Entscheidungsstichwort (Thema)
Unrichtiges Schätzungsergebnis als Verfahrensfehler?
Leitsatz (NV)
Ein unrichtiges Schätzungsergebnis ist kein Verfahrensfehler i.S. von §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Das Außerachtlassen von Umständen, die in die Schätzung hätten einfließen müssen, kann jedoch verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachkommt oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht berücksichtigt.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Gründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Verfahrensmängel, auf denen das Urteil beruhe, führen nicht zur Zulassung der Revision.
Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gehört zu den vom Finanzgericht (FG) zu treffenden Tatsachenfeststellungen. Diese erfassen auch die Schätzungsmethode (Urteil des Bundesfinanzhof -- BFH -- vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorträgt, das FG sei von unzutreffenden Annahmen ausgegangen, macht er materielle Rechtsfehler geltend, die nach dem abschließenden Katalog des §115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht zu einer Zulassung der Revision führen können (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juli 1995 VII B 43/95, BFH/NV 1996, 197).
Ein unzutreffendes Schätzungsergebnis, sollte es im Streitfall vorliegen, ist somit kein Verfahrensfehler i.S. des §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. BFH-Beschluß vom 24. Oktober 1995 I B 14/95, BFH/NV 1996, 339). Verfahrensmängel sind Verstöße des FG gegen das Gerichtsverfahrensrecht (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §115 FGO Tz. 65). Allerdings kann die Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in die Schätzung hätten einfließen müssen, verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG seiner Sachaufklärungspflicht gemäß §76 Abs. 1 FGO nicht nachkommt oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§96 Abs. 1 Satz 1 FGO) unberücksichtigt läßt. Derartige Fehler sind im Streitfall jedoch nicht gegeben.
a) Die Rüge, das FG hätte weitere Beweise (insbesondere durch Einholen von Wiegeergebnissen und Auswertungen von Kassenaufzeichnungen späterer Jahre) erheben müssen, ist schon nicht in zulässiger Form vorgebracht worden. Da es sich bei §76 Abs. 1 um eine Vorschrift handelt, auf deren Beachtung die Beteiligten verzichten können, hätte der Kläger vortragen müssen, daß er die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt hat oder, wenn dies unterblieben sein sollte, weshalb ihm die Rüge nicht möglich oder nicht zumutbar war (BFH-Urteil vom 21. Juni 1988 VII R 135/85, BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841). An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall.
b) Das FG hat auch die Behauptungen des Klägers (Verluste aus Personaldiebstählen und frischer Ware, hoher Mehl- und Käseverbrauch etc.), die nach Ansicht des Klägers einen niedrigeren Aufschlagsatz rechtfertigen, nicht übergangen. Es hat eine weitere Sachaufklärung wegen der jeder Schätzung anhaftenden Ungenauigkeiten sowie der Wahl des seiner Auffassung nach zutreffenden Aufschlagsatzes nicht für erforderlich gehalten. Ob diese Rechtsauffassung zutreffend ist, ist für die Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblich (BFH-Beschluß vom 8. April 1997 XI B 181/94, BFH/NV 1997, 782).
c) Soweit sich der Kläger darauf beruft, das FG habe die Tatsache, daß täglich Kassenberichte mit Abstimmung der Kassenanfangs- und -endbestände geführt worden seien, die die Aufbewahrung von Registrierkassenstreifen entbehrlich machten, nicht berücksichtigt, rügt er sinngemäß, daß das FG seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt habe, und damit einen Verstoß gegen §96 Abs. 1 Satz 1 FGO. Auch ein solcher Verfahrensmangel liegt indes nicht vor. Wie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergeben, hat sich das FG mit den vom Kläger geführten Kassenberichten befaßt. Es hat dazu festgestellt, daß die vorliegenden Unterlagen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassenführung nicht entsprächen. Eine solche Feststellung ist dem Bereich der Beweiswürdigung zuzurechnen, die nicht im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde überprüft werden kann (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Rdnr. 28, m.w.N.). Die Ausführungen des FG zu den nicht aufgezeichneten Bareinkäufen waren nicht allein entscheidungserheblich, sondern stellen nur eine zusätzliche Begründung dar.
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810) ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen
Haufe-Index 154048 |
BFH/NV 1999, 488 |