Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulassung der Revision bei bislang ausgebliebener Verwendung der Eingangsumsätze (erfolgloser Unternehmer)
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, welche objektiven Nachweise für die Absicht, eine zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, zu verlangen sind, kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und ist deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
2. Hat das FA die Unternehmereigenschaft zunächst bejaht, dann aber in nach §173 Abs. 1 Nr. 1, §164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Steuerbescheiden verneint, so liegt darin keine rückwirkende Aberkennung der Eigenschaft als Mehrwertsteuerpflichtiger, wie sie der EuGH grundsätzlich für unzulässig hält.
Normenkette
FGO § 115; UStG 1993 §§ 2, 15
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) meldete im Jahre 1990 ein Gewerbe an, das sie zum 1. Januar 1994 wieder abmeldete. Bei dem Gewerbe sollte es sich um ein " ... Büro -- ... " handeln.
Aufgrund ihrer Steuererklärungen wurde sie in den Jahren 1990 bis 1993 zur Umsatzsteuer veranlagt; dabei ergaben sich jeweils Vorsteuerüberschüsse zu ihren Gunsten.
Nach einer Außenprüfung verneinte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) die Unternehmereigenschaft der Klägerin und änderte entsprechend die bisherigen Veranlagungen für 1990 bis 1992. Ebenso hob er den Umsatzsteuerbescheid für 1993 auf.
Einsprüche und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stellte wesentlich darauf ab, daß es bei der Klägerin nicht nachhaltig zur tatsächlichen Ausführung entgeltlicher Leistungen gekommen sei und daß auch objektive Nachweise für die erklärte Absicht fehlten, eine zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde eingelegt, mit der sie Abweichung der Vorentscheidung von dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 29. Februar 1996 Rs. C-110/94 (Slg. 1996, I-857, BStBl II 1996, 655) und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach §115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Beschwerde muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils begründet werden (§115 Abs. 3 Satz 1 FGO).
2. Soweit die Klägerin Abweichung der Vorentscheidung von dem Urteil des EuGH in BStBl II 1996, 655 geltend macht, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des §115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht erfüllt; insoweit kommt allenfalls die Zulassung der Revision nach §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung in Betracht.
3. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Es muß sich um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage handeln, die im Revisionsverfahren geklärt werden kann. An einer revisiblen Rechtsfrage fehlt es, wenn die Entscheidung des Streitfalls nur von der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse abhängt (BFH-Beschluß vom 2. März 1982 VII B 148/81, BFHE 135, 169, BStBl II 1982, 327) oder wenn sich die Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten läßt (BFH-Beschluß vom 21. Juni 1996 VIII B 89/95, BFH/NV 1996, 920).
Die Frage, welche objektiven Nachweise für die Absicht, eine zu steuerbaren Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, zu verlangen sind, kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und ist deshalb keine Rechtsfrage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Aus dem EuGH-Urteil in BStBl II 1996, 655 kann nichts anderes hergeleitet werden.
Die Frage, ob die ursprünglichen Steuer bescheide durch die angefochtenen Bescheide aufgehoben oder geändert werden durften, bestimmt sich im Streitfall ausschließlich nach den Vorschriften des §173 Abs. 1 Nr. 1, §164 Abs. 2 der Abgabenordnung. Indem das FA die Voraussetzungen dieser Vorschriften bejaht hat, hat es die Unternehmereigenschaft der Klägerin von vornherein verneint. Eine rückwirkende Aberkennung der Eigenschaft als Mehrwertsteuerpflichtige, wie sie der EuGH grundsätzlich für unzulässig hält, liegt hierin nicht.
4. Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen