Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde durch eine nicht vertretungsberechtigte Person
Leitsatz (NV)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO kommt auch dann in Betracht, wenn die Fristversäumung darauf beruht, daß eine an sich fristgerechte Nichtzulassungsbeschwerde mangels Vertretungsbefugnis der Beschwerdeführerin unwirksam ist.
Wird in der Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen, daß der Vertretungszwang auch für die Einlegung der Beschwerde gilt, ist die durch die persönliche Einlegung verursachte Fristversäumnis jedoch verschuldet, so daß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 56
Tatbestand
Der erkennende Senat hat die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision durch Beschluß vom 31. Juli 1995 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Beschwerde sei unwirksam, weil sie nicht von einer nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) zur Vertretung vor dem Bundesfinanzhof (BFH) berechtigten Person, sondern von der Klägerin persönlich eingelegt worden sei. Dieser Mangel habe durch die Benennung einer Rechtsanwältin als Prozeßbevollmächtigte nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht behoben werden können.
Der Beschluß des Senats wurde der nachträglich benannten Prozeßbevollmächtigten mit einfachem, am 16. August 1995 abgesandten Brief bekanntgegeben. Mit Schreiben vom 22. August 1995 (beim BFH eingegangen am 25. August 1995) beantragte die Prozeßbevollmächtigte, der Klägerin wegen der versäumten Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Klägerin sei ohne Verschulden verhindert gewesen, die Beschwerde fristgemäß einzulegen. Erst durch den Beschluß des BFH habe die Klägerin Kenntnis davon erlangt, daß für eine wirksame Beschwerdeeinlegung u. a. eine rechtsanwaltliche Vertretung erforderlich sei. In der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung heiße es, gegen die Nichtzulassung der Revision könne innerhalb eines Monats Beschwerde beim Finanzgericht (FG) eingelegt werden. Die Klägerin habe daher davon ausgehen müssen, daß das FG, bei dem kein Vertretungszwang bestehe, über ihre Beschwerde entscheiden würde. Sie sei in dem Glauben gewesen, daß erst bei Zulassung der Revision und der damit einhergehenden Zuständigkeit des BFH eine anwaltliche Vertretung erforderlich sei. Die insoweit irreführende und unvollständige Rechtsmittelbelehrung dürfe dem Rechtsunkundigen nicht zum Nachteil gereichen.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig.
Der Zulässigkeit steht nicht der Beschluß des Senats vom 31. Juli 1995 entgegen. Die Rechtskraft dieses Beschlusses betrifft nicht die Beschwerde, deren Verspätung nach Auffassung der Klägerin durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu heilen ist (vgl. BFH-Beschluß vom 9. März 1989 X B 71/88, BFH/NV 1990, 508 m. w. N.).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 56 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Im Streitfall ist nicht die gesetzliche Frist versäumt worden, sondern die fristgerechte Prozeßhandlung war mangels Vertretungsbefugnis unwirksam. Auch für diese Fälle gilt § 56 Abs. 1 FGO (BFH-Beschluß vom 16. August 1979 I R 95/76, BFHE 129 BStBl II 1980, 47). Jedoch war die Klägerin nicht ohne Verschulden gehindert, ordnungsgemäß -- durch eine nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vertretungsberechtigte Person -- Beschwerde zu erheben. In Absatz 4 der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ist ausgeführt, daß der Vertretungszwang vor dem BFH auch für die Einlegung der Beschwerde gilt. Wenn die Klägerin gleichwohl persönlich Beschwerde erhoben hat, ist ihr dies als Verschulden zuzurechnen.
Fundstellen
Haufe-Index 421007 |
BFH/NV 1996, 241 |