Leitsatz (amtlich)
Will der Steuerschuldner die bevorstehende Einziehung einer Steuerforderung unter Berufung auf Gegenansprüche gegen den Steuergläubiger bis zum Eintritt der Aufrechnungslage aufhalten und liegen die Voraussetzungen für eine Verrechnungsstundung (d. h. an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit alsbaldiger Erstattung) nicht vor, kann er das angestrebte Ziel nicht durch eine auf § 258 AO 1977 (Unbilligkeit der Vollstreckung) gestützte einstweilige Anordnung erreichen.
Normenkette
FGO § 114; AO 1977 § 258
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragsteller (Eheleute A sowie A-GmbH & Co. KG) schulden dem Antragsgegner (Finanzamt) rückständige Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Kirchensteuer. Die Antragsteller beantragten beim Finanzamt Stundung ihrer jeweiligen Steuerrückstände mit der Begründung, der Antragsteller A (Ehemann) könne Festsetzung und Auszahlung negativer Umsatzsteuerbeträge aus Voranmeldungen der Monate September 1982 bis Februar 1984, die Antragsteller Eheleute A Erstattung von Einkommensteuer 1980 beanspruchen.
Die von den Antragstellern behaupteten Auszahlungs- bzw. Erstattungsansprüche beruhen auf folgendem Sachverhalt. Der Antragsteller A hat in den Jahren 1982 bis 1984 ein Gebäude mit 21 Wohnungen und 24 Garagen errichtet und das Gebäude an einen gewerblichen Zwischenvermieter zum Zwecke der Weitervermietung vermietet. Auf die Befreiung seiner Umsätze aus Vermietung hat der Antragsteller gemäß § 9 UStG 1980 verzichtet und die ihm im Rahmen der Gebäudeerrichtung in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als abziehbare Vorsteuerbeträge geltend gemacht. Die Auszahlungsansprüche berechnete der Antragsteller A in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für den Zeitraum der Monate September 1982 bis Februar 1984 mit insgesamt 427 050,35 DM. Das Finanzamt hat die Abziehbarkeit der geltend gemachten Vorsteuerbeträge verneint, weil der Abschluß des Zwischenmietvertrages einen Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO 1977) darstelle. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Antragsteller A Klage erhoben, über die das Finanzgericht Düsseldorf noch nicht entschieden hat. Ferner haben die Antragsteller Eheleute A in ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung 1982 im Rahmen der Gebäudeerrichtung gezahlte Umsatzsteuern in Höhe von 345 000 DM als Werbungskosten geltend gemacht, deren Berücksichtigung das Finanzamt bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1982 abgelehnt hat. Bei Berücksichtigung dieser Werbungskosten ergäbe sich ein Verlust, der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden könnte und - gemäß § 10d EStG 1981 wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte des Veranlagungszeitraums 1980 abgezogen - zu einem Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuer 1980 in Höhe von 194 142 DM führen würde. Die Entscheidung über den Einspruch der Antragsteller A gegen den Einkommensteuerbescheid 1982 hat das Finanzamt bis zur Entscheidung des Rechtsstreits in der Umsatzsteuersache zurückgestellt.
Das Finanzamt hat mit Bescheid vom 20. März 1984 Stundung der dort bezeichneten Steuern abgelehnt. Die Beschwerde der Antragsteller vom 30. April 1984 gegen die Ablehnung der Stundung hat die Oberfinanzdirektion durch Entscheidungen vom 3. August 1984 und 6. August 1984 als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragsteller Eheleute A könnten ihren Stundungsanspruch nicht auf Gründe sachlicher Härte stützen; denn es sei nicht dargetan, daß ihre behaupteten Ansprüche auf Erstattung von Einkommensteuer 1980 bzw. Auszahlung von negativen Umsatzsteuerbeträgen (nur des Antragstellers A) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kurzfristig fällig würden. Eine Stundung aus persönlichen, insbesondere wirtschaftlichen Gründen sei ausgeschlossen, weil die Antragsteller ihr Unvermögen zur Bezahlung der rückständigen Steuern nicht nachgewiesen hätten und weil eine Gefährdung der Steueransprüche durch Stundung nicht ausgeschlossen werden könne. Das von der Antragstellerin A-GmbH & Co. KG erhobene Stundungsbegehren könne - soweit es auf Gründe sachlicher Härte gestützt werde - keinen Erfolg haben, weil diese Antragstellerin keine eigenen Gegenansprüche habe und ihr auch keine Forderungen durch die Antragsteller Eheleute A abgetreten worden seien. Im übrigen komme auch eine Stundung aus persönlichen, insbesondere wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht.
Die Antragsteller haben, nachdem das Finanzamt die Stundung durch Bescheid vom 20. März 1984 abgelehnt hatte, mit Antrag vom 3. April 1984 beim Finanzgericht beantragt, das Finanzamt durch einstweilige Anordnung zur Stundung rückständiger Steuern zu verpflichten. (Die als rückständig bezeichneten Steuern der Antragsteller stimmen nach Art und Höhe nur zum Teil mit denen überein, deren Stundung das Finanzamt abgelehnt hatte. Über Art und Höhe der Steuerrückstände besteht zwischen den Beteiligten keine Übereinstimmung.) Die rückständigen Steuern der Antragsteller sollten in einer Gesamthöhe von 427 050,35 DM bis zur Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf über die Klage in der Umsatzsteuersache gestundet werden. Weitere rückständige Umsatzsteuern der Antragstellerin A-GmbH & Co. KG sollten in Höhe von 194 142 DM bis zur Fälligkeit des Anspruchs der Antragsteller Eheleute A auf Erstattung von Einkommensteuer 1980 gestundet werden. Hilfsweise beantragten die Antragsteller, das Finanzamt zu verpflichten, bis zur endgültigen Entscheidung im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Ablehnung der Stundung Vollstreckungsschutz zu gewähren.
Das Finanzgericht hat durch Beschluß vom 16. Mai 1984 durch einstweilige Anordnung dem Finanzamt aufgegeben, die Vollstreckung gegen sämtliche Antragsteller "wegen der in der Antragsschrift näher bezeichneten Steuern bis einen Monat nach Zustellung der Entscheidung der OFD Düsseldorf über die Beschwerde gegen die Ablehnung der Stundung auf monatlich 30 000 DM zu beschränken". Im übrigen hat es die Anträge abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Ein Anordnungsanspruch der Antragsteller auf Stundung rückständiger Steuern sei zu verneinen, weil - insoweit in den rechtlichen Voraussetzungen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs folgend - Gegenansprüche gegen den Steuergläubiger nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben seien. In diesem Punkt sah das Finanzgericht von eigener Prüfung der Rechtslage ab. Eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit des Bestehens der Gegenansprüche könne bereits deshalb nicht bejaht werden, weil in jedem Fall - selbst nach eigener Prüfung der Erfolgsaussichten - ungewiß bleibe, wie der IX. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf den Rechtsstreit entscheide.
Es bestehe jedoch ein Anordnungsanspruch der Antragsteller auf Beschränkung der Vollstreckung gemäß § 258 AO 1977. Dabei sei das folgende zu bedenken: Die Unterschiede im einstweiligen Rechtsschutz gegen Steuerbescheide, die eine Steuer festsetzen, und gegen Steuerbescheide, die eine Auszahlung oder Erstattung versagen oder zu niedrig festsetzen, seien im Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Es dürfe nicht sein, daß die gleiche Streitfrage des materiellen Rechts - hier Abziehbarkeit von Vorsteuerbeträgen - im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu ganz unterschiedlichen steuerrechtlichen Folgen führe, je nachdem, ob eine (positive) Umsatzsteuerschuld festgestellt worden sei (Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 2 FGO zulässig) oder ob eine Umsatzsteuer von 0 DM bzw. eine zu niedrige negative Umsatzsteuerschuld festgesetzt worden sei (Festsetzung eines höheren Auszahlungsbetrags durch Aussetzung der Vollziehung nicht zulässig). Diese nicht begründbare Ungleichheit könne nur dadurch ausgeräumt werden, daß die strengen Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs hier gesenkt würden; es genüge für die Zuerkennung eines Anordnungsanspruchs, "daß bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Nichtanerkennung der geltend gemachten Vorsteuerabzüge bestehen". Nach Auffassung des Finanzgerichts sollen mithin Gegenansprüche dieser Qualität genügen, um einen Anordnungsanspruch zur Abwehr anderer Steuerforderungen aus Gründen der Unbilligkeit zu begründen.
Gegen den Beschluß des Finanzgerichts (vom 16. Mai 1984) haben die Antragsteller Beschwerde (vom 30. Mai 1984) eingelegt, der das Finanzgericht nicht abgeholfen hat (Beschluß vom 27. Juni 1984). Sie unterstützen die vom Finanzgericht vertretene Ansicht zum einstweiligen Rechtsschutz gegen Steuerbescheide, denen gegenüber sich die Steuerpflichtigen auf (zweifelhafte) Gegenansprüche berufen. Sie sind jedoch der Auffassung, daß bei Zugrundelegung dieser Rechtsansicht die Vollstreckung hätte eingestellt und nicht nur auf monatlich 30 000 DM hätte beschränkt werden dürfen.
Die Antragsteller beantragen mit Rücksicht auf die von den Antragstellern Eheleute A geltend gemachten Auszahlungs- bzw. Erstattungsansprüche, bezüglich noch rückständiger Steuern in Höhe von 495 222,35 DM Stundung oder Vollstreckungsschutz anzuordnen, hilfsweise, die Vollstreckung auf Beträge in Höhe von monatlich 10 000 DM zu beschränken.
Das Finanzamt beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Es hat die Fotokopie einer Abtretungsanzeige der Antragsteller vom 21. September 1984 vorgelegt, wonach der Antragsteller A seine Ansprüche auf Auszahlung von Umsatzsteuerbeträgen 1982/83, die Antragsteller Eheleute A ihre Ansprüche auf Erstattung von Einkommensteuer 1980 abgetreten haben, und zwar in Höhe von 570 416,25 DM an die Antragstellerin AGmbH & Co. KG und in Höhe von 50 776,10 DM an die Antragsteller Eheleute A in ihrer Eigenschaft als Eheleute und Gesamtschuldner von Einkommensteuer.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet.
Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen. Voraussetzung für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist, daß der im Hauptverfahren geltend gemachte oder geltend zu machende Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 1 und 2 ZPO). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, daß der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen (§ 294 ZPO) glaubhaft machen muß. Anordnungsanspruch kann auch der Anspruch auf Stundung gemäß § 222 AO 1977 oder der Anspruch auf einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung gemäß § 258 AO 1977 sein. Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der schlüssigen Darlegung eines (Anordnungs-)Anspruchs der Antragsteller auf Stundung oder Vollstreckungsschutz.
1. Die Entscheidung über die Gewährung oder Ablehnung einer Stundung nach § 222 AO 1977 ist eine Ermessensentscheidung (BFH-Beschluß vom 5./13. Mai 1977 VII B 9/77, BFHE 122, 28, BStBl II 1977, 587 ). Ein Anspruch auf Stundung besteht, wenn die Ablehnung der Stundung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben ermessensfehlerhaft wäre. Treu und Glauben widerspricht es, etwas zu fordern, was sogleich wieder zurückgewährt werden muß. Daraus folgt, daß die Einziehung einer Steuer eine erhebliche Härte im Sinne von § 222 AO 1977 darstellt und die Ablehnung der Stundung ermessensfehlerhaft ist, wenn der zu zahlende Betrag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alsbald zu erstatten sein wird (BFH-Beschluß vom 21. Januar 1982 VIII B 94/79, BFHE 135, 23, BStBl II 1982, 307 ; BFH-Urteil vom 6. Oktober 1982 I R 98/81, BFHE 138, 1, BStBl II 1983, 397 ). Diese tatsächliche Voraussetzung für das Entstehen eines Stundungsanspruchs haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Sie haben vielmehr eingeräumt, daß es bis zur Auszahlung der Vorsteuerüberschüsse bzw. bis zur Erstattung der Einkommensteuer 1980 Jahre dauern kann.
2. Ebenso haben die Antragsteller die Voraussetzungen des Anspruchs auf Vollstreckungsschutz nicht schlüssig dargelegt. Die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung gemäß § 258 AO 1977 ist wie die Stundung eine Billigkeitsmaßnahme, die in das pflichtgemäße Ermessen der Vollstrekkungsbehörde gestellt ist. Soweit nicht die Unbilligkeit einzelner Vollstreckungsmaßnahmen, sondern die Einstellung oder die Beschränkung der Vollstreckung insgesamt in Rede steht, hat eine solche Maßnahme stundungsähnlichen Charakter. Wird der Vollstreckung entgegengehalten, der Vollstreckungsschuldner habe Gegenansprüche gegen den Vollstreckungsgläubiger, ergeben sich parallele Wertungen wie bei der Stundung. Auch die Vollstreckung wäre als unzulässige Rechtsausübung unbillig und ermessensfehlerhaft, wenn der Betrag der Vollstreckung sogleich zurückgezahlt werden müßte. Daß die Antragsteller das Vorliegen dieses Umstandes nicht dargetan haben, wurde bereits oben dargelegt.
3. Das Finanzgericht - und ihm im Beschwerdeverfahren folgend die Antragsteller - stützt aber seine Ansicht von der Unbilligkeit der Vollstreckung (§ 258 AO 1977) im Streitfall nicht auf einen Verstoß gegen den materiell-rechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben (Unzulässigkeit der Rechtsausübung wegen Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr), sondern auf die behauptete Lückenhaftigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes. Das Finanzgericht hat deshalb den Inhalt des § 69 FGO in das Tatbestandsmerkmal "unbillig" im Sinne des § 258 AO 1977 hineininterpretiert. Mit diesen Erwägungen wird der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt der Vorschrift des § 258 AO 1977, der eine allein für das Vollstreckungsverfahren geltende Billigkeitsregelung darstellt, überschritten. Was das Finanzgericht (mit seiner Begründung für die einstweilige Anordnung des Vollstreckungsschutzes) im Ergebnis anstrebt, ist die verdeckte Anwendung der Regelung über die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 2 und 3 FGO) auf bereits unanfechtbare Steuerbescheide. Dem kann der erkennende Senat nicht beitreten.
Die von den Verfahrensgesetzen zugelassenen Wege, die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis auf der Grundlage eines Steuerbescheides (s. § 218 Abs. 1 AO 1977) vorläufig aufzuhalten, unterscheiden sich im Ansatzpunkt danach, ob der Steueranspruch angefochten oder bestandskräftig ist. Im Falle der Anfechtung des Steuerbescheides kann durch Aussetzung der Vollziehung nach § 361 AO 1977 bzw. § 69 FGO unter den dafür aufgestellten Voraussetzungen (ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts) die Vollstreckbarkeitsvoraussetzung beseitigt werden (vgl. § 251 Abs. 1 und § 257 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977). Ist der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden, kommt vorläufige Verschonung mit der Durchsetzung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis nur nach Maßgabe der §§ 222, 258 AO 1977 in Betracht. Damit trifft das Gesetz für beide Fallgruppen eine auf die spezifische Konfliktlage zugeschnittene Lösung. Es verbietet sich somit, die speziell für den Fall des zweifelhaften Steueranspruchs und angefochtenen Steuerbescheides getroffene Rechtsschutzlösung als zusätzliche Rechtsschutzkriterien im Bereich der Vollstrekkung bestandskräftiger Bescheide einzusetzen.
Das System des einstweiligen Rechtsschutzes nach der Finanzgerichtsordnung gewährt nicht die Möglichkeit, mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung die einstweilige Festsetzung einer negativen Steuerschuld zu begehren, um die entsprechende Auszahlung von Steuerbeträgen zu erreichen (BFH-Urteil vom 17. Dezember 1981 V R 81/81, BFHE 134, 402, BStBl II 1982, 149 ). Für eine einstweilige Anordnung auf "Festsetzung" einer negativen (Umsatz-)Steuerschuld, d. h. mit entsprechender Auszahlung von Steuerbeträgen, fehlt es im Regelfall an einem Anordnungsgrund (BFH-Urteil vom 1. April 1982 V B 37/81, BFHE 135, 413, BStBl II 1982, 515 ). Andererseits soll die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides, der eine (positive) Steuerschuld feststellt, ausgesetzt werden, wenn (ernsthafte) Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 1. und 2. Alternative).
Aus den vorstehenden Regelungen ist ersichtlich, daß bei zweifelhafter Rechtslage einerseits Eingriffe des Steuergläubigers unterbleiben sollen, andererseits der Steuergläubiger aber auch (wenigstens im Regelfall) nicht zur Auszahlung von Steuerbeträgen verpflichtet ist. Die Regelungen beschränken sich jeweils auf eine Steuerart und einen Veranlagungszeitraum bzw. auf einen einzelnen Steuerfall. Weder kann die Aussetzung der Vollziehung bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen deswegen versagt werden, weil dem Steuergläubiger evtl. andere Ansprüche zustehen, noch kann im Regelfall der Erhebung festgesetzter und fälliger Steuern entgegengehalten werden, es bestünden Gegenforderungen aus anderen Steuerschuldverhältnissen. Der Steuergläubiger ist nicht verpflichtet, vor der Vollstreckung eine Saldierung sämtlicher Steuerforderungen und (bestrittener) Auszahlungs- bzw. Erstattungsansprüche vorzunehmen und nur einen positiven Saldo zu vollstrecken. Eine Verknüpfung der Steuererhebung mit Gegenforderungen des Steuerschuldners findet - von der Aufrechnung gemäß § 226 AO 1977 abgesehen - nur unter den engen Voraussetzungen der sog. Verrechnungsstundung (s. oben 1.) statt. Wenn hierdurch gleiche Lebenssachverhalte, deren steuerrechtliche Auswirkungen jeweils streitig sind, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu unterschiedlichen Regelungen führen, je nachdem ob eine positive Steuerschuld festgesetzt worden ist oder nicht, so bedeutet das keine Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte, sondern ist Folge des dem einstweiligen Rechtsschutz zugrundeliegenden Prinzips, daß in Fällen zweifelhafter Rechtslage und im Umfang ihrer Zweifelhaftigkeit im Grundsatz weder Steuererhebungen noch Steuerauszahlungen erfolgen sollen.
Da die Antragsteller mit ihrer Beschwerde eine günstigere Entscheidung nicht erreichen können, war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1985, 194 |
BFHE 1985, 418 |
NJW 1985, 1112 |