Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Ablehnung der Tatbestandsberichtigung
Leitsatz (NV)
1. Ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung gem. § 108 FGO ist nur zulässig, wenn ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Berichtigung besteht. Ein solches Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn nicht ersichtlich ist, daß der Antragsteller eine Änderung des Urteils des FG erreichen oder aus sonstigen Gründen ein berechtigtes Interesse an der Berichtigung des Tatbestands haben kann.
2. Gegen einen die beantragte Tatbestandsberichtigung ablehnenden Beschluß des FG ist die Beschwerde ausnahmsweise (u. a.) dann zulässig, wenn das FG den Berichtigungsantrag ohne Sachprüfung als unzulässig abgewiesen hat.
Normenkette
FGO § 108 Abs. 1, 2 S. 2
Tatbestand
I. Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) begehrte mit seiner Klage, den Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) zu verpflichten, die festgesetzte Umsatzsteuer 1990 zu erlassen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 22. Juni 1993 ab.
Mit Schreiben vom 30. Juli 1993 beantragte der Kläger unter anderem, den Tatbestand des Urteils in mehreren Punkten zu berichtigen. Das FG wies mit Beschluß vom 30. August 1993 diesen Antrag des Klägers als unzulässig zurück. Zur Begründung führte es aus, es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung sei nur gegeben, wenn die Berichtigung zu einer Änderung der Entscheidung, die den angeblich unrichtigen Tatbestand enthält, führen könne. Das am 23. Juli 1993 zugestellte Urteil sei mit Ablauf des 23. August 1993 rechtskräftig geworden. Der am 30. Juli 1993 gestellte Antrag auf Tatbestandsberichtigung habe den Ablauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gehemmt.
Gegen diesen Beschluß erhob der Kläger mit Schreiben vom 9. September 1993 "Gegenvorstellungen". Er kündigte an, daß er Nichtzulassungsbeschwerde erheben und wegen der Fristversäumnis einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen werde. Da die einzulegende Beschwerde aber nur Aussicht auf Erfolg habe, wenn der Tatbestand des Urteils berichtigt werde, sei ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Tatbestandsberichtigung gegeben.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Senat versteht die "Gegenvorstellungen" -- ebenso wie das FG es getan hat -- als Beschwerde gegen den Beschluß des FG vom 30. August 1991. Diese Auslegung wird dem Begehren des Klägers gerecht.
2. Die Beschwerde ist zulässig.
Gemäß § 108 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist ein Beschluß, in dem über eine beantragte Tatbestandsberichtigung (§ 108 Abs. 1 FGO) entschieden wurde, unanfechtbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Beschwerde jedoch ausnahmsweise u. a. dann zulässig, wenn das FG den Berichtigungsantrag ohne Sachprüfung als unzulässig abgewiesen hat (BFH-Beschlüsse vom 19. April 1991 IX B 151/90, BFH/NV 1991, 615 und vom 19. April 1989 II B 178/88, BFH/NV 1990, 575; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 108 FGO Tz. 6; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 108 Rz. 6).
Im Streitfall hat das FG den Tatbestandsberichtigungsantrag wegen fehlendem Rechtsschutzinteresse ohne Sachprüfung als unzulässig abgewiesen.
III. Die Beschwerde ist unbegründet.
Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, ist ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 FGO nur zulässig, wenn ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Berichtigung besteht. Ein solches Rechtsschutzinteresse fehlt im Streitfall, weil nicht ersichtlich ist, daß der Kläger eine Änderung des Urteils des FG erreichen kann oder aus sonstigen Gründen ein berechtigtes Interesse an der Berichtigung des Tatbestands haben könnte (vgl. Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 9073/1 m. N.).
Eine Änderung des FG-Urteils wäre nur denkbar, wenn der Kläger unter Wieder einsetzung in den vorigen Stand mit Er- folg Nichtzulassungsbeschwerde einlegen könnte. Nach seinem Vorbringen im Antrag vom 30. Juli 1993 kommt als Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde lediglich eine auf Versagung des rechtlichen Gehörs gestützte Verfahrensrüge in Betracht (Nr. 1 des Schreibens vom 30. Juli 1993). Hierzu führt der Kläger aus, der Vorsitzende des Senats des FG habe eine "das rechtliche Gehör beschneidende Äußerung" getan, "insbesondere daß infolge seiner fehlerhaften Terminierung bereits die andere Partei warte".
Dieses Vorbringen ist derart unklar, daß nicht in Betracht gezogen werden kann, eine Verfahrensrüge gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO werde Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt und nicht einmal an gedeutet, wozu er sich nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte. Außerdem spricht seine Ausführung, er habe auf eine Protokollierung der Äußerung des Vorsitzenden verzichtet, dafür, daß er auf die Geltendmachung des Verfahrensmangels verzichtet und folglich sein Rügerecht verloren hat (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 119 Rz. 11, 13).
Fundstellen