsatzsteuervorauszahlung für Januar 1993 von … DM fest.
Am 24. März 1993 beantragte die Klägerin die Aufhebung dieses Bescheids, da der Kaufvertrag nicht wirksam geworden sei und die Rechnung storniert worden sei.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 1996 setzte das FA die Umsatzsteuer für 1993 auf 0 DM fest. Gleichzeitig forderte es … DM Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer für Januar 1993 an. Diese erließ es dann im Billigkeitswege bis auf einen Betrag von … DM; einen weiteren Erlass lehnte es ab.
Am 24. Februar 2000 erließ das FA einen "Abrechnungsbescheid über Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1992". Einspruch und Klage gegen diesen Abrechnungsbescheid hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte die Tatbestandsvoraussetzungen des § 240 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Entstehung der Säumniszuschläge. Es meinte, die gegenüber der ursprünglichen Steuerfestsetzung erfolgten Änderungen zugunsten der Klägerin hätten auf die verwirkten Säumniszuschläge gemäß § 240 Abs. 1 Satz 4 AO 1977 keinen Einfluss. Diese Regelung sei verfassungsrechtlich unbedenklich (Hinweis auf Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 30. Januar 1986 2 BvR 1336/85, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst --DStZE-- 1986, 101). Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Beschwerde, mit der sie grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht. Hierzu führt sie in ihrer Beschwerdebegründung vom 26. November 2003 wörtlich aus:
"Das Finanzgericht geht bei seiner Entscheidung von der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge aus. Die Frage der Verfassungskonformität von Säumniszuschlägen liegt aber im allgemeinen Interesse.
Säumniszuschläge sind Druckmittel eigener Art, die den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anhalten sollen (Disziplinierungseffekt), dem Fiskus eine Gegenleistung für verspätete Zahlung fälliger Steuern (Stundungsentgelt) und für die Überwachungsaufwendungen (Überwachungsentgelt) sichern soll. Im Streitfall wurde keine Steuer geschuldet, so dass keine Grundlage erkennbar ist, den Steuerpflichtigen zu disziplinieren und zugunsten des Fiskus Stundungs- und Überwachungsentgelte zu sichern. Die gesetzliche Regelung des § 240 Abs. 1 Satz 4 AO 1977 schreibt ohne Rücksicht auf den Gesetzeszweck auch dann die Festsetzung von Säumniszuschlägen vor, wenn materiell keine Steuer geschuldet wird. Sie verletzt damit den aus dem Grundrecht der persönlichen Freiheit folgenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Durch die Festsetzung von Säumniszuschlägen wird auch in die Eigentümerrechte des Steuerbürgers eingegriffen. Dieser Eingriff ist nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig. Die Einschränkung der Eigentümerbefugnisse muss zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und notwendig, sie darf nicht übermäßig belasten und deshalb unzumutbar sein. Da im vorliegenden Fall materiell keine Steuern geschuldet werden, werden die Eigentümerrechte unverhältnismäßig eingeschränkt.
Ebenso verstößt § 240 AO 1977 gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es wird nicht unterschieden, ob im Einzelfall materiell Steuern geschuldet werden oder nicht und ob die Steuerfestsetzung zunächst auf einem Verschulden des Steuerbürgers oder des Finanzamts beruht. Es werden somit unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt, was gegen den Grundsatz der Sachgesetzlichkeit verstößt."
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Nach § 116 Abs. 3 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nicht bereits dadurch dargelegt, dass in der Beschwerdebegründung verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Entscheidung des FG vorgebracht werden; vielmehr muss dargetan werden, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von einer Rechtsfrage abhängt, die einer Klärung durch den Bundesfinanzhof (BFH) bedarf und auch im Streitfall durch den BFH geklärt werden kann.
Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht. BVerfG und BFH haben sich bereits mit der Frage beschäftigt, ob die Vorschrift des § 240 AO 1977 verfassungswidrig ist (vgl. BVerfG in DStZE 1986, 101; BFH-Beschluss vom 7. Mai 1992 VIII B 146/91; Urteil vom 26. Januar 1988 VIII R 151/84, BFH/NV 1988, 695, unter Ziff. 3 b aa der Gründe). Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, warum gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH erforderlich sein soll.
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 15. Juni 2004 weitere Einwände gegen die Entscheidung des FG geltend gemacht hat, können sie wegen Ablaufs der Frist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht mehr berücksichtigt werden.
Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen