Entscheidungsstichwort (Thema)
Einlegung einer Beschwerde durch nicht postulations fähigen Mitarbeiter; keine Wiedereinsetzung bei Organisationsverschulden
Leitsatz (NV)
1. Eine nur von einem nicht postulationsfähigen Mitarbeiter eines Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Beschwerde ist unzulässig.
2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen, wenn der Prozeßbevollmächtigte nicht dafür Sorge trägt, daß Rechtsmittelfristen während seiner Urlaubsabwesenheit wirksam gewahrt werden.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 56 Abs. 1
Tatbestand
Im Hauptverfahren geht es darum, ob Verluste aus Grundbesitz mangels einer Einkünfteerzielungsabsicht nicht zu berücksichtigen sind. Außerdem war in den inzwischen abgeschlossenen Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1979 und 1980 die Höhe der Einkünfte aus der Architektentätigkeit des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) streitig.
Befangenheitsgesuche gegen den Berichterstatter im Verfahren ... sowie die übrigen Mitglieder des Spruchkörpers blieben -- auch im Beschwerdeverfahren -- erfolglos (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 1994 IV B 79/93 BFH/NV 1994, 877 und IV B 85/93 BFH/NV 1995, 33).
Im Verlauf eines Erörterungstermins lehnten die Kläger den Berichterstatter im noch anhängigen Verfahren ... erneut als befangen ab. Das Finanzgericht (FG) wies das Ablehnungsgesuch mit Beschluß vom 10. August 1995 als unbegründet zurück. Der Beschluß wurde dem damaligen Prozeßbevollmächtigten der Kläger mit Postzustellungsurkunde am 18. August 1995 zugestellt.
Am 15. September 1995 ging beim FG ein vom zwischenzeitlich verstorbenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichneter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Darin nahm dieser Bezug auf eine, wegen seiner eigenen Urlaubsabwesenheit von seinem "Mitarbeiter vorsorglich eingelegte Beschwerde vom 29. August 1995, die aber nicht in den Besitz des FG gelangt" sei. Dem Antrag waren Kopien des Entwurfs der Beschwerdeschrift vom 29. August 1995, eines Schreibens des ... vom 4. August 1995 sowie einer Seite des Postausgangsbuchs beigefügt. Ebenfalls am 15. September 1995 ging beim FG die Beschwerdebegründung ein. Mit Schriftsatz vom 22. April 1996 hat der jetzige Prozeßbevollmächtigte die eingelegte Beschwerde weiter begründet.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs muß sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Revision oder Beschwerde.
Selbst wenn man dem Vortrag der Kläger folgend davon ausgeht, daß die Beschwerdeschrift vom 29. August 1995 binnen der Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) beim FG eingegangen ist, so war diese jedoch nur vom Mitarbeiter des früheren Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet worden. Dieser war aber nicht postulationsfähig und damit von der Vertretung vor dem BFH ausgeschlossen (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 62 Anm. 81).
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) ist nicht zu gewähren. Die Versäumung der Beschwerdefrist war nicht unverschuldet. Denn der Prozeßbevollmächtigte hat seinen Bürobetrieb in Übereinstimmung mit dem Verfahrensrecht so zu organisieren, daß Fristversäumnisse ausgeschlossen sind (BFH-Beschlüsse vom 25. März 1988 V B 141/87, BFH/NV 1990, 167, und vom 31. Oktober 1995 II S 14/95, BFH/NV 1996, 414). Das hat der frühere Prozeßbevollmächtigte der Kläger unterlassen. Denn er hat nicht dafür Sorge getragen, daß Rechtsmittelfristen während der Zeit seiner Urlaubsabwesenheit wirksam gewahrt wurden. Er hätte für diese Zeit einen zeichnungs- und postulationsfähigen Vertreter bestellen müssen. Dieses Verschulden ihres früheren Prozeßbevollmächtigten müssen sich die Kläger gemäß § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung wie ein eigenes zurechnen lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 421742 |
BFH/NV 1997, 141 |