Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiskraft der Zustellungsurkunde; Fristbeginn an einem Sonntag
Leitsatz (NV)
1. Die bloße Behauptung des Adressaten, die in seinen Briefkasten eingelegte Sendung an dem in der Zustellungsurkunde angegebenen Tag nicht erhalten zu haben, reicht zur Erschütterung der Beweiskraft der Zustellungsurkunde nicht aus.
2. Die Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde beginnt auch dann an dem auf die Zustellung des Urteils folgenden Tag zu laufen, wenn dieser Tag ein Sonntag ist.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 2, §§ 54, 56, 116 Abs. 3 S. 1; ZPO §§ 180, 187, 222, 418
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 18.02.2009; Aktenzeichen 2 K 2772/06) |
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein Rechtsanwalt, hat für die Streitjahre 1996 und 1997 keine Einkommensteuererklärungen abgegeben. Er wendet sich gegen die auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 der Abgabenordnung) beruhenden Einkommensteuerbescheide des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) für die Streitjahre. Seine Klagen vor dem Hessischen Finanzgericht (FG) blieben ohne Erfolg; das FG hat sie mit Urteilen vom 18. Februar 2009 2 K 2772/06 (betreffend 1996) und 2 K 1722/07 (betreffend 1997) als unbegründet abgewiesen. Nach dem Inhalt der Zustellungsurkunde wurden beide Urteile am Samstag, den 28. Februar 2009 vom Postbediensteten in den zur Wohnung des Klägers gehörigen Briefkasten eingelegt, nachdem eine Übergabe nicht möglich war.
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Gegen die FG-Urteile richten sich die am 30. März 2009 (einem Montag) eingelegten und mit am Donnerstag, den 30. April 2009 per Telefax beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsätzen des Klägers begründeten Nichtzulassungsbeschwerden. Der Kläger ist der Auffassung, er habe die Frist zur Begründung der Beschwerden nicht versäumt; hilfsweise begehrt er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
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Der Kläger beantragt, die Revision gegen die FG-Urteile zuzulassen.
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Das FA beantragt (sinngemäß), die Nichtzulassungsbeschwerden als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
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II. Die vom Senat gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig und deshalb zu verwerfen. Der Kläger hat die gesetzliche Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerden von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) nicht eingehalten.
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1. Die FG-Urteile wurden dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde am Samstag, den 28. Februar 2008 durch Einlegung in seinen Briefkasten zugestellt (Ersatzzustellung gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 180 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Die Behauptung des Klägers, am 28. Februar 2009 seinen Briefkasten selbst geleert und keine Zustellungsurkunden vorgefunden zu haben, kann die Beweiskraft der Zustellungsurkunden als öffentliche Urkunden i.S. von § 418 Abs. 1 ZPO (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. April 2007 VIII B 249/05, BFH/NV 2007, 1465; vom 16. Juni 2009 V E 1/09, juris) nicht erschüttern. Zwar ist nach § 418 Abs. 2 ZPO der Beweis der Unrichtigkeit der durch die Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen zulässig. Dazu ist aber der volle Nachweis eines anderen Geschehensablaufs erforderlich. Die bloße Behauptung des Zustellungsadressaten, er habe die Sendung nicht erhalten, reicht zur Entkräftung nicht aus (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1465). Im Übrigen wird die Behauptung des Klägers dadurch widerlegt, dass sich auf den mit den Beschwerdeschriftsätzen eingereichten Urteilskopien jeweils Eingangsstempel des Klägers mit dem Datum des 28. Februar 2009 befinden.
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Ohne Relevanz für die Wirksamkeit der Zustellung ist der vom Kläger bemängelte Umstand, dass sie nicht am frühen Morgen erfolgt sei. Anderes könnte nur gelten, wenn die Sendungen erst zu einem Zeitpunkt in den Briefkasten eingelegt worden wären, zu dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht mehr mit der Zustellung von Postsendungen zu rechnen gewesen wäre. Dafür besteht hier indes kein Anhalt.
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2. Der Lauf der Beschwerdebegründungsfrist beginnt gemäß § 54 FGO i.V.m. § 222 ZPO, § 187 des Bürgerlichen Gesetzbuchs am auf die Zustellung folgenden Tag; im Streitfall begann er mithin am 1. März 2009. Dass dieser Tag ein Sonntag war, spielt für den Fristbeginn keine Rolle (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 54 FGO Rz 13); denn die Bestimmung des § 222 Abs. 2 ZPO bezieht sich nur auf das Fristende.
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3. Mithin sind die Begründungsfristen nach Ablauf von zwei Monaten am Dienstag, den 28. April 2009 abgelaufen. Die erst am 30. April 2009 eingegangenen Beschwerdebegründungen des Klägers haben die gesetzliche Frist deshalb nicht gewahrt.
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4. Dem Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht stattgegeben werden. Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO); die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).
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Der Kläger hat nicht dargetan, dass ihn kein Verschulden an der Fristversäumung trifft. Zur Begründung des Antrags hat er ausgeführt, er hätte bei Kenntnis vom tatsächlichen Ablauf der Frist rechtzeitig Fristverlängerung wegen Arbeitsüberlastung beantragt. Aus welchen Gründen der Kläger jedoch von einem unzutreffenden Fristablauf ausgegangen ist und warum diese Gründe ein Verschulden ausschließen könnten, ist der Antragsbegründung nicht zu entnehmen. Die fehlende Kenntnis der Regeln über den Fristbeginn ist bei einem berufsmäßigen Vertreter, auch wenn er in eigener Sache tätig wird, kein hinreichender Entschuldigungsgrund (BFH-Urteil vom 23. August 1995 II R 97/92, BFH/NV 1996, 358). Gleiches gilt für die behauptete Arbeitsüberlastung (Senatsbeschluss vom 5. November 2003 I B 99-101/03, BFH/NV 2004, 358).
Fundstellen
Haufe-Index 2276843 |
BFH/NV 2010, 439 |