Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung; keine Überraschungsentscheidung bei kontroverser Diskussion durch die Beteiligten
Leitsatz (NV)
- Eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung setzt ein tatsächliches Absinken des Teilwerts unter den Buchwert aufgrund der Ausschüttung voraus. Die Tatsache allein, dass die Kapitalgesellschaft Gewinne ausgeschüttet hat, rechtfertigt noch keine Teilwertabschreibung.
- Die Frage, ob der Teilwert aufgrund einer Gewinnausschüttung tatsächlich gesunken ist, ist vom FG als Tatsacheninstanz zu beantworten.
- Wurde eine möglicherweise entscheidungserhebliche Frage von den am Klageverfahren Beteiligten kontrovers diskutiert, liegt auch dann keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, wenn das FG von sich aus diese Frage nicht mit den Beteiligten erörtert hat.
- Das FG verletzt im Allgemeinen nicht seine Sachaufklärungspflicht, wenn es bei Ermittlung des Werts einer Beteiligung die Ertragsaussichten anhand bisher erzielter Jahresgewinne schätzt.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2, § 96; EStG § 6 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
1. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Frage, ob Gewinnausschüttungen, die kurz nach dem Erwerb der Anteile stattfinden, eine Teilwertabschreibung rechtfertigen, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nur in Betracht wegen einer klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfrage (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 8, m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist dann nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt worden ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 9, m.w.N.). Wie die Klägerin zutreffend ausführt, hat der erkennende Senat z.B. bereits in seinem Urteil vom 17. September 1969 I 189/65 (BFHE 97, 251, BStBl II 1970, 107) entschieden, dass der niedrigere Teilwert angesetzt werden darf, "wenn durch die Ausschüttung der Wert der Beteiligung unter den Buchwert sinkt". Voraussetzung für eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung ist danach das tatsächliche Sinken des Beteiligungswertes aufgrund der Gewinnausschüttung (vgl. "wenn"). Damit ist zugleich entschieden, dass die Ausschüttung von Gewinnen ohne dadurch bedingtes Absinken des Teilwerts eine Teilwertabschreibung nicht rechtfertigt.
Die bezeichnete Rechtsprechung hat der BFH wiederholt bestätigt und sie liegt auch der Entscheidung zur "Anteilsrotation" (Urteil vom 23. Oktober 1996 I R 55/98, BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90) zugrunde. Dort hat der erkennende Senat die Sache an das Finanzgericht (FG) zur Überprüfung der Berechtigung der Teilwertabschreibung zurückverwiesen. Damit kommt klar zum Ausdruck, dass die Tatsache der Ausschüttung allein noch zu keiner Teilwertabschreibung berechtigt.
Im Grunde hält die Klägerin die Annahme des FG für falsch, durch die Gewinnausschüttungen sei der Teilwert der Beteiligungen nicht gesunken. Diese Frage ist jedoch eine Tat- und keine Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, die zudem, da sie nur den Einzelfall betrifft, nicht im Allgemeininteresse der Klärung bedarf (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 1995 VIII B 83/95, BFH/NV 1996, 468 a.E.).
2. Aus ähnlichen Überlegungen liegt auch keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zu den von der Klägerin zitierten BFH-Entscheidungen vor (BFHE 97, 251, BStBl II 1970, 107; BFH in BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90; vom 2. Februar 1972 I R 54-55/70, BFHE 104, 438, BStBl II 1972, 397).
Das FG hat einen Rechtssatz, Gewinnausschüttungen ließen keine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung zu, nicht aufgestellt. Es hat im Streitfall eine Minderung der Beteiligung schon allein aufgrund einer Ertragsprognose abgelehnt und festgestellt, dass die durch die Ausschüttung verminderte Liquidität bei den beiden Beteiligungsfirmen keinen unmittelbaren Einfluss auf deren Ertragskraft gehabt habe. Diese Feststellungen liegen im rein Tatsächlichen. Der erkennende Senat wäre hieran grundsätzlich auch in einem Revisionsverfahren gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO; BFH-Urteile vom 11. November 1987 I R 7/84, BFHE 152, 84, BStBl II 1988, 424; vom 22. April 1998 I R 109/97, BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748).
3. Dem FG sind auch die von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler nicht unterlaufen.
a) Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör wurde nicht verletzt. Insbesondere liegt keine sog. Überraschungsentscheidung vor (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. August 1996 I B 12-13/96, BFH/NV 1997, 96; BFH-Urteil vom 25. Februar 1997 VII R 129/95, BFH/NV 1997, 542). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist zwar verletzt, wenn das FG das Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, der im Verlauf des gesamten Verfahrens nicht angesprochen worden ist. Im Streitfall konnte die rechtliche Beurteilung des FG für die Beteiligten jedoch nicht überraschend sein. Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) haben während des Klageverfahrens nicht nur die Frage eines Gestaltungsmissbrauchs, sondern auch die Berechtigung der Teilwertabschreibung als solche kontrovers diskutiert (vgl. z.B. Schriftsatz des FA vom 9. September 1998 und Schriftsatz der Klägerin vom 15. September 1998 S. 5; vgl. z.B. auch BFH-Beschluss vom 4. März 1998 X B 71/97, BFH/NV 1998, 1113).
b) Das FG hat entgegen der Rüge der Klägerin auch nicht § 76 Abs. 1 FGO verletzt, weil es die der Ertragswertermittlung zugrunde liegende Ertragsprognose auf die Erkenntnisse in der Vergangenheit und nicht auf die in den Folgejahren tatsächlich erwirtschafteten Erträge gestützt hat. Die Bewertung der Beteiligungen hat im Streitfall entsprechend dem Stichtagsprinzip auf den 31. Dezember 1994 stattzufinden. Dabei spielen die Erfolgsaussichten und Ertragslage eine wesentliche Rolle (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 158/86, BFH/NV 1992, 15; BFH in BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748). Die künftigen Jahreserträge werden im Allgemeinen auf der Grundlage der bisher erzielten Jahresgewinne geschätzt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25. Januar 1979 IV R 56/75, BFHE 127, 32, BStBl II 1979, 302; vom 5. Dezember 1990 I R 106/88, BFH/NV 1991, 841). Auch die Klägerin hat bei Erwerb der Beteiligungen deren Ertragswert aus Vergangenheitswerten abgeleitet. Es kann dahingestellt bleiben, ob, ggf. inwieweit Vergangenheitswerten noch Aussagekraft für die Ertragsaussichten zukommt, wenn sich bereits am Bilanzstichtag ein künftiges Absinken der Erträge abzeichnet. Die Klägerin hat nicht dargetan, dass sie Derartiges im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen habe und sich daher dem FG eine weitere Aufklärung habe aufdrängen müssen.
Im Übrigen ergeht die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 424981 |
BFH/NV 2000, 710 |
BBK 2000, 598 |