Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zurücknahme eines von demselben Beteiligten mehrfach eingelegten Rechtsmittels
Leitsatz (NV)
Hat ein Revisionskläger gegen dasselbe FG-Urteil mehrfach Revision eingelegt, so erledigt eine ausdrücklich auf eine der eingelegten ,,Revisionen" beschränkte Rücknahme grundsätzlich nicht sämtliche Einlegungsakte. Das gilt insbes., wenn die ,,Revision" zurückgenommen wird, die ohne Nachweis einer Prozeßvollmacht eingelegt wurde.
Normenkette
FGO § 125
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte am 30. August 1984 dem Steuerbevollmächtigten A in Sachen Gewinnfeststellungsbescheide 1979 bis 1982 und Umsatzsteuerbescheide 1979 bis 1982 Prozeßvollmacht erteilt. Die Vollmacht ermächtigte u. a. auch zur ,,Einlegung und Zurücknahme von Rechtsbehelfen, Rechtsmitteln und zum Verzicht auf solche".
Mit Schriftsatz vom 12. Januar 1986 legte A gegen das ihm am 16. Dezember 1985 zugestellte klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) ,,namens und im Auftrag" der Klägerin ,,Beschwerde/Revision" ein. Eine Begründung wollte er nachreichen.
Mit Schriftsatz vom 14. Januar 1986 ,,legten" auch der Steuerberater B und die Rechtsanwäte C sowie D - im folgenden Sozietät genannt - ,,Revision und Beschwerde" ein.
Das FG vermerkte auf beiden Rechtsmittelschriften, daß es der Beschwerde nicht abhelfe.
Die Geschäftsstelle des erkennenden Senats am Bundesfinanzhofs (BFH) bat sowohl A als auch die Sozietät um Mitteilung, ob sie die Klägerin einzeln oder jeweils zusammen mit den/dem anderen Prozeßbevollmächtigten verträten; von der Sozietät verlangte sie zusätzlich die Vorlage einer Prozeßvollmacht für das Verfahren vor dem BFH. A äußerte sich trotz nochmaliger Erinnerung nicht mehr. B, C und D ,,nahmen" mit Schriftsatz vom 17. März 1986 ,,Revision und Beschwerde gemäß Schriftsatz vom 14. 1. 1986 zurück". Eine auf sie lautende Vollmacht der Klägerin legten sie jedoch nicht vor.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unzulässig, weil A nicht postulationsfähig ist.
1. Der Senat geht davon aus, daß das FG-Urteil außer mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision zugleich auch schon mit der Revision selbst angefochten werden sollte. Sowohl A als auch die Sozietät haben in ihren Rechtsmittelschriften von Beschwerde und Revision geschrieben. Auch ist das gleichzeitige Einlegen einer Revision zusammen mit der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich zulässig (BFH-Urteil vom 28. März 1979 I R 58-59/78, BFHE 128, 135, BStBl II 1979, 650).
2. Der von der Sozietät eingereichte Schriftsatz vom 17. März 1986 führte nicht zur Beendigung des Revisionsverfahrens.
Der Senat kann offenlassen, ob die Sozietät mit ihrem früheren Schriftsatz (vom 14. Januar 1986) eine zweite Revision eingelegt - wovon möglicherweise das FG ausgegangen ist - oder aber nur eine weitere Rechtsmittelschrift eingereicht hatte (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 28. Februar 1978 VIII R 112/75, BFHE 124, 494, BStBl II 1978, 376, sowie den BFH-Beschluß vom 19. Juli 1984 IX R 16/81, BFHE 141, 467, BStBl II 1984, 833, jeweils mit weiteren Nachweisen). Im Streitfall kommt der Senat jedenfalls zum Ergebnis, daß die Revision durch den Schriftsatz vom 17. März 1986 nicht (insgesamt) zurückgenommen wurde.
Die Sozietät hat ihre ,,Rücknahme" auf das von ihr eingelegte ,,Rechtsmittel" (,,gemäß Schriftsatz vom 14. 1. 1986") beschränkt. Da sie außerdem von der Geschäftsstelle des erkennenden Senats darüber informiert worden war, daß auch A in das Verfahren eingeschaltet war und gleichwohl dazu keine Stellungnahme abgegeben hatte, kann nicht angenommen werden, ihre ,,Rücknahme" habe sämtliche Einlegungsakte erledigt. Der Senat geht vielmehr davon aus, daß die Sozietät lediglich sich selbst aus dem Verfahren zurückziehen wollte (vgl. hierzu auch den Beschluß des Oberlandesgerichts München vom 31. Oktober 1978 25 U 2708/78, Monatsschrift für Deutsches Recht 1979, 409, mit weiteren Hinweisen).
Dafür spricht auch, daß die Sozietät keine Prozeßvollmacht der Klägerin vorgelegt hatte. Es ist nicht ersichtlich, ob ihr (,,Rücknahme"-)Schriftsatz vom 17. März 1986 mit der Klägerin abgesprochen worden war oder wenigstens deren Vorstellungen entsprach. Hingegen war A von der Klägerin zur Einlegung von Rechtsmitteln sowie deren Zurücknahme bevollmächtigt worden.
3. Nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt - worauf die Klägerin durch das FG (in dessen Rechtsmittelbelehrung) ausdrücklich hingewiesen worden ist - auch für die Einlegung der Revision.
B, C und D, die diesen Anforderungen genügt hätten, haben ihren Verfahrensbeitrag rückgängig gemacht. A gehörte als Steuerbevollmächtigter nicht zu dem in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG genannten Personenkreis. Daß er (etwa) - abweichend von dem bei der Rechtsmitteleinlegung verwendeten Briefkopf und dem auf der Rechtsmittelschrift vom 12. Januar 1986 angebrachten Stempelabdruck - Steuerberater wäre, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
Fundstellen