Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert - Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Nachzahlungsfrist (§ 371 AO 1977) durch einstweilige Anordnung

 

Leitsatz (NV)

Der Streitwert für ein Beschwerdeverfahren, betr. Ablehnung des Antrages auf Verlängerung der Nachzahlungsfrist (§ 371 Abs. 3 AO 1977) durch einstweilige Anordnung wird im Regelfall mit 1/3 von 10 v.H. des Streitwerts des - gedachten - Hauptsacheverfahrens bemessen.

 

Normenkette

GKG § 5 Abs. 1 S. 1, § 11 Abs. 1-2, § 13 Abs. 1, § 14 ff., § 20 Abs. 3, § 24 ff.; AO § 395 Abs. 3; AO 1977 § 371 Abs. 3; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5; FGO §§ 114, 115 Abs. 1

 

Tatbestand

Mit Beschluß hatte das FG den Antrag des Erinnerungsführers abgelehnt, dem FA durch einstweilige Anordnung aufzugeben, die dem Erinnerungsführer nach § 371 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) gesetzte Nachzahlungsfrist zu verlängern, bis über die Beschwerde gegen die Fristsetzung rechtskräftig entschieden ist.

Hiergegen legte der Erinnerungsführer Beschwerde ein. Nach einem Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. Dezember 1981 IV R 94/77 (BFHE 135, 145, BStBl II 1982, 352) hat der Erinnerungsführer die Beschwerde zurückgenommen. Demzufolge stellte der Senat mit Beschluß das Beschwerdeverfahren ein. Den Streitwert hat der Senat nicht festgesetzt.

Hierauf hat die Kostenstelle des BFH mit Kostenrechnung die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit . . . DM angesetzt. Dabei ist die Kostenstelle von einem Streitwert von . . . DM ausgegangen, d.h. von 10 v.H. der nachzuzahlenden Steuer im Sinne des § 371 Abs. 3 AO 1977.

Gegen die Kostenrechnung hat der Bf. Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, von einem Streitwert von 4 000 DM auszugehen. Zur Begründung macht er geltend : Es sei im Beschwerdeverfahren nicht um die Überprüfung einer Steuerfestsetzung oder um das Hinausschieben der Fälligkeit von Steueransprüchen gegangen, sondern um die Verlängerung der - strafrechtlich bedeutsamen - Zahlungsfrist im Falle der Selbstanzeige nach § 371 AO 1977 und um die strafrechtlichen Folgewirkungen. Der Umstand, daß in der Praxis die Bestrafung von der Höhe der jeweils verkürzten Steuerbeträge abhängig gemacht werde, rechtfertige nicht eine auf die Steuerhöhe abgestellte Gebührenbemessung. Wenn man die Bedeutung des Strafverfahrens zum Anknüpfungspunkt wähle, so sei die strafrechtliche Schuld zugrunde zu legen. Zu berücksichtigen sei ferner, daß eine sog. verunglückte Selbstanzeige die Bedeutung der Strafsache ebenso vermindere wie der Umstand, daß ein Fall der bloßen Verkürzung auf Zeit vorliege.

 

Entscheidungsgründe

Die Erinnerung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässig. Sie ist insoweit begründet, als die Kostenstelle beim Ansatz der Gebühr von einem höheren Streitwert als . . . DM ausgegangen ist; im übrigen ist sie unbegründet.

Die Kosten für das vom Erinnerungsführer anhängig gemachte Beschwerdeverfahren sind nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG zu erheben. Dabei richten sich die Gebühren, weil insoweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Wert des Streitgegenstandes (Streitwert) - § 11 Abs. 1 Satz 2 GKG -. Der Streitwert war für den Kostenansatz gesondert zu ermitteln, da weder eine Wertfestsetzung für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde noch eine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren durch den erkennenden Senat stattgefunden hat (vgl. §§ 24 ff. GKG).

Für die Ermittlung der Streitwerthöhe war von § 13 Abs. 1 GKG auszugehen, wonach in Verfahren vor Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Beteiligten für den Beteiligten ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist. Nichts Gegenteiliges ergibt sich daraus, daß die eben zitierte Grundregelung für finanzgerichtliche Verfahren einen Vorbehalt zugunsten der §§ 14 ff. GKG enthält. Unter den Bestimmungen, auf die durch den Vorbehalt verwiesen ist, befindet sich die Vorschrift des § 20 Abs. 3 GKG mit einer besonderen Regelung für Verfahren auf Erlaß, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO. Die besondere Regelung der zitierten Vorschrift besteht jedoch darin, daß angeordnet wird, für solche Verfahren bestimme sich der Wert nach § 13 Abs. 1 GKG. Mithin ist auch unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 3 GKG für die Streitwerthöhe § 13 Abs. 1 GKG maßgebend.

Bei der nach Ermessen vorzunehmenden Bestimmung der Streitwerthöhe aufgrund der Bedeutung des Beschwerdeverfahrens für den Erinnerungsführer kann nicht bloß die Methode der Streitwertberechnung aus dem bereits zitierten BFH-Urteil IV R 94/77 (a.a.O.) übernommen werden. In dieser Entscheidung hat der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in einem Klageverfahren wegen der Angemessenheit einer Fristsetzung nach § 395 Abs. 3 AO (jetzt : § 371 Abs. 3 AO 1977) zur Beantwortung der Frage, ob die für die Zulässigkeit der Revision maßgebende Grenze von 10 000 DM überschritten ist (§ 115 Abs. 1 FGO i.V.m. Art. 1 Nr. 5 BFHEntlG), den Wert des Streitgegenstandes mit 10 v.H. des nachzuzahlenden Steuerbetrages angesetzt. Zur Begründung hat der IV. Senat ausgeführt, das verfahrensmäßige Interesse sei ähnlich zu beurteilen wie bei Streitigkeiten wegen Stundung oder Aussetzung der Vollziehung, bei denen nach ständiger Rechtsprechung ein Wert des Streitgegenstandes von 10 v.H. derjenigen Abgabensumme angesetzt werde, um deren Stundung bzw. Vollziehungsaussetzung gestritten wird.

Der erkennende Senat schließt sich den Überlegungen des IV. Senats an. Er hält ebenfalls eine Anknüpfung an die drohende Strafe wegen der hiermit verbundenen Unsicherheiten für die Wertermittlung nicht für angebracht. Gleichwohl kann die von der Kostenstelle vorgenommene Streitwertberechnung der Höhe nach nicht gebilligt werden, weil die Kostenstelle verkannt hat, daß es für das Beschwerdeverfahren nicht um den Streitwert in der Hauptsache, sondern letztlich um den wegen einstweiligen Rechtsschutzes geht. In Beziehung auf Verfahren wegen einstweiliger Anordnungen hat der BFH in seinem Beschluß vom 16. November 1976 VII B 84/74 (BFHE 120, 338, BStBl II 1977, 80) ausgesprochen, daß der Streitwert zwar nur von Fall zu Fall festgesetzt werden könne, daß er aber mit 1/3 des Wertes der Hauptsache zu bemessen sei, sofern keine besonderen Umstände vorlägen (vgl. auch BFH-Beschluß vom 1. März 1977 VII B 81/76, BFHE 121, 311, BStBl II 1977, 354, und Hartmann, Kostengesetze, 21. Aufl., § 20 GKG Anm. 3 B b). Diese Auffassung teilt der beschließende Senat. Er hält ferner keine Umstände für gegeben, die letztlich einen anderen Bruchteil als den von 1/3 als angemessen erscheinen lassen könnten. Insbesondere hält er es in Beziehung auf den vorliegenden Fall nicht für gerechtfertigt, einen Abschlag gegenüber dem Streitwert der - gedachten - Hauptsache von 90 v.H. vorzunehmen (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 13. März 1980 IV E 2/80, BFHE 130, 363, BStBl II 1980, 520). Daß vom Erinnerungsführer nur ein Zahlungsaufschub und nicht eine endgültige Freistellung von Abgabenschulden mit der Beschwerde angestrebt worden ist, hat bereits angemessene Berücksichtigung bei der Ermittlung des Ausgangspunktes für die Berechnung des Streitwerts des Beschwerdeverfahrens, nämlich bei der Errechnung des Streitwertes des - gedachten - Hauptsacheverfahrens, gefunden. Die Einstweiligkeit des Verfahrenszieles bei der Beschwerde ist mit dem Abschlag von 2/3 gegenüber dem Hauptsachestreitwert angemessen berücksichtigt.

Für das Beschwerdeverfahren war mithin von einem Streitwert in Höhe von . . . DM auszugehen (1/3 von 10 v.H. von . . . DM). Demzufolge war die Gebühr für das Beschwerdeverfahren gemäß Nr. 1370 der Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG (Kostenverzeichnis) i.V.m. der Anlage 2 zu § 11 Abs. 2 GKG (Tabelle) mit . . . DM anzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413770

BFH/NV 1985, 107

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