Leitsatz (amtlich)
Da weder durch Gesetz noch auf Grund des § 78 Abs. 3 ZG durch Rechtsverordnung der Tatbestand beschrieben ist, bei dessen Erfüllung für elektrische Energie eine Zollschuld entsteht, kann für eingeführte elektrische Energie durch die auf § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG beruhende sinngemäße Geltung der Vorschriften für Zölle eine Einfuhrumsatzsteuerschuld nicht entstehen. Es war deshalb nicht möglich, für elektrische Energie nach § 1 Abs. 1 AbsichG vom 29. November 1968 (BGBl I 1968, 1255, BZBl 1968, 1259) eine Einfuhrvergütung zu gewähren.
Normenkette
UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Abs. 3, § 21 Abs. 2 S. 1; ZG § 1 Abs. 2 S. 1, § 78 Abs. 3; AbsichG § 1 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog in den Jahren 1968 und 1969 von einer schweizerischen Gesellschaft elektrische Energie über ein Kraftwerk am Hochrhein, von dessen Generatoren nur einer auf schweizerischem, die anderen dagegen auf deutschem Gebiet liegen. Sie trat am 6. Juni 1968 mit dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt – HZA –) eine Vereinbarung dahin, daß in Ansehung des § 21 Abs. 2 UStG 1967 i. V. m. § 79 Abs. 3 ZG die durch sie eingeführte elektrische Energie mit ihrer Übernahme aus der Schaltanlage des Kraftwerkes zollrechtlich als freigegeben gelten sollte. Die während eines jeden Monats eingeführten Energiemengen sollten dem zuständigen Zollamt (ZA) bis jeweils zum 25. des folgenden Monats angemeldet werden. In der Praxis legte die Klägerin monatlich die Energierechnungen der Lieferfirma vor. Das ZA setzte nach ihnen die Einfuhrumsatzsteuer fest und berechnete die danach auf Grund des Gesetzes über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung (AbsichG) vom 29. November 1968 (BGBl I 1968, 1255, BZBl 1968, 1259) in Betracht kommende Einfuhrvergütung.
Durch eine am 16. Juli 1969 begonnene Steueraufsichtsprüfung wurde im Jahre 1970 festgestellt, daß die nach den Rechnungen für die Zeit vom 20. November 1968 bis zum 10. Oktober 1969 bezogenen Strommengen höher waren, als sie in dem auf Schweizer Gebiet liegenden Generator hatten erzeugt werden können, der Strom also zum Teil nicht aus diesem eingeführt worden sein konnte. Das ZA erklärte der Klägerin durch Bescheid vom 23. Dezember 1970, für 145 477 MW/h sei eine Einfuhrumsatzsteuerschuld nicht entstanden und könne daher auch eine Vergütung nach § 1 Abs. 1 AbsichG nicht gewährt werden. Es seien somit 452 721,90 DM Einfuhrumsatzsteuer zu erstatten, andererseits aber die gewährte Einfuhrvergütung um 164 625,50 DM zu kürzen, so daß ein Erstattungsbetrag von 288 096,40 DM verbleibe.
Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das HZA als unbegründet zurück.
Mit der Klage machte die Klägerin geltend, der Erstattungsbescheid belaste sie zu Unrecht dadurch, daß bei der Gutschrift der angeblich nicht entstandenen Einfuhrumsatzsteuer der Betrag von 164 625,50 DM abgezogen worden sei. Im übrigen belaufe sich die umstrittene Energiemenge nicht auf 145 477, sondern auf 127 724 MW/h.
Durch einen weiteren Bescheid vom 10. April 1972 erklärte das ZA, eine Neuberechnung habe ergeben, daß die nicht eingeführte Energiemenge sich nur auf 131 744 MW/h belaufe. Deshalb seien nunmehr 42 705,50 DM Einfuhrumsatzsteuer nachzuerheben und 15 529,20 DM Einfuhrvergütung zu gewähren, so daß sich ein nachzuzahlender Differenzbetrag von 27 176,30 DM ergebe. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schrittsatz vom 10. Mai 1972, eingegangen am 15. Mai 1972, das die umstrittene Energiemenge betreffende Vorbringen in ihrer Klagebegründung habe sich durch den Bescheid vom 10. April 1972 erledigt; im übrigen bleibe die Klage aufrechterhalten.
