Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung bei ausgelaufenem Recht; Nichtberücksichtigung von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG bei Berechnung des Steuerabzugsbetrages nach § 19 Abs. 3 UStG
Leitsatz (NV)
1. Rechtsfragen, die ausgelaufenes Recht betreffen, haben keine grundsätzliche Bedeutung, wenn keine gleichartigen Fälle mehr bei den Finanzgerichten oder dem Bundesfinanzhof anhängig sind.
2. Die Frage, ob Vorsteuerberichtigungsanträge gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG die Bemessungsgrundlage für den Steuerabzugsbetrag (§ 19 Abs. 3 Satz 3 UStG) erhöhen können, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
3. Das BFH-Urteil vom 24. Februar 1988 X R 67/82 (BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622) enthält keinen Rechtssatz, der der Nichtberücksichtigung der Vorsteuerbeträge gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG bei der Berechnung des Steuerabzugsbetrages entgegensteht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; UStG 1980 § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 19 Abs. 3 S. 3 (i. d. F. vor Aufhebung durch G. vom 25. Juli 1988)
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Von grundsätzlicher Bedeutung sind Rechtsfragen, deren Entscheidung durch den Bundesfinanzhof (BFH) in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Das bezeichnete allgemeine Interesse an der Klärung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage, ob Vorsteuerberichtigungsbeträge gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die Bemessungsgrundlage gemäß § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG (in der Fassung vor Aufhebung durch Gesetz vom 25. Juli 1988) erhöhen können, ist im Streitfall nicht vorhanden.
Die Rechtsfrage betrifft § 19 Abs. 3 UStG. Diese Vorschrift ist durch Gesetz vom 25. Juli 1988 - Steuerreformgesetz 1990 - (BGBl I, 1093, BStBl I 1988, 224) mit Wirkung vom 1. Januar 1990 ersatzlos gestrichen worden. Rechtsfragen, die ausgelaufenes Recht betreffen, haben keine grundsätzliche Bedeutung, wenn keine gleichartigen Fälle mehr anhängig sind (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Beschlüsse vom 15. Januar 1979 V B 28/78, BFHE 127, 81, BStBl II 1979, 274; vom 30. Januar 1989 V B 123/86, BFH/NV 1989, 706). Unter diesen Umständen ist die Klärung der Rechtsfrage auch aus Gründen der Rechtseinheit nicht geboten (vgl. dazu Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 12 a. E.).
Die Klägerin hat nicht darlegen können, daß weitere gleichartige Fälle bei Finanzgerichten (FG) anhängig sind. Sie konnte nur das rechtskräftige Urteil des Niedersächsischen FG vom 5. Dezember 1985 V 567/85 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 261) anführen, das die von ihr vertretene Rechtsauffassung abgelehnt hat. Nach Auskunft der Geschäftsstelle des Senats liegen auch dem BFH keine weiteren gleichartigen Fälle vor. (Eine JURIS-Anfrage des Berichterstatters hat ergeben, daß keine Gerichtsentscheidungen oder Aufsätze dokumentiert sind, in denen die Entscheidung des Niedersächsischen FG zustimmend oder ablehnend zitiert wird.) Das Fehlen von Rechtsstreitigkeiten dürfte darauf beruhen, daß laut den Verfügungen der Oberfinanzdirektion (OFD) München vom 17. April 1988 (Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1984, 151) und der OFD Nürnberg vom 8. Juni 1984 (UR 1984, 222) zurückzuzahlende Vorsteuerbeträge (d. h. auch solche gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) bei der Berechnung des Steuerabzugsbetrages gemäß § 19 Abs. 3 UStG bundeseinheitlich zu berücksichtigen waren, wenn sie im Veranlagungszeitraum des ursprünglichen Abzugs (Bezugsjahr) zu einer Minderung des Ausgangswerts für die Berechnung des Steuerabzugsbetrags geführt hatten.
2. Die Revision ist auch nicht wegen Abweichung des FG-Urteils vom BFH-Urteil vom 24. Februar 1988 X R 67/82 (BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622) gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.
a) Der BFH führt in dem bezeichneten Urteil aus, der Steuergläubiger verzichte in § 19 Abs. 3 UStG auf einen Teil der nach materiellem Steuerrecht entstandenen Steuer. Dieser Aussage ist nicht zu entnehmen, die Begünstigungswirkung erstrecke sich auf jeden Tatbestand, der für eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage für den Steuerabzugsbetrag in Betracht kommt. Sie läßt offen, auf welchen Teil der Steuer der Steuergläubiger verzichtet bzw. von welchem Ganzen dieser Teil zu berechnen ist. Es ergibt sich demnach - entgegen der Ansicht der Klägerin - kein Widerspruch zu der Aussage des FG, der Gesetzgeber habe bezüglich § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG eine ungekürzte Rückzahlung der Vorsteuerbeträge beabsichtigt und insoweit von einer Subventionierung des Unternehmens abgesehen.
b) Der BFH (in BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622) führt ferner aus, die Berücksichtigung einer Nachholung des Vorsteuerabzugs habe seine Rechtsgrundlage (bereits) in § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG. Diese Aussage befaßt sich nicht mit dem Fall der Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs. Der vorliegende Streitfall betrifft die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG. Die sich hierauf beziehende Aussage des FG, die im Streitfall in Betracht kommende Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG sei in § 19 Abs. 3 UStG nicht erwähnt und deshalb bei der Berechnung des Steuerabzugsbetrages nicht zu berücksichtigen, enthält demnach - entgegen der Ansicht der Klägerin - keinen Widerspruch zu der Aussage des BFH.
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen