Entscheidungsstichwort (Thema)
Erledigung des Aussetzungsverfahrens
Leitsatz (NV)
1. Nach Ablauf einer in einem Beschluß über die Aussetzung der Vollziehung durch das FG gesetzten Frist ist das FA nicht mehr gehindert, den angefochtenen Steuerbescheid zu vollziehen. Eine Beschwerde gegen den durch Fristablauf erledigten Aussetzungsbeschluß des FG ist grundsätzlich unzulässig.
2. Zur Tatbestandswirkung eines aufgehobenen Aussetzungsbeschlusses.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, § 128; AO 1977 § 237 Abs. 1, § 240 Abs. 1
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind Miterben nach ihrer 1991 verstorbenen Mutter (Erblasserin). Diese hatte in den Umsatzsteuererklärungen für 1983, 1984 und 1985 Vorsteuerbeträge aus Rechnungen über die Herstellung von Wohnungen angemeldet. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) stimmte den Umsatzsteuer anmeldungen zu. Zugleich hob er für die bezeichneten Steuerfestsetzungen den Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) auf. 1990 veräußerte die Erblasserin ihren Grundstücksanteil umsatzsteuerfrei. Darauf setzte das FA mit Bescheid vom 1. März 1993 gegen die Antragsteller als Rechtsnachfolger der Erblasserin Umsatzsteuer für 1990 in Höhe eines Vorsteuerberichtigungsbetrages gemäß § 15 a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 von 10 201 DM fest. Der Einspruch der Antragsteller blieb nach der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 1993 erfolglos. Darauf erhoben sie am 30. August 1993 Klage. Das FA hatte die von den Antragstellern beantragte Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 1990 am 26. März 1993 abgelehnt. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) durch Beschwerdeentscheidung am 15. Juli 1993 zurück. Nunmehr beantragten die Antragsteller am 27. Juli 1993 beim Finanz gericht (FG), den Umsatzsteuerbescheid 1990 vom 1. März 1993 bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung des Urteils über die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage auszusetzen.
Das FG setzte den bezeichneten Steuerbescheid antragsgemäß durch Beschluß vom 28. September 1993 aus. Zur Begründung führte es u. a. aus, es habe ernstliche Zweifel daran, daß die Vorsteuerbeträge nach § 15 a Abs. 1, 4 UStG berichtigt werden dürften.
Mit der zugelassenen Beschwerde greift das FA diese Entscheidung an und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Die Antragsteller sind der Beschwerde entgegengetreten.
Das FG hat die Klage durch Urteil vom 17. Dezember 1993 abgewiesen. Über die dagegen eingelegte Revision ist noch nicht entschieden worden. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 1990 für die Dauer des Revisionsverfahrens liegt nicht vor.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Das FA hat kein schützenswertes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das Verfahren ist erledigt.
a) Das FG hat die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 1990 in dem angefochtenen Beschluß "bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils in der Finanzstreitsache 9 K ... " ausgesetzt. Danach war das FA gehindert, das Leistungsgebot in dem Umsatzsteuerbescheid 1990 von der Bekanntgabe des finanzgerichtlichen Beschlusses an (vgl. zum Beginn der Aussetzungswirkung: Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 23. Juni 1977 V B 41/73, BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645) bis zum Ablauf des Monats nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils vom 17. Dezember 1993 am 27. Januar 1994, somit am 28. Februar 1994 (Montag, § 54 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) zu vollziehen.
Die am 14. Oktober 1993 vom FA eingelegte Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluß des FG vom 28. September 1993 war zunächst zulässig. Mit Ablauf des 28. Februar 1994 trat jedoch Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache ein. Das FA war ab 1. März 1994 nicht mehr durch den angefochtenen Beschluß gehindert, den Umsatzsteuerbescheid zu vollziehen. Das FA hätte das Beschwerdeverfahren für erledigt erklären und einen Kostenantrag stellen können (vgl. zur Erledigung: BFH- Beschluß vom 26. November 1986 VIII B 87/86, BFH/NV 1988, 711; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 128 FGO Rz. 92 ff. -- 97 --). Der gleichwohl nach dem 28. Februar 1994 aufrechterhaltene Aufhebungsantrag wurde durch den Wegfall einer Beschwer unzulässig (BFH-Beschluß vom 3. Januar 1978 VII S 13/77, BFHE 124, 22, BStBl II 1978, 157).
b) Ein Interesse des FA an einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ergibt sich auch für eine mögliche spätere Festsetzung von Aussetzungszinsen (§ 237 Abs. 1 AO 1977) oder von Säumniszuschlägen (§ 240 Abs. 1 AO 1977) nicht. Selbst wenn die Antragsteller in der Hauptsache endgültig unterliegen sollten, schuldeten sie für die Zeit der Vollziehungsaussetzung durch den angefochtenen Beschluß, auch wenn dessen Aufhebung rückwirkend erfolgte (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Februar 1975 VI B 72/74, BFHE 115, 95, BStBl II 1975, 452), keine Säumniszuschläge (vgl. § 240 Abs. 1 AO 1977). Die Tatbestandswirkung, die ein aufgehobener Aussetzungsbeschluß des FG bis zu seiner Aufhebung hat, führt dazu, daß die Steuer vom FA bis dahin nicht verlangt werden konnte und Säumniszuschläge nicht erhoben werden durften (BFH-Urteil vom 14. September 1978 V R 35/72, BFHE 126, 9, BStBl II 1979, 58; vgl. dazu Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 69 FGO Anm. 5).
Fundstellen