In der mündlichen Verhandlung vom 8. November 1972 stellte die Klägerin den Antrag, den Bescheid vom 23. Dezember 1970 in Gestalt des Bescheides vom 10. April 1972 aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag durch Urteil vom selben Tage statt. Zur Begründung führte es aus:
Die Klägerin habe nach § 1 Abs. 1 AbsichG Anspruch auf eine Einfuhrvergütung für die in Frage stehende Energiemenge von 131 744 MW/h, da auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen auch diese im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 21 Abs. 2 UStG und § 1 Abs. 2 Satz 2 ZG als eingeführt zu behandeln sei.
Hiergegen wendet sich das HZA mit der Revision. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie teilt die Auflassung des FG und macht im übrigen geltend:
Die mit dem HZA getroffene Vereinbarung vom 6. Juni 1968 sei in § 79 Abs. 3 ZG vorgesehen gewesen und entspreche der Dienstanweisung zu den Vorschriften über die Einfuhrumsatzsteuer im Umsatzsteuergesetz 1967 und zur Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsordnung (EUStDA) vom 11. Dezember 1967 (BZBl 1967, 1322). In Nr. 1 der Vereinbarung seien sie – die Klägerin – und das HZA davon ausgegangen, daß die gesamte von der schweizerischen Gesellschaft bezogene und in Rechnung gestellte Energie eingeführt sei. Die Verwaltung habe die Einfuhrumsatzsteuer auch stets für die Gesamtmenge erhoben und durch einen Prüfungsbericht vom 17. Oktober 1969 bescheinigt, daß die Handhabung der Einfuhrumsatzsteuer und der Einfuhrvergütung in Ordnung sei. Erst durch einen Nachtragsbericht aus dem Jahre 1970 habe die Verwaltung ihre bisherige Haltung geändert, Nunmehr wolle sie für die Zeit der Wirksamkeit des Absicherungsgesetzes die bisherige rechtliche Behandlung der auf deutschem Gebiet erzeugten Teilmengen aufgeben. Das verstoße gegen Treu und Glauben. Im übrigen seien Rückzahlungsansprüche verjährt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und begründet.
Das FG hat durch das angefochtene Urteil die Bescheide des ZA vom 23. Dezember 1970 und vom 10. April 1972 sowie die Einspruchsentscheidung des HZA zu Unrecht aufgehoben.
Es hat allerdings zu Recht die gegen den Bescheid vom 23. Dezember 1970 nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage als zulässig behandelt und als ihren Gegenstand auch den Bescheid vom 10. April 1972 angesehen. Mit der Klage hat die Klägerin gemäß § 40 Abs. 2 FGO als Beschwer geltend gemacht, das ZA habe in dem Bescheid vom 23. Dezember 1970 den Einfuhrvergütungsbetrag von 164 625,50 DM als ihr zu Unrecht gewährt behandelt. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, daß der angefochtene Bescheid der Klägerin im Ergebnis eine Erstattung von Einfuhrumsatzsteuer gewährte. Denn durch die Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer brauchte sich die Klägerin wegen der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG nicht beschwert zu fühlen. Der Bescheid vom 10. April 1972 wurde gemäß § 68 FGO zum Gegenstand der Klage durch den in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gestellten Antrag, den Bescheid vom 23. Dezember 1970 in der durch ihn erlangten Gestalt aufzuheben.
Das FG hätte jedoch dem Begehren der Klägerin, den Bescheid vom 23. Dezember 1970 in der Gestalt des Bescheides vom 10. April 1972 aufzuheben, nicht stattgeben dürfen. Durch die beiden Bescheide hat das ZA für die streitbefangenen 131 744 MW/h elektrischer Energie die gewährte Einfuhrvergütung von insgesamt 149 096,30 DM zu Recht zurückgefordert, denn einen Anspruch auf diese Vergütung hatte die Klägerin nicht erlangt.
Es kann dahinstehen, ob diese auf deutschem Gebiet erzeugte Energiemenge auf Grund völkerrechtlicher Verpflichtungen oder aus sonstigen Gründen als in das deutsche Zollgebiet eingeführt zu behandeln war. Denn das ZA durfte der Klägerin auch für eingeführte elektrische Energie eine Vergütung nach § 1 Abs. 1 AbsichG nicht gewähren. Nach dieser Vorschrift hängt die Gewährung der Vergütung davon ab, daß in der Zeit vom 20. November 1968 bis zum 31. März 1970 eine Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht. In dieser Zeit konnte für eingeführte elektrische Energie eine Einfuhrumsatzsteuerschuld nicht entstehen, weil das Gesetz keinen entsprechenden Tatbestand enthielt.
Elektrische Energie gehört zwar zu den „Gegenständen”, deren Einfuhr in das Zollgebiet gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG „der Umsatzsteuer unterliegen” (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs – RFH – vom 15. Juli 1938 V 209/37, RFHE 44, 271, RStBl 1938, 823; Hübschmann-Grabower-Beck-v. Wallis, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 1 Nr. 3 Rdnr. 62; Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz – Mehrwertsteuer –, Kommentar, 10. Aufl., §§ 1 bis 3 Rdnr. 1341; Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz – Mehrwertsteuer –, Kommentar, 6. Aufl., § 1 Abs. 1 Nr. 3 Rdnr. 33; Schwarz-Wockenfoth, Zollgesetz, § 78 Rdnr. 17). Das bedeutet aber nicht, daß schon durch die Einfuhr der elektrischen Energie eine Einfuhrumsatzsteuerschuld nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG entsteht. Denn für alle in § 1 Abs. 1 UStG erwähnten Umsätze ist die Frage, aufgrund welchen Tatbestandes und in wessen Person die Steuerschuld entsteht, in § 13 UStG gesondert geregelt. § 13 Abs. 1 UStG enthält die einzelnen Tatbestände, an deren Erfüllung die Steuerschuld für die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG erwähnten steuerbaren Umsätze geknüpft ist. § 13 Abs. 2 UStG bestimmt, wer in diesen Fällen Steuerschuldner ist. Schließlich bestimmt § 13 Abs. 3 UStG, daß für die Einfuhrumsatzsteuer § 21 Abs. 2 UStG gilt. Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 18. Oktober 1967 (BGBl I 1967, 991, BZBl 1967, 1125) gelten für die Einfuhrumsatzsteuer „die Vorschriften für Zölle – ausgenommen § 5 Abs. 5 Nr. 1, §§ 24 und 25 des Zollgesetzes – sinngemäß”.
Die Vorschriften für Zölle befassen sich in erster Linie mit „Waren” und verstehen darunter alle beweglichen Sachen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 ZG). Damit sind nur körperliche Gegenstände gemeint (vgl. § 90 BGB). Das ergibt sich daraus, daß insbesondere die Bestimmungen über die „Erfassung des Warenverkehrs” (§§ 1 bis 8 ZG) und die „Zollbehandlung” (§§ 9 bis 56 ZG) darauf abgestellt sind, daß die Waren körperlich erfaßt werden können. Der Gesetzgeber des Zollgesetzes hat die elektrische Energie nicht als einen körperlichen Gegenstand und damit nicht als eine Ware angesehen. Das zeigt die Vorschrift des § 78 Abs. 3 ZG, nach dessen Satz 1 die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die Erfassung und Zollbehandlung der elektrischen Energie bestimmt, falls für diese im Zolltarif ein Zoll vorgesehen ist. Nach § 78 Abs. 3 Satz 2 ZG müssen die Erfassung und Zollbehandlung der elektrischen Energie der Erfassung und Zollbehandlung von Waren entsprechen, soweit es die Eigenart der elektrischen Energie zuläßt. Die vom Gesetzgeber mit diesen Ermächtigungsvorschriften bekundete Auffassung, daß die Vorschriften des Zollgesetzes über die Erfassung und Zollbehandlung von Waren auf elektrische Energie schlechthin nicht anwendbar sind, wird bestätigt durch die Begründung des § 78 Abs. 3 ZG (Begründung des Entwurf eines Zollgesetzes – Drucksachen 2201 und 2672 des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode –, Abschnitt B, § 78 Abs. 6 Sätze 4 ff., BZBl 1962, 36, 77). Dort heißt es:
„Elektrische Energie ist keine Ware im Sinne des § 1 Abs. 2, weil sie keine bewegliche Sache ist. Soweit die Zollvorschriften eine körperliche Erfassung von Sachen vorsehen oder voraussetzen, können sie also nicht angewandt werden. Deshalb bleibt nur übrig, ggf. besondere Vorschriften zu erlassen, die sich möglichst eng an die Grundkonzeption des Entwurfs halten.”
Die gleiche Auffassung vertreten auch Bail-Schädel-Hutter (Zollgesetz, Kommentar, S. 488 – 2).
