Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Rüge, ein Urteil sei nicht i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO begründet
Leitsatz (NV)
Ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liegt nicht vor, wenn sich das angefochtene Urteil mit den klägerischen Argumenten auseinander gesetzt hat, es zudem klar erkennen lässt, von welchen Erwägungen das Gericht ausgegangen ist und damit eine Überprüfung des Urteils möglich ist.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 96 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Er ermittelte seinen Gewinn nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Unternehmen war seit dem 1. Januar 1986 als Kleinbetrieb, ab dem 1. Januar 1989 als Mittelbetrieb und ab dem 1. Januar 1992 wieder als Kleinbetrieb i.S. von § 3 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) ―BPO(St)― eingestuft.
Das zuständige Wohnsitzfinanzamt veranlagte den Kläger für die Jahre 1988 bis 1990 zur Einkommensteuer und schätzte dabei wegen Nichtvorlage von Gewinnermittlungen die Gewinne aus Sonderkulturen. Die dagegen erhobene Klage fand ihre Erledigung dadurch, dass das Wohnsitzfinanzamt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Änderungsbescheide erließ. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―), ordnete danach unter Hinweis auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) beim Kläger eine Außenprüfung an, die sich auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft der Wirtschaftsjahre 1988/89 bis 1990/91 sowie die Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1988 bis 1990 erstrecken sollte.
Nach erfolglos gebliebenen Beschwerdeverfahren brachte der Kläger mit der Klage vor, es liege keine sog. Routineprüfung vor, bei der ein Hinweis auf § 193 AO 1977 genüge. Vielmehr handele es sich um eine Prüfung aus besonderem Anlass, die entsprechend begründet werden müsse (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220). Das FA habe damit die vor dem Finanzgericht (FG) im früheren Verfahren geschlossene Vereinbarung "aushebeln" wollen. Es sollten auch verdeckt steuerstrafrechtliche Ermittlungen gegen den Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten geführt werden. Das ergebe sich aus einem handschriftlichen Vermerk des FA vom 30. September 1993.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte u.a. aus, der vom Kläger gestellte Hauptantrag, die Prüfungsanordnung aufzuheben, sei unzulässig. Das Rechtsschutzinteresse sei entfallen, nachdem die angeordnete Betriebsprüfung durchgeführt und abgeschlossen worden sei (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1985 I R 214/82, BFHE 144, 333, BStBl II 1986, 21).
Der Hilfsantrag, die Prüfungsanordnung für rechtswidrig zu erklären, sei zwar als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Die Prüfungsanordnung in Gestalt der Beschwerdeentscheidung sei aber rechtmäßig. Da der Kläger einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalte, sei eine Außenprüfung gemäß § 193 Abs. 1 AO 1977 ohne weitere Voraussetzungen zulässig. Das Auswahlermessen der Finanzbehörde sei gesetzlich nicht eingeschränkt. Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, des Willkür- und Schikaneverbots (vgl. BFH-Urteil in BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220) seien keine Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch erkennbar.
Entgegen der Ansicht des Klägers habe im früheren Klageverfahren keine tatsächliche Verständigung über die Besteuerungsgrundlagen stattgefunden. Sie ergebe sich nicht aus der Verhandlungsniederschrift; der fehlende Bindungswille werde vielmehr unmissverständlich durch den Vorbehalt der Nachprüfung dokumentiert.
Aus dem beanstandeten Vermerk über das "Prüfungskonzept" lasse sich kein steuerstrafrechtlicher Verdacht gegen den Kläger und seinen Bevollmächtigten herleiten, zumal kein zeitlicher Zusammenhang mit dem vom Kläger erwähnten Schreiben des FA vom 8. April 1988 bestehe. Im Übrigen sei es sogar zulässig, ausschließlich festzustellen, ob und in welchem Umfang Steuerbeträge hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden seien (BFH-Urteil vom 4. November 1987 II R 102/85, BFHE 151, 324, BStBl II 1988, 113). Die Anordnung sei auch nicht schikanös. Ob verwertbare Unterlagen vorhanden seien oder beschafft werden könnten, solle gerade durch die Prüfung festgestellt werden.
Der Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO 1977 genüge nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil in BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220). Eine darüber hinausgehende Begründungspflicht könne für den Streitfall nicht angenommen werden. Auch ohne Erläuterung sei für den Kläger ersichtlich gewesen, dass eine tatsächliche Verständigung nicht stattgefunden habe und die Änderungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stünden.
Die Revision ließ das FG nicht zu.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision mit der Begründung, das angefochtene Urteil sei nicht i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Gründen versehen. Dieser absolute Revisionsgrund liege vor, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- und Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergehe, z.B. wenn es einen bestimmten Sachverhalt überhaupt nicht berücksichtige. Der Kläger habe vorgetragen, die vorgenommene Prüfung sei keine sog. Routineprüfung gewesen, sondern es sei unzulässigerweise verdeckt strafrechtlich ermittelt worden. Der gerügte Ermessensfehlgebrauch werde mit keinem Wort gewürdigt oder auch nur erwähnt. Faktisch gebe das FG zu verstehen, es handele sich um eine Routineprüfung. Weshalb diese Prüfung trotz des aktenkundigen Anlasses eine Routine- und keine Anlassprüfung sei, werde nicht gesagt. Der Kläger wisse, schlicht gesagt, einfach nicht, weshalb das Gericht dies so einordne.
Der Kläger beantragt, unter Änderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig war,
hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen,
sowie die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Es meint, der Kläger habe den geltend gemachten Verfahrensmangel nicht schlüssig gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht statthaft (§ 124 Abs. 1 FGO). Sie war daher gemäß § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluss zu verwerfen.
Die Revision ist nicht gemäß § 116 Abs. 1 FGO statthaft. Ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 FGO liegt nach dem Vorbringen des Klägers nicht vor. Dieser hat den geltend gemachten Mangel, das angefochtene Urteil sei nicht i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO begründet, nicht schlüssig gerügt. Allerdings ist ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht nur dann gegeben, wenn das FG seine Entscheidung überhaupt nicht begründet, sondern auch dann, wenn es bei seiner Begründung lediglich inhaltslose oder unverständliche Wendungen niederschreibt, die nicht erkennen lassen, von welchen Erwägungen das Gericht ausgegangen ist, und die eine Überprüfung des Rechtsstandpunkts nicht ermöglichen (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 12. Juni 1996 IV R 45/95, BFH/NV 1996, 918, m.w.N.; vom 25. November 1997 IV R 44/97, BFH/NV 1998, 1100, und vom 20. Januar 1999 IV R 52/98, BFH/NV 1999, 1100; Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Rz. 61). Das gilt ferner, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffsmittel mit Stillschweigen übergeht (Dürr, a.a.O., Rz. 62, m.w.N.). Dagegen ist die Rüge unschlüssig vorgetragen, wenn der angebliche Begründungsmangel nur ein Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm berührt (Senatsbeschlüsse in BFHE/NV 1999, 1100, m.w.N., und vom 20. November 1990 IV R 80/90, BFH/NV 1991, 609).
Den danach zu stellenden Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Das angefochtene Urteil lässt klar erkennen, dass nach der Rechtsauffassung des FG der Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO 1977 als Begründung für die angeordnete Prüfung des Betriebs des Klägers ausreichte. Eine besondere Begründung habe sich sogar erübrigt (§ 121 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), weil dem Kläger bekannt war, dass eine tatsächliche Verständigung nicht stattgefunden habe und die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Das FG hat entgegen der Behauptung des Klägers auf S. 5 und 6 des Urteils sogar ausdrücklich ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch des FA erkennbar geworden seien. Weiter hat es festgehalten, dass das FA am Erlass der Prüfungsanordnung nicht durch eine tatsächliche Verständigung der Beteiligten über die Besteuerungsgrundlagen gehindert sei, weil das FA sich nicht habe binden wollen. Schließlich sei der Vermerk vom 30. September 1993 ohne rechtliche Auswirkung. Daraus ergebe sich weder ein steuerstrafrechtlicher Verdacht noch bestehe der behauptete Zusammenhang mit dem Schreiben vom 6. April 1988. Schließlich sei eine Prüfungsanordnung sogar zulässig, wenn die Prüfung ausschließlich feststellen solle, ob und in welcher Höhe Steuern hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden seien. Das FG hat sich somit in den Entscheidungsgründen mit den wesentlichen klägerischen Argumenten auseinander gesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 508887 |
BFH/NV 2000, 1486 |