Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Aussetzung eines finanzgerichtlichen Beschlusses durch das Finanzgericht
Leitsatz (NV)
Die Anwendung des § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO setzt voraus, daß die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung vollziehbar ist. Eine Aussetzung der Vollziehung nach dieser Vorschrift scheidet daher bei Beschlüssen aus, durch die lediglich ein Antrag abgelehnt worden ist.
Normenkette
FGO § 131 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) wies den Antrag der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurück. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluß vom heutigen Tage als unbegründet zurück. Gleichzeitig mit Einlegung der Beschwerde hatten die Antragsteller beim FG beantragt, nach § 131 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bis zur Entscheidung durch den Bundesfinanzhof (BFH) anzuordnen. Diesen Antrag wies das FG mit folgender Begründung zurück: Der Antrag sei unzulässig, da es sich bei dem Beschluß des Gerichts, der mit der Beschwerde angefochten werde, nicht um eine vollziehbare Entscheidung handle. Die Antragsteller legten dagegen Beschwerde ein, erklärten die Hauptsache für erledigt und beantragten, die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) aufzuerlegen. Zur Begründung führten sie aus:Das FA habe sämtliche Betriebsprüfungsberichte mit dem von ihnen, den Antragstellern, beanstandeten Inhalt inzwischen versandt. Ihr Antrag nach § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO habe zum Inhalt gehabt zu verhindern, daß dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluß des FG mit der Ablehnung ihres Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung durch Versendung der Betriebsprüfungsberichte durch das FA eine endgültige Wirkung zukäme. Die Hauptsache habe sich daher erledigt. Den von ihnen gestellten Antrag habe das FG zu Unrecht zurückgewiesen. Der Antrag sei durch den Wortlaut des § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO gedeckt. Er bedürfe nicht einmal der Analogie, da nach herrschender Meinung unter Vollziehung die Vollziehung im weitesten Sinne zu verstehen sei. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, über den Satz 1 des Absatzes 1 hinaus auch in sonstigen Fällen nach Abwägung der Erfolgsaussichten und der gegenläufigen Interessen auszusetzen. Ein solches Verfahren setze zwar eine vollziehbare gerichtliche Entscheidung voraus. Allerdings sei unter Vollziehung hier nicht nur die Durchsetzung der angefochtenen Entscheidung, sondern jeder Gebrauch ihrer Wirkungen zu verstehen. Nur wenn die Entscheidung in diesem Sinne vollzogen werden könne, sei es sinnvoll und möglich, die Vollziehung auszusetzen und dadurch eine aufschiebende Wirkung auszulösen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 131 FGO Anm. 9).
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Es führt aus: Das FG habe den Antrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Die Aussetzung der Vollziehung einer mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung des FG sei nur möglich, soweit sie ihrem Inhalt nach überhaupt einer Vollziehung fähig sei. Das scheide aber bei Beschlüssen aus, durch welche, wie im vorliegenden Fall, lediglich ein Antrag abgelehnt werde. Das gelte auch im Fall der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung. Das FA hat mit einem späteren Schreiben ebenfalls die Hauptsache für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Da die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat der Senat nur noch nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß zu entscheiden. Er hat dabei den bisherigen Sach- und Streitstand zu berücksichtigen (§ 138 Abs. 1 FGO). Da die Antragsteller nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich unterlegen wären, entspricht es billigem Ermessen, ihnen die Kosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Anwendung des § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO voraus, daß die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung vollziehbar ist (vgl. Beschluß des Senats vom 8. September 1987 VII B 93/86, BFH/NV 1988, 247, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 131 Anm. 4; Tipke/Kruse, a.a.O., § 131 FGO Anm. 9). Eine Aussetzung der Vollziehung nach § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO scheidet daher bei Beschlüssen aus, durch welche lediglich ein Antrag abgelehnt wird (vgl. Beschluß des Senats vom 18. Juli 1968 VII B 145-147/67, BFHE 93, 217, BStBl II 1968, 744). Ein solcher Beschluß liegt im vorliegenden Fall vor; auch im Falle der Ablehnung einer einstweiligen Anordnung ist die entsprechende Entscheidung des FG ihrem Inhalt nach einer Vollziehung nicht fähig (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1988, 247).
Fundstellen
Haufe-Index 415960 |
BFH/NV 1989, 375 |