Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Fristenkontrolle
Leitsatz (NV)
1. Ein schuldhaftes Verhalten des Prozeßbevollmächtigten des Stpfl., das zum Ausschluß der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führt, liegt vor, wenn die Fristenkontrolle unzureichend ist.
2. Zu den Voraussetzungen einer ausreichenden Fristenkontrolle, wenn ein Fristenkontrollbuch nicht geführt wird.
3. Die den Antrag auf Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen müssen innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger machte im Streitjahr 1981 auf das im Jahre 1973 in Leichtbauweise errichtete und betrieblich genutzte Lagergebäude und auf die Außenanlagen durch Übergang von der degressiven zur linearen AfA-Methode eine jährliche Mehr-AfA von 39 694 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) folgte dem in den mehrfach geänderten Einkommensteuerbescheiden 1981, in denen der Kläger mit der Klägerin zusammenveranlagt wurde, nicht. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Gegen das am 14. Oktober 1986 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) legten die Kläger am 12. November 1986 Revision ein. Die Revisionsbegründung ging am 15. Januar 1987 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Gleichzeitig beantragten die Kläger wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach § 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb eines Monats nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist zu begründen (Urteil des BFH vom 12. Juli 1972 I R 206/70, BFHE 106, 483, BStBl II 1972, 957). Diese Frist ist im Streitfall überschritten. Denn sie endete mit Ablauf des 15. Dezember 1986; die Revisionsbegründung ist aber erst am 15. Januar 1987 beim BFH eingegangen.
Auch ist der Antrag der Kläger, ihnen wegen Versäumung der Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, nicht begründet. Auf Antrag kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten; der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (z. B. Beschluß vom 10. August 1977 II R 89 /77, BFHE 133, 14, BStBl II 1977, 769) haben sich die Kläger das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten wie eigenes Verschulden anrechnen zu lassen.
Im Streitfall ist davon auszugehen, daß die Revisionsbegründungsfrist durch schuldhaftes Verhalten des Prozeßbevollmächtigten der Kläger versäumt worden ist. Ein Verschulden ist schon in einer unzureichenden Fristenkontrolle zu sehen. Denn der Prozeßbevollmächtigte hat durch die Organisation seines Bürobetriebs sicherzustellen, daß Fristversäumnisse ausgeschlossen sind. Unerläßliche Voraussetzung einer ordnungsmäßigen Büroorganisation ist ein Fristenkontrollbuch oder eine vergleichbare Einrichtung (BFH-Urteil vom 9. Mai 1961 I 237/60 S, BFHE 73, 491, BStBl III 1961, 445). In diesem Buch muß der Ablauf der Fristen aller einzelnen Sachen vermerkt sein. Die Frist darf erst nach Vornahme der zu ihrer Einhaltung erforderlichen Handlung gestrichen werden. Eintragung und spätere Streichung sind erforderlich, damit die rechtzeitige Absendung der Schriftstücke gewährleistet ist (BFH-Urteil vom 11. November 1972 VIII R 8/67, BFHE 107, 486, BStBl II 1973, 169).
Das vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger praktizierte Verfahren entspricht nicht den Anforderungen einer ordnungsmäßigen Fristenkontrolle. Die Kläger haben den Antrag damit begründet, daß der den Streitfall betreffende Fristenkontrollzettel im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten nicht ,,systemgerecht" abgelegt worden sei. Der Prozeßbevollmächtigte habe am 13. Januar 1987 von der Fristversäumnis Kenntnis erlangt, nachdem nach Vorlage einer anderen Rechtssache sich herausgestellt habe, daß der Fristenkontrollzettel falsch abgeheftet worden sei.
Aus diesem Sachvortrag ergibt sich, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kläger kein Fristenkontrollbuch geführt hat. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob - wie die Kläger meinen - schon durch Fertigung von Fristenkontrollzetteln und deren Ablage in einem Kontrollordner eine ordnungsmäßige Fristenüberwachung möglich ist. Diese Frage kann aber in der Streitsache dahinstehen. Denn die Kläger haben nicht durch substantiierten Tatsachenvortrag schlüssig dargetan, daß durch die von ihrem Prozeßbevollmächtigten durchgeführte Fristenüberwachung der Ausschluß von Fristversäumnissen in derselben Weise wie durch Führung eines Fristenkontrollbuchs sichergestellt war. Vor allem ergibt sich aus dem Sachvortrag der Kläger nicht, wie bei der Ablage von Fristenkontrollzetteln eine für eine ordnungsgemäße Fristenüberwachung erforderliche Ausgangskontrolle (BFH-Beschluß vom 1. Oktober 1981 IV R 100/80, BFHE 134, 220, BStBl II 1982, 131) hätte stattfinden können. Dies geht zu Lasten der Kläger; denn nach § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO müssen die den Antrag begründenden Tatsachen innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteil vom 27. März 1985 II R 118/83, BFHE 144, 1, BStBl II 1985, 586).
Auch das Vorbringen der Kläger, daß ihr Prozeßbevollmächtigter bis 6. Dezember 1986 in einer Kur gewesen sei und zu dieser Zeit seine Praxis in andere Büroräume verlegt habe, kann dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen. Abgesehen davon, daß ein Kuraufenthalt grundsätzlich kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, war er schon in einer zur Wahrnehmung der Frist ausreichenden Zeit beendet. Entsprechendes gilt für den Umzug des Prozeßbevollmächtigten in andere Büroräume, wie aus seinem an den Senat gerichteten Schreiben vom 9. Dezember 1986 hervorgeht.
Die unzulässige Revision mußte nach § 126 Abs. 1 FGO verworfen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 415952 |
BFH/NV 1989, 240 |