Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (NV)
Gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in dem Beschluß ausdrücklich zugelassen worden ist (Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG). Hierzu reicht der Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung, die Beschwerde an den BFH sei statthaft, nicht aus.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2; BFHEntlG Art. 1 Nr. 3
Tatbestand
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) betreibt gegen die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) wegen rückständiger Einkommensteuer 1977 bis 1983 die Zwangsvollstreckung. Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 13. März 1986 pfändete er wegen dieser Steuerrückstände nebst Säumniszuschlägen und Vollstreckungskosten in Höhe von 31 317,75 DM die Ansprüche aus den Spar- und Girokonten der Antragsteller bei der Volksbank B. Die Antragsteller haben sowohl gegen diese Vollstreckungsmaßnahme als auch gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung der ihr zugrundeliegenden Einkommensteuerbescheide nach Durchführung erfolgloser Vorverfahren Klagen beim Finanzgericht (FG) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ferner beantragten sie beim FG, die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung auszusetzen.
Das FG gab dem letztgenannten Antrag statt. Es setzte die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 13. März 1986 bis zur Bekanntgabe der Entscheidung in der Hauptsache (Klage gegen die Pfändung) oder bis zur anderweitigen Erledigung dieses Rechtsstreits oder - falls diese Entscheidung früher getroffen werden sollte - bis zur Entscheidung über die Klage wegen Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide aus. Die dem Beschluß des FG beigefügte Rechtsmittelbelehrung lautet:
,,a) Dieser Beschluß ist unanfechtbar (Art. 1 Nr. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 - BGBl I Seite 1861 -).
b) Gegen diesen Beschluß ist nach § 128 Abs. 1 FGO die Beschwerde zulässig . . ."
Das FA legte gegen den Beschluß des FG über die Aussetzung der Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung gemäß § 128 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Beschwerde ein. Es beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses den Antrag der Antragsteller abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfseise, sie als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde, mit der sich das FA gegen die Aussetzung der Vollziehung seiner Pfändungs- und Einziehungsverfügung durch das FG (§ 69 Abs. 3 FGO) wendet, ist unzulässig. Nach Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) steht den Beteiligten gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO entsprechend. Der angefochtene Beschluß des FG enthält keine Ausführungen über die Zulassung der Beschwerde wegen einer oder mehrerer der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe. Die Beschwerde ist deshalb nicht statthaft.
Für die Zulassung der Beschwerde nach Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG ist im Gesetz keine besondere Form vorgeschrieben. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Zulassung der Revision durch das FG (§ 115 Abs. 1 und 2 FGO), auf die die hier maßgebliche Vorschrift Bezug nimmt, muß die Zulassung - auch wenn dies im Hinblick auf die Rechtsklarheit erwünscht ist - nicht ausdrücklich in die Urteilsformel aufgenommen werden. Vielmehr genügt es, wenn die Zulassung des Rechtsmittels unter Hinweis auf den Zulassungsgrund oder die gesetzliche Bestimmung erkennbar aus den Urteilsgründen hervorgeht (BFH-Urteile vom 24. November 1964 VII 237/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 130; vom 12. Februar 1965 VI 96/64, HFR 1965, 557; vom 5. November 1971 VI R 284/69, BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139). In einem Einzelfall ist auch der in der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils unter Hinweis auf die grundsätzliche Bedeutung der Streitsache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) enthaltene Ausspruch, daß die Revision zulässig sei, als Revisionszulassung anerkannt worden (BFH-Beschluß vom 12. April 1967 VI R 321/66, BFHE 88, 361, BStBl III 1967, 396). Da die Zulassung jedoch ausdrücklich erfolgen muß, besteht nach der Rechtsprechung des BFH kein Zweifel, daß eine Rechtsmittelbelehrung, die lediglich die Revision (früher: Rechtsbeschwerde) gegen das Urteil des FG für zulässig erklärt, noch keine Zulassung des Rechtsmittels darstellt. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung, nach deren Inhalt ein Rechtsmittel zulässig wäre, kann demnach nicht zur Folge haben, daß ein nach dem Gesetz unzulässiges Rechtsmittel als zulässig behandelt wird (BFH-Urteile in HFR 1965, 130, und vom 3. September 1964 II 106/64, HFR 1965, 73; ebenso Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 115 FGO Tz. 72; Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Tz. 38).
Die vorstehenden für die Zulassung der Revision entwickelten Grundsätze gelten für die Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 FGO entsprechend (vgl. Art. 1 Nr. 3 Satz 2 BFHEntlG und Beschluß des Senats vom 3. Dezember 1985 VII B 65/85, BFH/NV 1986, 419). Daraus folgt, daß aus der dem angefochtenen Beschluß beigefügten Rechtsmittelbelehrung, nach der gemäß den Ausführungen unter Buchst. b) - im Widerspruch zu denjenigen unter Buchst. a) - die Beschwerde gegeben sein soll, die nach Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG erforderliche Zulassung dieses Rechtsmittels nicht entnommen werden kann. Weder aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses noch aus dem Inhalt der Rechtsmittelbelehrung ist die Absicht des FG erkennbar, die Beschwerde gegen die die Aussetzung der Vollziehung gewährende Entscheidung zulassen zu wollen. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Beschwerde (Art. 1 Nr. 3 Satz 2 BFHEntlG, § 115 Abs. 2 FGO) wird vom FG nirgends angedeutet. Die Rechtsmittelbelehrung ist deshalb insgesamt widersprüchlich und hinsichtlich ihrer Ausführungen unter Buchst. b) fehlerhaft. Es ist davon auszugehen, daß das FG es versehentlich unterlassen hat, in der vorgedruckten Rechtsmittelbelehrung die Alternative b) zu streichen und damit die Belehrung auf die zutreffenden Ausführungen unter a) zu beschränken. Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung vermag aber die Zulässigkeit der Beschwerde nicht zu begründen.
Fundstellen
Haufe-Index 424435 |
BFH/NV 1987, 593 |