Leitsatz (amtlich)
Eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ist weder im Beitreibungsverfahren nach der AO noch im finanzgerichtlichen Vollstreckungsverfahren nach § 150 FGO gegeben. Insoweit scheidet daher auch eine Aussetzung der Vollziehung nach § 769 ZPO oder nach § 69 FGO aus.
Normenkette
AO § 242 Abs. 1, § 327 Abs. 2; FGO §§ 69, 150, 155; ZPO §§ 767, 769
Tatbestand
Gegen den Antragsteller sind, wie er vorträgt, im Jahre 1952 acht Steuerbescheide über 215 408,80 DM ergangen, die rechtskräftig sind, weiter 38 Kostenfestsetzungsbescheide des HZA, des FG und des BFH über mehr als 40 000 DM Verfahrenskosten, wie das FG ausführt. Unter Hinweis auf § 155 FGO in Verbindung mit §§ 767, 768 und 769 ZPO erhob der Antragsteller beim FG Vollstreckungsgegenklage und beantragte u. a. , das HZA zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung aus den von ihm in der Klageschrift vom 15. Februar 1969 und im Schriftsatz vom 26. März 1969 einzeln aufgeführten Steuerbescheiden und Kostenfestsetzungsbescheiden einzustellen und die auf die Schuld- und Kostentitel geleisteten Zahlungen in Höhe von 4 174 DM zuzüglich Zinsen seit dem Tage der erfolgten Leistungen zu erstatten.
Gleichzeitig beantragte der Antragsteller beim FG, gemäß § 69 Abs. 3 FGO in Verbindung mit § 769 ZPO die Aussetzung der Vollziehung der vorerwähnten Steuerbescheide und Kostenfestsetzungsbescheide anzuordnen. Das FG wies die Klage mit Urteil vom 29. April 1969 ab, wogegen der Antragsteller Revision einlegte. Mit Beschluß vom gleichen Tage wurde auch der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung abgelehnt.
Gegen diesen Beschluß erhob der Antragsteller Beschwerde.
Er macht geltend, die Steuerbescheide seien zu Unrecht gegen ihn ergangen. Der BFH habe durch mehrere Urteile und Beschlüsse diese rechtswidrige Inanspruchnahme bestätigt. Soweit dem VII. Senat des BFH Richter angehören sollten, die beim Zustandekommen der von ihm im Schriftsatz vom 10. Dezember 1969 einzeln aufgeführten Entscheidungen des BFH mitgewirkt haben sollten, erhebe er unter Berufung auf § 51 FGO gegen diese die Besorgnis der Befangenheit und beantrage deren Ablehnung und Ausschließung bei der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits.
Seine steuerliche Inanspruchnahme sei unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und Vortäuschung eines nicht gegebenen Rechtstatbestandes erreicht worden, weshalb er den Verwirkungseinwand erhebe. Er erhebe seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zur Rechtsschutzklage aus Art. 19 Abs. 4 GG, die gerade dann durchgreife, wenn die Beschreitung des Rechtswegs durch Verfahrensvorschriften in sachlich unvertretbarer Weise unzumutbar erschwert werde. Außerdem verstießen die in Rede stehenden Steuerbescheide gegen den Bestand der Rechtsstaatlichkeit, weil sie sich auf keine Rechtsgrundlage stützen könnten und seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner willkürlich sei.
Das FG verkenne, daß die zur Vollstreckungsgegenklage vorgebrachten rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Einwendungen nach der letzten mündlichen Verhandlung, die zu den Urteilen (Vollstreckungstiteln) geführt hätte, entstanden seien. Es handele sich um neue, nach der letzten mündlichen Verhandlung entstandene Tatsachen.
Bei ordnungsgemäßer sachlicher und rechtlicher Würdigung des Antrags des Klagebegehrens hätte das FG auch die Frage der eventuellen Verjährung der Steuer- und Kostenansprüche prüfen müssen, außerdem die Frage der Berichtigung. Schließlich werde die Nichtbeachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben gerügt. Im übrigen seien die Abgaben und Kosten gemäß einer Anordnung des BdF im Weg der Billigkeit niederzuschlagen, weil ihre Entstehung aus kriegs- und nachkriegsbedingten Umständen nicht zu widerlegen sei.
Unrichtig sei die Behauptung des FG, daß die derzeit verlangten Raten von monatlich 50 DM oder 100 DM keine unbillige Härte sein könnten.
Das HZA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen, weil der Aussetzungsantrag unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Der Antragsteller beantragt, gemäß § 69 Abs. 3 FGO in Verbindung mit § 769 ZPO im Hinblick auf die erhobene Vollstreckungsgegenklage die Vollstreckung aus den näher bezeichneten Steuerbescheiden und Kostenfestsetzungsbescheiden auszusetzen.
