Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Wertansatz einer Beteiligung nach verdeckter Einlage
Leitsatz (NV)
Verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften führen nicht zwingend zu einer Erhöhung des Werts der Beteiligung; vgl. Urteil des BFH vom 9. März 1977 I R 203/74 (BFHE 122, 68, BStBl II 1977, 515). Liegen Anhaltspunkte für eine drohende Konkursgefahr der Kapitalgesellschaft vor, so liegt die Notwendigkeit einer Teilwertabschreibung auf die Beteiligung im Bereich des Möglichen. Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids, dem die Nichtanerkennung einer solchen Teilwertabschreibung zugrundeliegt, ist ernstlich zweifelhaft.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 69
Tatbestand
Die Klägerin ist die Obergesellschaft des X-Konzerns, der sich mit . . .herstellung befaßt. Sie war neben der Y-AG und weiteren Kommanditisten (Minderheitsgesellschaftern) an der G-GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Komplementärin der KG war die G-GmbH. An deren Stammkapital von 20 000 DM waren die Klägerin und die Y-AG zu je 50 v.H. beteiligt.
Die KG geriet seit 1973 infolge erheblicher Verluste in eine Überschuldung. Die Gesellschafter waren nicht mehr bereit, der KG weitere Mittel zuzuführen. Im November 1975 schieden die Kommanditisten sämtlich aus. Deren negative Kapitalkonten wuchsen der G-GmbH an.
Der Betrieb der KG ging auf die G-GmbH über. Gleichzeitig wurde das bisherige Betriebsprogramm der KG aufgegeben und die betriebliche Tätigkeit der G-GmbH umgestellt.
Im Rahmen der Vereinbarungen über die Betriebsstillegung der KG ergab sich die Notwendigkeit, zur Vermeidung eines Konkurses der G-GmbH dieser zu einer finanziellen Sicherheit zu verhelfen. Die Y-AG veräußerte daher ihre Anteile an der G-GmbH an die Klägerin zu einem Preis von 1 DM. Die Übertragung erfolgte unter der Bedingung, daß die Y-AG der G-GmbH einen Sanierungszuschuß von 400 000 DM gewährt. Die Klägerin verpflichtete sich, eine Kapitaleinlage in Höhe von 1 000 000 DM zu leisten, was am 15. Dezember 1975 geschah. Sie schrieb den Beteiligungswert von 1 000 000 DM im Wege einer Teilwertabschreibung (zum 30. Juni 1976) voll ab.
Das Finanzamt (- FA -) erkannte die Teilwertabschreibung auf die Anteile der Klägerin an der G-GmbH nicht an. In der Begründung des Bescheides heißt es hierzu, die Übernahme des Betriebes der KG durch die G-GmbH und deren Umstrukturierung zu einer Betriebs-GmbH komme einer Neugründung gleich. Die Anlaufverluste rechtfertigten daher eine Teilwertabschreibung nicht. Das FA erhöhte den Gewinn um 1 000 000 DM auf . . . DM. Der Bescheid wurde in der Folgezeit - teils im Einspruchsverfahren - mehrfach geändert, wobei es stets bei der Nichtanerkennung besagter Teilwertabschreibung verblieb.Einspruch und Klage blieben in diesem Punkt erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, daß zwar nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. März 1977 I R 203/74 (BFHE 122, 68, BStBl II 1977, 515) die Aktivierungspflicht einer verdeckten Einlage eine gleichzeitige Abschreibung der Beteiligung auf den niedrigeren Teilwert nicht ausschließe. Im vorliegenden Falle lägen aber die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung nicht vor, weil zusammen mit der Mittelzuführung betriebliche Maßnahmen getroffen worden seien, die zu vernünftigen Zukunftserwartungen für die Gesellschaft geführt hätten. Eine Fehlmaßnahme liege nicht vor. Der Streitfall weise die Besonderheit auf, daß gleichzeitig mit der Mittelzuführung der Übergang des Betriebs von der KG auf die G-GmbH erfolgt sei. Dies sei im Wege des Ausscheidens der Kommanditisten aus der KG und der damit verbundenen Übernahme der negativen Kapitalkonten der Kommanditisten durch die G-GmbH erfolgt. Erst durch diesen Zusammenhang sei die völlige Überschuldung der GmbH eingetreten. Dies habe die Gesellschafter der GmbH und frühere Kommanditisten veranlaßt, die Klägerin und die Y-AG, einerseits die zur Abwendung des Konkurses notwendige Zuführung der zur Schuldendeckung erforderlichen Mittel vorzunehmen und zum anderen den Betrieb umzuorganisieren. Dementsprechend habe bereits die Betriebsprüfung die Maßnahme als eine einer Neugründung gleichkommende Aktion angesehen. Mag auch die Vermeidung der Liquidation der G-GmbH bzw. der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen dieser Gesellschaft ein (wesentliches) Motiv für die Durchführung der getroffenen Maßnahmen gewesen sein, so sei doch nicht zu übersehen, daß durch die Maßnahmen habe erreicht werden sollen, daß die G-GmbH künftig erfolgswirksam tätig werden sollte. Hieran habe die Klägerin, wie sie selbst dargelegt habe, ein erhebliches wirtschaftliches Interesse. Dies ergebe sich unmittelbar aus den für die G-GmbH eingegangenen erheblichen Bürgschaftsverpflichtungen sowie daraus, daß ihr Schwesterunternehmen gegen die G-GmbH Forderungen aus Lieferungen und Leistungen von über . . . Mio DM gehabt habe. Die Fortführung im Rahmen des Konzerns der Klägerin habe auch den Zweck gehabt, die Klägerin durch weitere wirtschaftliche Tätigkeit der G-GmbH aus ihrem Bürgschafts-Obligo zu entlassen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Forderungen des Schwesterunternehmens bezahlt werden konnten. Die Zuschußzahlung sei mithin darauf gerichtet gewesen, das Unternehmen in Zukunft erfolgreich zu führen. An eine Teilwertabschreibung sei nur dann zu denken gewesen, wenn das Vorliegen einer Fehlmaßnahme dargetan worden sei. Dies sei zumindest für das Streitjahr nicht der Fall. Ob dies für einen künftigen Stichtag möglicherweise in Zukunft angenommen werden könne, brauche im vorliegenden Streitfall nicht entschieden zu werden.
Das FA hat durch erneuten Feststellungsbescheid vom 20. Januar 1986 die einheitliche Gewinnfeststellung entsprechend dem FG-Urteil (teilweise Klagestattgabe wegen eines anderen Streitpunkts) geändert.
Die Klägerin hat gegen das FG-Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Den Feststellungsbescheid vom 20. Januar 1986 hat sie zum Gegenstand des Verfahrens erklärt. Außerdem hat sie zunächst beim FA die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 20. Januar 1986 beantragt. Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Aussetzungsantrags blieb erfolglos.
Der Senat hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin durch Beschluß vom heutigen Tag die Revision zugelassen.
Mit Schriftsatz vom 18. Juni 1986 beantragte die Klägerin die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids vom 20. Januar 1986. Zur Begründung bezog sie sich im wesentlichen auf ihr Vorbringen im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision. Insbesondere führt sie aus, der Zuschuß an die G-GmbH sei nachweislich und unmittelbar zur Tilgung dringender Verbindlichkeiten verwendet worden. Er habe die Überschuldung und Konkursreife der G-GmbH zwar gelindert, aber nicht beseitigt. FA und FG hätten sich bei ihrer Annahme wirtschaftlicher Belebungsmaßnahmen offensichtlich von dem Gedanken leiten lassen, daß der Konkurs der G-GmbH letztendlich doch noch habe vermieden werden können. Dabei werde aber übersehen, daß die endgültige Abwendung des Konkursverfahrens auf ganz andere zeitlich nachfolgende Stützungsmaßnahmen zurückzuführen sei, die mit dem hier gegenständlichen Sachverhalt nichts zu tun hätten. Sie änderten nichts daran, daß die G-GmbH auch unter Berücksichtigung des hier strittigen Zuschusses überschuldet geblieben sei und die Anteile an der nach wie vor überschuldeten Gesellschaft wertlos gewesen seien. Damit müßten die Grundsätze des Urteils in BFHE 122, 68, BStBl II 1977, 515 zur Anwendung kommen.
Die Klägerin beantragt die Aussetzung der Vollziehung des geänderten Feststellungsbescheids vom 20. Januar 1986 (ohne jede Einschränkung).
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist teilweise begründet. Die Vollziehung des Feststellungsbescheids vom 20. Januar 1986 ist insoweit auszusetzen, als ein höherer Gewinn der Klägerin als . . . DM festgestellt wurde.
Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel im vorgenannten Sinne liegen vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (vgl. u.a. BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182).
Der Antrag ist zulässigerweise beim BFH angebracht worden. Denn nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG ist der BFH Gericht der Hauptsache i.S. von § 69 Abs. 3 FGO (vgl. u.a. Beschluß des BFH vom 21. September 1983 II S 5/83, BFHE 139, 228, BStBl II 1984, 210).
Die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung liegen insoweit vor, als das FA in dem Bescheid vom 20. Januar 1986 die Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der G-GmbH abgelehnt hat.
Der bisher vom FG festgestellte Sachverhalt ergibt bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen überschlägigen Beurteilung keine hinreichenden Erkenntnisse über die Unzulässigkeit der von der Klägerin vorgenommenen Teilwertabschreibung. Vielmehr vermitteln die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG (völlige Überschuldung der G-GmbH, dringende Konkursgefahr) den Beweis des ersten Anscheins, daß unter Berücksichtigung der im Urteil in BFHE 122, 68, BStBl II 1977, 515 dargelegten Grundsätze die Notwendigkeit einer Teilwertabschreibung bestand. Ob und inwieweit sich dieser Anschein im Zuge des weiteren Verfahrens als zutreffend erweisen wird, kann derzeit nicht beurteilt werden. Umstände, die gegen die Richtigkeit dieses Anscheins sprechen, sind jedenfalls nach dem gegenwärtigen Sachstand nur in zu geringem Umfang erkennbar.
Da gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nur bezüglich des Teils des festgestellten Gewinns ernstliche Zweifel bestehen, der sich aus der Versagung der Teilwertabschreibung ergibt, war der auf vollständige Aussetzung der Vollziehung des Bescheids gerichtete Antrag im übrigen abzulehnen.
Fundstellen
Haufe-Index 414821 |
BFH/NV 1987, 298 |