Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine verfassungswidrige Belastung durch § 10a GewStG
Leitsatz (NV)
1. Bei summarischer Prüfung ist nicht ersichtlich, dass § 10a GewStG zu einer Verletzung der Besteuerungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) oder des objektiven Nettoprinzips in seinem verfassungsrechtlich geschützten Kern führt.
2. Ein Gewerbesteuermessbescheid kann nicht zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung führen.
3. Zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf eine gesetzliche Regelung.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3; GewStG §§ 10a, 14 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) hat durch Investitionen in Forschung und Entwicklung elektronischer Schließsysteme einen auf den 31. Dezember 2003 festgestellten Gewerbeverlust in Höhe von 11 863 796 € erwirtschaftet. Nach dem Bescheid für 2003 über den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen ab 2004 sind davon anrechenbar lediglich 1 443 950 €, sodass ein Steuermessbetrag in Höhe von 12 370 € festgesetzt wird.
Nachdem das Finanzgericht (FG) zunächst mit Beschluss vom 14. Juni 2005 die Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheids für 2004 für Vorauszahlungen vom 20. Dezember 2004 in Höhe von 8 690 € ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgesetzt hatte, hat es auf die Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) unter Aufhebung des Beschlusses vom 14. Juni 2005 mit Beschluss vom 22. August 2005 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) abgelehnt. Angesichts der mittlerweile bekannt gewordenen Beschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. April 2005 XI B 127/04 (BFH/NV 2005, 1189) und vom 15. März 2005 IV B 91/04 (BFH/NV 2005, 1199) verneine der Senat ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Insbesondere lägen im Streitfall keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass negative Einkünfte aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr vorgetragen werden könnten. Vielmehr beschränkten sich die Auswirkungen der Mindestbesteuerung nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) bei einem für Zwecke der Vorauszahlung angenommenen Gewinn in Höhe von 1 450 213 € auf den Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 8 690 € und damit verbundene Zinsnachteile. Unter dem Blickwinkel einer unechten Rückwirkung von § 10a GewStG überwiege das Änderungsinteresse des Staates die schutzwürdigen Interessen der Antragstellerin in den Fortbestand des früheren Rechts.
Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin die Verfassungswidrigkeit von § 10a GewStG geltend, insbesondere im Hinblick auf eine Verletzung der Besteuerungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) sowie des objektiven Nettoprinzips, des sog. Halbteilungsgrundsatzes (Art. 14 Abs. 2 GG) sowie einer unzulässigen Rückwirkung. Die Antragstellerin habe in den Jahren seit ihrer Gründung 1995 hohe Investitionen in die Entwicklung elektronischer Schließsysteme vorgenommen. Diese seien zum Teil durch Fremdkapital, in weit überwiegendem Maß aber durch Eigenkapital und nachrangige Darlehen der Gesellschafter finanziert. Eine Besteuerung der jetzt eingetretenen Gewinne ohne vollständige Verrechnung der Verlustvorträge würde dazu führen, dass die Gesellschafter auf ihr Eigenkapital Ertragsteuern entrichten müssten. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Verlustvorträge der Antragstellerin beruhten ausschließlich auf sog. echten Verlusten; Aufwendungen aus steuerlichen Sonderabschreibungen seien nicht enthalten. Die Antragstellerin habe bei der Vornahme der genannten Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe auf die damalige Gesetzeslage vertraut, aus der sich ergeben habe, dass künftig zu erzielende Gewinne zunächst mit den aufgelaufenen Verlustvorträgen verrechnet würden und sich auf lange Zeit keine Steuerbelastung ergebe. Dieses Vertrauen sei schutzwürdig, denn es habe sich durch konkrete Dispositionen der Antragstellerin verfestigt. Eine Verschiebung der Verlustverrechnung in spätere Besteuerungsperioden verbunden mit der Besteuerung zwischenzeitlich erwirtschafteter Einkünfte schlage bei einer Beendigung der werbenden Tätigkeit vor vollständiger Verlustkompensation endgültig in eine Übermaß- bzw. Substanzbesteuerung um. Es könne auf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass negative Einkünfte aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr vorgetragen werden könnten, nicht ankommen.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des FG vom 22. August 2005 aufzuheben und die Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheids 2004 für Vorauszahlungen vom 20. Dezember 2004 in Höhe von 8 690 € ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die statthafte Beschwerde ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 FGO). Das FG hat zu Recht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gewerbesteuermessbescheids 2004 für Vorauszahlungen verneint.
1. Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts soll auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen (§ 69 Abs. 2 und 3 FGO). Ernstliche Zweifel bestehen, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund präsenter Beweismittel und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechts- oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.1. der Gründe); dies gilt auch für ernstliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. März 2003 XI B 76/02, BFHE 202, 147, BStBl II 2003, 523, unter II.1. der Gründe, m.w.N.). An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Fall der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung (BFH-Beschluss vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454). Nach diesen Grundsätzen bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des streitigen Gewerbesteuermessbescheids.