Wenn schon der Gesetzgeber durch § 78 Abs. 3 ZG klar bekundet hat, daß die Vorschriften des ZG über die Erfassung und Zollbehandlung von Waren auf elektrische Energie schlechthin unanwendbar sind, können diese Vorschriften für die Frage, wie für elektrische Energie eine Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht, nicht nach § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG „sinngemäß” gelten. Nachdem die für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld gemäß § 13 Abs. 3 und § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG sinngemäß geltenden Vorschriften für Zölle selbst durch § 78 Abs. 3 ZG in bezug auf die Erfassung und Zollbehandlung der elektrischen Energie eine Sonderregelung enthalten, kommt nur diese für die Beantwortung der Frage in Betracht, wann für eingeführte elektrische Energie eine Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht (vgl. Rau-Dürrwächter-Flick-Geist, Umsatzsteuergesetz – Mehrwertsteuer –, Kommentar, § 21 Rdnr. 58).
§ 78 Abs. 3 ZG gibt keinen Aufschluß darüber, wann für eingeführte elektrische Energie eine Zollschuld entsteht, und bietet daher auch keine Grundlage für eine sinngemäße Anwendung auf die Einfuhrumsatzsteuer. Die in der Vorschrift enthaltene Ermächtigung, die Erfassung und Zollbehandlung der elektrischen Energie durch Rechtsverordnung zu bestimmen, ist bisher ungenutzt geblieben. Das liegt offenbar daran, daß elektrische Energie zwar im Zolltarif erwähnt (Tarifnr. 27.17), für sie aber ein Zoll nicht vorgesehen ist. Es fehlen somit für die elektrische Energie allgemeinverbindliche Normen, die den Vorschriften der §§ 35 ff. ZG über die Abfertigung von Waren zum freien Verkehr entsprechen und insbesondere die Entstehung der Zollschuld regeln.
Die in bezug auf die Entstehung einer Einfuhrumsatzsteuerschuld für elektrische Energie bestehende Gesetzeslücke kann nicht durch die Rechtsprechung ausgefüllt werden. Denn nach § 3 Abs. 1 StAnpG kommt die Entstehung einer Steuerschuld nur dann in Betracht, wenn ein Tatbestand erfüllt ist, an den das Gesetz die Steuer knüpft. Die Anknüpfung der Entstehung einer Steuerschuld an die Verwirklichung eines durch Gesetz normierten Tatbestandes gehört zu den Grundsätzen des Rechtsstaates (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 14. Dezember 1965 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253, 267; Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 15. Januar 1974 VII R 24/71, BFHE 111, 272).
Der Bundesminister der Finanzen hat in Abschnitt A Nr. 2 Satz 4 EUStDA angeordnet, daß die Oberfinanzdirektion die Erfassung der eingeführten elektrischen Energie und ihre einfuhrumsatzsteuerliche Behandlung im Wege der Vereinbarung regelt. Auch damit kann nicht ausgeglichen werden, daß für die Entstehung einer Einfuhrumsatzsteuerschuld bei der Einfuhr elektrischer Energie ein gesetzlicher Tatbestand fehlt. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung schließt die Möglichkeit aus, daß Steuerschulden auf Grund vertraglicher Vereinbarungen zwischen Steuerbehörden und Bürgern entstehen (Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 3 StAnpG Rdnr. 5; Spanner in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 3 StAnpG Rdnr. 9). Daran ändert auch die der Vereinbarung vom 6. Juni 1968 zugrunde gelegte Vorschrift des § 79 Abs. 3 ZG nichts. Nach dieser Vorschrift können in einzelnen Fällen Vereinbarungen mit dem Zollbeteiligten getroffen werden, die die Zollbehandlung vereinfachen. Da die Zollbehandlung elektrischer Energie nicht durch Rechtsnormen geregelt ist, kann sie nicht nach § 79 Abs. 3 ZG vereinfacht werden. Da somit weder durch Gesetz noch auf Grund des § 78 Abs. 3 ZG durch Rechtsverordnung der Tatbestand beschrieben ist, bei dessen Erfüllung für elektrische Energie eine Zollschuld entsteht, kann für eingeführte elektrische Energie durch die auf § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG beruhende sinngemäße Geltung der Vorschriften für Zölle eine Einfuhrumsatzsteuerschuld nicht entstehen. Es war deshalb nicht möglich, für elektrische Energie nach § 1 Abs. 1 AbsichG eine Einfuhrvergütung zu gewähren.
Die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs auf die zu Unrecht gewährte Einfuhrvergütung verstieß nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Diese gebieten, daß im Rechtsverkehr jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessene Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren Verhalten, auf das der andere vertraut hat, nicht in Widerspruch setzt. In besonderen Ausnahmefällen hat demnach der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Schutz seines Vertrauens darauf, daß die Verwaltung sich durch die Geltendmachung eines Anspruchs nicht in Widerspruch setzt zu einem eigenen vorausgegangenen nachhaltigen Verhalten oder einer ausdrücklichen Willenserklärung (vgl. BFH-Urteile vom 10. Oktober 1972 VII R 21/70, BFHE 107, 174, und vom 19. Februar 1974 VII K 17/70, BFHE 112, 98).
Das HZA und die Klägerin sind gemeinsam von der irrigen Auffassung ausgegangen, für eingeführte elektrische Energie entstehe eine Einfuhrumsatzsteuerschuld und damit gemäß § 1 Abs. 1 AbsichG auch ein Anspruch der Klägerin auf Einfuhrvergütung. In bezug auf diese Auffassung hat sich das HZA zu seinem früheren Verhalten durch die Erhebung des Anspruchs auf Rückzahlung der für 131 744 MW/h gewährten Einfuhrvergütung nicht in Widerspruch gesetzt. Denn es hat die Einfuhrvergütung nur mit der Begründung zurückgefordert, die erwähnte Energiemenge sei nicht eingeführt worden. Ein Vertrauen der Klägerin darauf, daß die Verwaltung nach der im Jahre 1969 begonnenen Prüfung weiterhin die gesamte von der schweizerischen Gesellschaft in Rechnung gestellte Energie, und damit auch die tatsächlich im deutschen Zollgebiet gewonnene und hier streitige Teilmenge von 131 744 MW/h als eingeführt behandeln werde, wäre, selbst wenn man aus dem Verhalten des HZA einen derartigen Schluß hätte ziehen können, nicht schutzwürdig, weil auch für eingeführte elektrische Energie eine Einfuhrumsatzsteuerschuld und ein Vergütungsanspruch nicht entstehen konnten. Der gemeinsame Irrtum des HZA und der Klägerin über die Entscheidung der Frage, ob für eingeführte elektrische Energie eine Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht, begründet keinen Anspruch der Klägerin, von der im Ergebnis mit der Rechtslage übereinstimmenden Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung der Einfuhrvergütung verschont zu bleiben.
Der vom ZA durch die beiden Bescheide vom 23. Dezember 1970 und 10. April 1972 geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht gewährten Einfuhrvergütung gehört nach § 144 Abs. 2 AO zu den Ansprüchen des Abgabeberechtigten aus Steuergesetzen und unterlag deshalb der Verjährung nach den Vorschriften der §§ 143 ff. AO. Die in § 1 Abs. 1 AbsichG geregelte Vergütung ist in bezug auf ihren Entstehungstatbestand und auf ihre Bemessung eng an die Einfuhrumsatzsteuer und damit an eine Verbrauchsteuer angelehnt (vgl. § 21 Abs. 1 UStG). Es kann dahinstehen, ob deshalb Ansprüche auf Rückzahlung einer solchen Vergütung gemäß § 144 AO der für Verbrauchsteuern in Betracht kommenden Verjährungsfrist von einem Jahr unterliegen. Auch dann wären sie hier nicht verjährt. Der vom ZA geltend gemachte Rückzahlungsanspruch setzt sich aus einzelnen Ansprüchen zusammen, die jeweils in den Jahren 1968 und 1969 entstanden. Die Verjährung der im Jahre 1968 entstandenen Ansprüche begann mit Ablauf dieses Jahres (§ 145 Abs. 2 Nr. 5 AO). Da im Jahre 1969 mit einer Steueraufsichtsprüfung begonnen wurde und die Klägerin keine Mitteilung erhielt, daß eine Festsetzung von Rückzahlungsansprüchen unterbleiben werde, konnten alle Ansprüche gemäß § 146 a Abs. 3 AO nicht mehr verjähren, bevor die auf Grund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide vom 23. Dezember 1970 und 10. April 1972 durch das gegenwärtige Urteil unanfechtbar wurden. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken, die auf § 193 AO beruhende Steueraufsichtsprüfung im vorliegenden Falle als eine Betriebsprüfung im Sinne des § 146 a AO anzusehen, da sie sich gegen die Klägerin richtete und die Gewährung der Einfuhrvergütung zum Gegenstand hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 514737 |
BFHE 1976, 120 |