Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision
Leitsatz (NV)
Für die Rüge der nichtvorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts reicht es nicht aus, daß nur der Verdacht einer fehlerhaften Besetzung geäußert wird.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) legte gegen das ihre Klage abweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 24. Juni 1986, das keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision enthielt, Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision und gleichzeitig ,,hilfsweise" Revision ein. Der Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sie durch Beschluß vom heutigen Tage (V B 90/86) zurückgewiesen.
Die Revision gegen das erwähnte Urteil des FG begründet die Klägerin mit dem Hinweis, dem Geschäftsverteilungsplan des erkennenden Gerichts für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1986 sei die Zuständigkeit des Richters am FG X, der an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt hatte, nicht zu entnehmen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG vom 24. Juni 1986 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Gegen das Urteil des FG steht den Beteiligten die Revision zu, wenn das FG oder der BFH sie zugelassen haben (§ 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985, BGBl I 1985, 1274, BStBl I 1985, 496). Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht, wenn einer der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Verfahrensmängel gerügt wird. Im Streitfall ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt.
Die Revision ist weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden.
2. Sie ist auch nicht ohne Zulassung nach § 116 Abs. 1 FGO statthaft.
a) Der Senat geht davon aus, daß die Klägerin die ,,hilfsweise" eingelegte Revision nicht mit einer außerprozessualen Bedingung verknüpft hat. Eine unter einer solchen Bedingung erklärte Rechtsmitteleinlegung ist unwirksam (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 29. Oktober 1975 2 BvR 630/73, BVerfGE 40, 272, BStBl II 1976, 271). Die Klägerin wollte vielmehr das innerprozessuale Bedingungsverhältnis zwischen Nichtzulassungsbeschwerde und Revision kennzeichnen. Sie machte mit der Revision einen Verfahrensmangel nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO geltend, den sie mit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 2 FGO nicht wirksam rügen konnte (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679 mit weiteren Nachweisen). Sie wollte zwei zulässige Rechtsmittel nebeneinander einlegen (vgl. dazu Offerhaus, Betriebs-Berater - BB - 1986, 1563, 1564). Unter diesen Umständen handelt es sich bei der Revision um ein wirksam eingelegtes Rechtsmittel (vgl. Beschluß in BVerfGE 40, 272, BStBl II 1976, 271).
b) Die Revisionsschrift enthält zwar keinen ausdrücklichen Revisionsantrag (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Aus dem Vorbringen ergibt sich aber mit der notwendigen Eindeutigkeit, daß die Klägerin sich durch das angefochtene Urteil beschwert fühlt, weil ein nach ihrer Ansicht nicht dazu befugter Richter an der Entscheidung mitgewirkt hat, und daß sie deshalb die Aufhebung dieses Urteils und eine Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung erstrebt (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
c) Die Revision ist aber unzulässig, weil die Klägerin den Verfahrensmangel der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO) nicht in einer den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO entsprechenden Weise gerügt hat. Dazu muß die Klägerin die Tatsachen, die den Mangel ergeben, schlüssig vortragen (BFH-Beschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568). Für die Rüge der nichtvorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts sind die Anforderungen nicht erfüllt, wenn der Kläger nur den ,,Verdacht" einer fehlerhaften Besetzung behauptet (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1974 I R 40/72, BFHE 114, 85, BStBl II 1975, 232), den das Revisionsgericht dann auf seinen Gehalt untersuchen soll. Vielmehr muß der Kläger konkrete Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Besetzung des Gerichts darlegen. Dazu muß er ggf. eigene Ermittlungen anstellen (BFH-Urteil vom 5. März 1970 V R 135/68, BFHE 98, 239, BStBl II 1970, 384) und auf der Grundlage der ihm erteilten Auskünfte oder der ihm möglichen Einsicht in die Regelungen über die Geschäftsverteilung (§ 4 FGO i. V. m. § 21e Abs. 8 des Gerichtsverfassungsgesetzes GVG -) Tatsachen darlegen, die seiner Meinung nach den Besetzungsmangel begründen (vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 17. Dezember 1982 8 CB 83.80, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 24).
Deshalb reicht es nicht aus, wenn die Klägerin darlegt, die Zuständigkeit eines beisitzenden Richters sei aus dem Geschäftsverteilungsplan des FG für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1986 nicht zu entnehmen. Die Klägerin hätte auch vortragen müssen, daß sie die Zuständigkeit des beisitzenden Richters X auch nicht aus Beschlüssen des Präsidiums des FG habe entnehmen können, die den vor Beginn eines Geschäftsjahres aufgestellten Geschäftsverteilungsplan des FG (§ 4 FGO i. V. m. § 21e Abs. 1 Satz 2 GVG) ändern oder ergänzen (§ 4 FGO i. V. m. § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG). Dies ist insbesondere notwendig, um zu prüfen, ob der Richter - wie im Streitfall - seinen Dienst beim FG erst während eines Jahres angetreten hat.
Fundstellen