2. Im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass im Streitfall die Anwendung von § 10a GewStG die Antragstellerin nicht in verfassungswidriger Weise belastet.
a) Es ist nicht ersichtlich, dass die Anwendung von § 10a GewStG auf den Streitfall zu einer Verletzung der Besteuerungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) oder des objektiven Nettoprinzips in seinem verfassungsrechtlich geschützten Kern führt.
aa) Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2840) ließ der Gesetzgeber den innerperiodischen Verlustausgleich im Rahmen von § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wieder uneingeschränkt zu, während die Beschränkung des überperiodischen Verlustabzugs nach §§ 10d Abs. 2 EStG, 10a GewStG beibehalten und verschärft wurde. Verluste, die weder im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung noch im Wege des Verlustrücktrags ausgeglichen werden konnten, sind ab Veranlagungszeitraum 2004 im Rahmen des Verlustvortrags nur noch begrenzt verrechnungsfähig. Gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG können sie nur noch bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. € unbeschränkt abgezogen werden. Darüber hinausgehende negative Einkünfte aus früheren Veranlagungszeiträumen sind nur noch um 60 v.H. des 1 Mio. € übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte ausgleichsfähig. Im Ergebnis werden 40 v.H. des positiven Gesamtbetrags der laufenden Einkünfte eines Veranlagungszeitraums unabhängig von etwaigen Verlusten in früheren Perioden der Besteuerung unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. € überschreiten. Diese Neuerungen im Bereich der Einkommensteuer sind für die Gewerbesteuer durch das Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze (GewStÄndG) vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2922) fortgeführt worden. Erstmals in der Geschichte der Gewerbesteuer wurde damit eine Form der Mindestbesteuerung eingeführt. Der unbegrenzte Verlustvortrag in der Gewerbesteuer blieb insbesondere von den Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 --StEntlG 1999/2000/2002-- (Mindestbesteuerung im Rahmen von § 2 Abs. 3 der Einkommensteuer) unberührt. Im Ergebnis werden nach § 10a GewStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer 40 v.H. des laufenden Gewerbeertrags unabhängig von Verlusten aus früheren Perioden besteuert.
bb) Zwar ist die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, für den Bereich des Steuerrechts durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, unter C.I.1.b der Gründe). Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Auch bemisst der einfache Gesetzgeber die Lastengleichheit im Gewerbesteuerrecht nach dem objektiven Nettoprinzip, indem § 7 GewStG an die einkommensteuerliche Gewinnermittlung anknüpft. Das objektive Nettoprinzip gilt auch im Gewerbesteuerrecht. Unabhängig von der Einordnung der Gewerbesteuer als traditionelle sog. Realsteuer und ihrer etwaigen Verankerung als solche in Art. 106 GG (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 2003 X R 2/00, BFHE 203, 263, BStBl II 2004, 17, unter II.2.b bb cc der Gründe) trägt der Aufwandsabzug auch traditionell die Struktur der Gewerbesteuer (vgl. Lang/ Englisch, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 2005, 3, 14 f., m.w.N.). In der Folgerichtigkeit des GewStG läge nach dem objektiven Nettoprinzip sowie insbesondere unter Berücksichtigung der traditionellen Systematik des GewStG, die keine Verlustausgleichsbeschränkungen kennt, auch die Anerkennung eines uneingeschränkten überperiodischen Verlustausgleichs. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG kann der Gesetzgeber jedoch jedenfalls bei Vorliegen gewichtiger Gründe das objektive Nettoprinzip durchbrechen. Ein hinreichender rechtfertigender Grund für die Abweichung vom objektiven Nettoprinzip in § 10a GewStG ist bei summarischer Prüfung jedenfalls die Stärkung und Verstetigung der steuerlichen Gemeindefinanzierung (BTDrucks 15/1517, 12, 19).
Im Übrigen bestehen nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschlüsse in BFHE 202, 147, BStBl II 2003, 523; vom 6. März 2003 XI B 7/02, BFHE 202, 141, BStBl II 2003, 516; vom 9. Mai 2001 XI B 151/00, BFHE 195, 314, BStBl II 2001, 552, sowie BFH-Urteil vom 11. Februar 1998 I R 81/97, BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485) im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Verlustausgleichsbeschränkung, als der Verlustausgleich nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird. Eine Verlagerung des Verlustausgleichs auf spätere Veranlagungszeiträume ist im Hinblick darauf nicht zu beanstanden, dass das Grundrecht seine Wirkung grundsätzlich veranlagungszeitraumübergreifend entfaltet. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nur dann, wenn der Verlustausgleich gänzlich ausgeschlossen wird. Es genügt, wenn die Verluste überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum steuerlich berücksichtigt werden (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88). Insbesondere erstarkt die bei ihrer Entstehung gegebene bloße Möglichkeit, die Verluste später ausgleichen zu können, nicht zu einer grundgesetzlich geschützten Vermögensposition --Art. 14 Abs. 1 GG-- (BFH-Urteil in BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485, unter II.2.b der Gründe).