Es ist zunächst zu prüfen, ob § 69 FGO überhaupt anwendbar ist, wenn Vollstreckungsgegenklage im Sinne des § 767 ZPO beim FG erhoben ist. Das kann nicht nur summarisch geschehen, wie das sonst nach der Rechtsprechung des BFH bei Anwendung des § 69 FGO hinsichtlich der Sach- und Rechtslage gilt, wenn ernstliche Zweifel an dem angefochtenen Verwaltungsakt geltend gemacht werden. Die Anwendbarkeit des § 69 FGO als solche muß feststehen, ehe eine Prüfung stattfinden kann, ob ernstliche Zweifel gegen den angefochtenen Verwaltungsakt bestehen oder ob in der Vollziehung eine unbillige Härte liegt.
§ 69 Abs. 2 FGO, der auch für die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO gilt, regelt die Aussetzung der Vollziehung von angefochtenen Verwaltungsakten. Soweit der Antragsteller also sein Begehren auf diese Vorschrift stützt, kann nur die Frage einer Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide und der Kostenfestsetzungsbescheide des HZA geprüft werden. § 69 Abs. 2 FGO setzt weiter voraus, daß der Verwaltungsakt der Behörde noch nicht unanfechtbar geworden ist. Im Streitfalle sind aber die Steuerbescheide unanfechtbar geworden, wie der Antragsteller selbst erklärt. Es ist davon auszugehen, daß auch die Kostenfestsetzungsbescheide des HZA unanfechtbar geworden sind, da andernfalls der Antragsteller wohl nicht die "Vollstreckungsgegenklage" erhoben hätte. Eine Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO kann also insoweit nicht in Betracht kommen.
Der Antragsteller stützt sein Begehren auf Einstellung der Zwangsvollstreckung auch auf § 769 ZPO. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag anordnen, daß bis zum Erlaß des Urteils auf die erhobene Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) die Zwangsvollstreckung eingestellt wird. Auch insoweit genügt nicht etwa eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Vollstrekkungsgegenklage, sondern es muß vorweg geprüft werden, ob § 769 ZPO überhaupt anwendbar ist, wenn bei einem FG eine Vollstreckungsgegenklage erhoben wird. Das erfordert aber wiederum eine Prüfung, ob im steuerlichen Vollstreckungsverfahren die Vollstreckungsgegenklage des § 767 ZPO zulässig ist.
Die Vollstreckung von Steuerbescheiden und Kostenfestsetzungsbescheiden der Verwaltung richtet sich nach den §§ 325 f. AO. Diese Vorschriften schließen die Anwendung der Vorschriften des Vollstreckungsrechts der ZPO auf das steuerliche Beitreibungsverfahren aus, soweit sie eine eigene Regelung getroffen haben. Im Steuerrecht wird die Vollziehung der Abgabenerhebung nicht durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs aufgehalten (§ 242 Abs. 1 AO und § 69 Abs. 1 FGO). Nach § 327 Abs. 2 AO ist auch bei Einwendungen gegen die Zulässigkeit des Zwangsverfahrens vorläufig zu leisten. Der Anspruch auf Erstattung ist nach § 152 AO zu verfolgen. Das bedeutet, daß § 767 ZPO im Steuerbeitreibungsverfahren nach der AO nicht anwendbar sein kann (vgl. Schwarz in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Bd. III, Rdnr. 2a zu § 327 AO; Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., Bd. IV, Anm. 2 (3) zu § 327). Ist aber § 767 ZPO nicht anwendbar, entfällt auch eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO. Damit kommt auch eine Prüfung, ob in der Vollziehung eine unbillige Härte liegt, nicht in Betracht.
Auch soweit im Hinblick auf die erhobene Vollstrekkungsgegenklage die Aussetzung der Vollziehung aus den Kostenfestsetzungsbescheiden des FG und des BFH begehrt wird, kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Insoweit richtet sich die Vollstreckung nach § 150 FGO, der wiederum auf die Vorschriften der AO und ihrer Nebengesetze verweist, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Da § 150 FGO aber auf die Vorschriften der AO verweist, also die FGO damit besondere Vorschriften über das Vollstreckungsverfahren enthält, kann § 767 ZPO aus den obengenannten Gründen für das Vollstreckungsverfahren nicht anwendbar sein, auch nicht über § 155 FGO. Nach dieser Vorschrift sind die Vorschriften der ZPO im finanzgerichtlichen Verfahren nur insoweit sinngemäß anwendbar, als die FGO keine Bestimmungen über das Verfahren enthält.
Da die Vollstreckungsgegenklage also nicht zulässig ist, kann auch eine Aussetzung der Vollziehung der finanzgerichtlichen Kostenfestsetzungsbescheide weder nach § 769 ZPO in Betracht kommen noch nach § 69 FGO, der an sich bei schwebenden Rechtsbehelfsverfahren gemäß § 150 Satz 3 FGO hinsichtlich der Vollstreckung sinngemäß anwendbar ist.
Nach allem war daher die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1971, 702 |
BFHE 1971, 446 |
NJW 1972, 224 |
NJW 1972, 792 |