Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf Steuerbefreiung erfaßt auch Abfindung
Leitsatz (NV)
Der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze erfaßt sowohl die Erfüllungsleistungen wie auch die Abfindung für die Aufgabe von Rechten aus dem Mietvertrag. Darin, daß die Abfindung nicht der Umsatzsteuer unterworfen wird, kann i.d.R. ein Widerruf des Verzichts nicht gesehen werden.
Echter Schadensersatz, der nicht steuerbar ist, kann nur angenommen werden, wenn der Unternehmer seine Leistung nicht um der gewollten, erwarteten oder erwartbaren Gegenleistung willen bewirkt (Anschluß an BFH-Urteil vom 21. Mai 1992 V R 66/86, BFH/NV 1995, 343).
Normenkette
UStG § 4 Nr. 12a
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) hatte für die Umsätze aus der Vermietung eines Grundstücks, auf dem ein Asylbewerberheim betrieben wurde, gemäß §9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf die Steuerbefreiung nach §4 Nr. 12 a UStG verzichtet.
Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung stellte die Prüferin fest, daß die Antragstellerin für die vorzeitige Auflösung des Mietvertrags über dieses Grundstück eine Abfindung in Höhe von 1,6 Mio. DM erhalten hatte. Die Antragstellerin hatte die Abfindung nicht der Umsatzsteuer unterworfen.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) erfaßte die Abfindung in Höhe von 1 391 304,35 DM als steuerpflichtigen Umsatz und setzte die Umsatzsteuer für den Monat Dezember entsprechend fest.
Der Einspruch gegen den Bescheid hatte keinen Erfolg; die Klage ist beim Finanzgericht (FG) anhängig.
Das FA hat die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Das FG hat den Antrag durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen. Es führt im wesentlichen aus, die Antragstellerin habe die Abfindung der Umsatzsteuer zu unterwerfen, weil sie als Schadensersatzleistung für die vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses das Schicksal der eigentlich vereinbarten Hauptleistung, des Mietzinses teile. Weder aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 15. Dezember 1993 C 63/92 (BStBl II 1995, 480) noch aus dem Erlaß des Finanzministeriums (FinMin) Sachsen-Anhalt vom 25. Juni 1996 44 -- S 7100 -- 60, der im übrigen das Gericht nicht binden könnte, folge etwas anderes. Sowohl das Urteil des EuGH wie auch der Erlaß des FinMin des Landes Sachsen-Anhalt beträfen Fälle, in denen die Vermietungsumsätze steuerfrei gewesen seien, die Abfindung jedoch als steuerpflichtig behandelt worden sei. Im Streitfall seien demgegenüber die Vermietungsumsätze steuerpflichtig gewesen.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, durch die Kündigung des Mietvertrages zu einem vorzeitigen, nicht vertraglich vereinbarten Zeitpunkt habe sich die Mieterin ihr gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht. In der am 3. August 1995 geschlossenen Vereinbarung zwischen ihr und der Mieterin seien die Schadensersatzansprüche einvernehmlich festgelegt und das Mietverhältnis für beendet erklärt worden. Hierin liege bereits keine steuerbare sonstige Leistung, sondern nur die außergerichtliche Festlegung des zu leistenden Schadensersatzes. Entscheidend für die Annahme nicht steuerbaren Schadensersatzes sei allein, ob eine schadensersatzbegründende Handlung bereits vorgenommen worden sei oder ob eine Vereinbarung geschlossen werde, aufgrund derer zukünftige schadensbegründende Handlungen vermieden würden. Nur für den letztgenannten Fall wäre im Verzicht auf Rechtsansprüche wohl eine umsatzsteuerbare Leistung gegeben. Selbst wenn eine steuerbare Leistung in der vorzeitigen Auflösung zu sehen wäre, sei dieser Umsatz nicht steuerpflichtig. Sie, die Antragstellerin, habe zwar hinsichtlich der Vermietungsumsätze auf die Steuerbefreiung verzichtet. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß der Verzicht auf die Steuerbefreiung auch hinsichtlich der Auflösung des Mietverhältnisses nicht widerrufen worden sei. Sie habe die Umsätze nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Da der Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung keiner Form bedürfe, hätte das FG in diesem Fall untersuchen müssen, ob vorliegend nicht die Steuerbefreiung widerrufen worden sei, was sie getan habe.
Die Antragstellerin hat den am 19. Juni 1997 ergangenen Umsatzsteuerbescheid für 1995 zum Gegenstand des Aussetzungsverfahrens gemacht. Sie beantragt sinngemäß, die Vollziehung dieses Bescheids in Höhe von 208 695,65 DM auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Es trägt vor, aus dem Wortlaut der Vereinbarung vom 3. August 1995 gehe eindeutig hervor, daß dadurch das Mietverhältnis einvernehmlich gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst worden sei. Entsprechend dem Urteil des EuGH in BStBl II 1995, 480 seien die Vermietungsleistung und ein etwaiger Verzicht hierauf umsatzsteuerrechtlich einheitlich zu beurteilen. Daher habe die Antragstellerin auch nicht ihren Verzicht auf die Steuerbefreiung widerrufen können.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist in entsprechender Anwendung des §68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Umsatzsteuerbescheid für 1995 vom 19. Juni 1997 (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. Oktober 1994 VIII B 101/94, BFH/NV 1995, 611), der den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Dezember 1995 ersetzt hat (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1991 V R 17/87, BFH/NV 1992, 63).
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
Im Ergebnis zutreffend hat das FG ernstliche Zweifel i.S. des §69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182) an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Umsatzsteuerbescheids in bezug auf die Einbeziehung der Abfindung als steuerpflichtigen Umsatz verneint. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß die Abfindung nicht nach den Rechtsgrundsätzen des EuGH-Urteils in BStBl II 1995, 480 steuerfrei zu belassen ist; denn die Antragstellerin hat auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze verzichtet. Dieser Verzicht erfaßt sowohl die Erfüllungsleistungen wie auch die Abfindung für die Aufgabe von Rechten aus dem Mietvertrag. Die Antragstellerin hat diesen Verzicht bisher nicht wirksam widerrufen. Darin, daß sie die Abfindung nicht der Umsatzsteuer unterworfen hat, kann im Hinblick auf ihren Rechtsstandpunkt ein Widerruf nicht gesehen werden.
Auch die vom FG bisher nicht vorgenommene -- summarische -- Prüfung, ob es sich bei der Abfindung um echten Schadensersatz handelt, führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheids. Echter Schadensersatz, der nicht steuerbar ist, kann nur angenommen werden, wenn der Unternehmer seine Leistung nicht um der gewollten, erwarteten oder erwartbaren Gegenleistung willen bewirkt (vgl. BFH-Urteil vom 21. Mai 1992 V R 66/86, BFH/NV 1995, 343). Im Streitfall spricht die Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und dem Mieter vom 3. August 1995 für einen Leistungsaustausch.
Nach dieser Vereinbarung verlor der zwischen der Antragstellerin und dem Mieter geschlossene Vertrag über die Anmietung der Unterkünfte seine Grundlage dadurch, daß dem Mieter das bestehende Vertragsverhältnis auf Betreiben eines Asylbewerberheims aufgekündigt worden war. Die Antragstellerin hatte jedoch eine Option, den bis 1997 geschlossenen Vertrag für weitere fünf Jahre, also bis zum Jahre 2002, zu verlängern, da auch der Vertrag des Mieters mit dem Landkreis bis zum Jahre 2002 laufen sollte. Die Antragstellerin erklärte sich ihrerseits bereit, gegen Zahlung von 1,1 Mio. DM aus der vom Landkreis zu erwartenden Schadensersatzzahlung an den Mieter und gegen Überlassung des Mobiliars der Heime im Wert von ca. 500 000 DM das Vertragsverhältnis mit dem Mieter zeitlich kongruent mit dem Zugang der "Entschädigung durch den Landkreis zu beenden" und "auf die Option zu verzichten". Auch wenn im Anschluß hieran von Schadensersatzansprüchen der Antragstellerin wegen Wegfalls der wirtschaftlichen Grundlagen durch vorzeitige Vertragsauflösung die Rede ist, und sich der Mieter mit "dieser Schadensersatzleistung gegenüber der GmbH" einverstanden erklärt, so ist aufgrund der Vereinbarung insgesamt doch von einem Leistungsaustausch im Sinne des BFH-Urteils vom 7. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495) auszugehen.
Es kann offen bleiben, ob der Mieter -- wie die Antragstellerin behauptet -- den Mietvertrag am 14. Juni 1995 vorfristig zum 30. Juni 1995 gekündigt hatte. Bei Abschluß der Vereinbarung am 3. August 1995 sind die Mietvertragsparteien offensichtlich davon ausgegangen, daß diese außerordentliche Kündigung den Vertrag nicht beendet hatte. Die Antragstellerin konnte auch gegen Entgelt auf ihren Anspruch auf Vertragserfüllung verzichten (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 1990 V R 6/85, BFH/NV 1991, 130); denn der Wegfall der wirtschaftlichen Grundlagen für den Mieter führte nicht dazu, daß dessen Leistung unmöglich i.S. des §275 des Bürgerlichen Gesetzbuches geworden war (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 57. Aufl., Rz. 12).
Fundstellen