cc) Anhaltspunkte dafür, dass § 10a GewStG ein unangemessenes Mittel zur Verfolgung des genannten gesetzgeberischen Zieles wäre, sind im Streitfall nicht ersichtlich. Gleiches gilt im Hinblick auf einen etwaigen endgültigen Ausschluss des Verlustabzugs sowie insoweit, als in der Literatur zutreffend darauf hingewiesen wird, dass § 10a GewStG zu einer verfassungswidrigen Substanzbesteuerung führen kann, insbesondere bei Unternehmensneugründungen mit Anlaufverlusten bzw. Unternehmen in zyklischen Branchen, bzw. dass § 10a GewStG zu einer Übermaßbesteuerung führen kann, die die Insolvenz nach sich ziehen kann (vgl. Lang/Englisch, StuW 2005, 3, 12, 15). Ein derartiger unverhältnismäßiger Steuerzugriff kommt im Streitfall lediglich im Hinblick auf eine spätere Beendigung der werbenden Tätigkeit der Antragstellerin in Betracht. Über die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn negative Einkünfte aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr vorgetragen werden können, ist im Streitfall mangels konkreter Anhaltspunkte hierfür nicht zu befinden (so auch BFH-Beschluss vom 29. April 2005 XI B 127/04, BFHE 209, 379, BStBl II 2005, 609, unter II.2.b der Gründe). Denn eine etwaige verfassungswidrige übermäßige Steuerbelastung der Antragstellerin würde insoweit erst dann eintreten, wenn der Verlustausgleich im Einzelfall ausgeschlossen wäre.
dd) Die von der Antragstellerin geltend gemachte Ungleichbehandlung mit Steuerpflichtigen, bei denen Ausgaben und Einnahmen in einem Veranlagungszeitraum anfallen und eine vollständige Saldierung stattfindet, bedeutet gegenüber der Abweichung von § 10a GewStG vom objektiven Nettoprinzip keine andersartige zusätzliche Belastung. Gleiches gilt, soweit auf eine etwaige Ungleichheit von § 10a GewStG und § 15a EStG hingewiesen wird.
b) Soweit sich die Antragstellerin auf eine Verletzung des sog. Halbteilungsgrundsatzes (vgl. Leitsatz 3 des Vermögensteuerbeschlusses des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655) beruft, rechtfertigt dies schon deshalb nicht die Aussetzung des Gewerbesteuermessbescheids, da ein solcher niemals zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung führen kann. Denn seine Regelungswirkung beschränkt sich auf die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags (§ 14 Satz 1 GewStG). Die tatsächliche Steuerbelastung ergibt sich erst aus dem Gewerbesteuerbescheid, in dem die Steuer aufgrund des Steuermessbetrags mit einem Hundertsatz (Hebesatz) festgesetzt wird (§ 16 Abs. 1 GewStG; so auch BFH-Beschluss vom 15. März 2005 IV B 91/04, BFHE 209, 128, BStBl II 2005, 647, unter 2.b der Gründe).
c) Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Neuregelung in § 10a GewStG verletze ihr durch konkrete Dispositionen verfestigtes Vertrauen auf eine umfassende Verlustverrechnung im Rahmen der Gewerbesteuer, so ist schon nicht ersichtlich, welche konkreten Dispositionen gerade im Hinblick auf die Möglichkeit der Verlustverrechnung getätigt worden wären. Vielmehr beruft sich die Antragstellerin allgemein darauf, dass sie mit Blick auf die Verlustverrechnungsmöglichkeit erhebliche Anlaufverluste in Kauf genommen habe. Zwar ist Gegenstand rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284). Erhält eine steuerlich relevante wirtschaftliche Disposition durch eine nachträgliche Gesetzesänderung eine andere, nachteilige Wertigkeit, so ist der Bürger in der grundrechtlich geschützten Freiheit zur Vornahme dieser Disposition betroffen (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG). Das Interesse des Einzelnen auf den Fortbestand eines gesetzlichen Status Quo einerseits ist mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Änderungsanliegens für das Wohl der Allgemeinheit abzuwägen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17, 37; BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.4.a der Gründe). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann dabei Übergangsregelungen gebieten (vgl. etwa BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 17, 45, sowie BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.5. der Gründe). Ergänzt wird dieser freiheitsgrundrechtliche Dispositionsschutz durch das allgemeine rechtsstaatliche Kontinuitätsgebot. Das Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung ist besonders schutzwürdig, wenn das Vertrauen bzw. die entsprechende Disposition durch eine gesetzliche Regelung speziell veranlasst wurde. Eine derartige besondere Dispositionsveranlassung ist jedoch noch nicht allein daraus herzuleiten, dass § 10a GewStG ein Novum im GewStG darstellt.
Fundstellen
Haufe-Index 1496294 |
BFH/NV 2006, 1150 |
NWB 2006, 11 |