Entscheidungsstichwort (Thema)
Trabergestüt als Liebhaberei
Leitsatz (NV)
1. Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal einer unternehmerischen Tätigkeit besteht in dem Bestreben, während des Bestehens des Unternehmens einen ,,Totalgewinn", d. h. eine Vermehrung des eingesetzten Betriebsvermögens zu erzielen.
2. Die selbständige Zucht von Vollblutpferden und von Traberpferden kann zwar im allgemeinen nicht gewinnbringend betrieben werden; es sind jedoch Ausnahmen denkbar. In jedem Fall ist dem Steuerpflichtigen der Nachweis gestattet, daß er unter Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten von der Möglichkeit der Gewinnerzielung ausgegangen und in dieser Absicht tätig geworden ist.
3. Zur Frage, ob es sich bei einer Zucht von Traberpferden um einen Gewerbebetrieb oder um einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft handelt.
Normenkette
EStG 1975 §§ 13, 15 Abs. 2 (EStG 1988 § 15 Abs. 4)
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin wurde als Rechtsnachfolgerin ihrer verstorbenen Mutter im Jahre 1973 Gesellschafterin einer Personengesellschaft, die ein Trabergestüt unterhielt. Das Gestüt war im Juli 1971 von der Verstorbenen und einem Mitgesellschafter gegründet worden; am 31. Dezember 1974 schied der Mitgesellschafter aus, so daß die Klägerin Alleininhaberin des Gestüts wurde. Im November 1976 stellte sie den Betrieb ein.
Das Gestüt befaßte sich mit der Zucht von Traberpferden und war beim Hauptverband für Traberzucht und Trabrennen registriert. Die Stallungen und ein großer Teil des Grünlandes waren gepachtet. Das Gestüt wurde von einem erfahrenen Pferdepfleger und Pferdetrainer verwaltet. Ab 1972 waren durchschnittlich 20 Pferde vorhanden; in den Jahren 1971 bis 1975 gingen 18 Fohlen aus eigener Zucht hervor. Die Pferde wurden zu Trabern ausgebildet. Zum Training wurden sie nach M und R gebracht und dort von Trainern über einen längeren Zeitraum geschult. Einige Pferde nahmen unter der Führung von Trainern an Rennen im gesamten Bundesgebiet teil; sie erzielten dabei auch Preise.
Das Gestüt erwirtschaftete folgende Verluste:
1971 53 394 DM
1972 70 747 DM
1973 80 271 DM
1974 103 568 DM
1975 172 827 DM
1976 172 303 DM.
Nach Aufgabe des Betriebs fielen im Jahre 1978 noch Schuldzinsen von 6 771 DM an.
Die Klägerin machte die entstandenen Verluste bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft geltend. Für den Veranlagungszeitraum 1974 nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zunächst Liebhaberei an und berücksichtigte die Verluste nicht. Im Einspruchsverfahren fand 1977 eine Betriebsprüfung statt. Dabei kam der Prüfer zu dem Ergebnis, daß es sich nach der Flächengröße um einen landwirtschaftlichen Betrieb handle und daß die Klägerin auch in Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden sei. Demgemäß berücksichtigte das FA die Verluste in den Einkommensteuerbescheiden 1974 und 1975. Im vorläufigen Einkommensteuerbescheid 1976 erkannte das FA den Verlust ebenfalls an; dagegen ließ es im vorläufigen Einkommensteuerbescheid 1978 die nachträglichen Aufwendungen nicht mehr zum Abzug zu.
Im April 1983 führte das FA eine erneute Betriebsprüfung durch. Dabei kam der Prüfer zu dem Ergebnis, daß die Aufzucht der Pferde mit dem ersten Anreiten abgeschlossen sei. Die weitere Ausbildung von Renn- und Turnierpferden gehöre nicht mehr zur Landwirtschaft. Bei dem Gestüt handle es sich deswegen insgesamt um eine gewerbliche Tierhaltung i. S. von § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975, deren Verluste nicht mit anderen Einkünften ausgeglichen werden könnten. Danach verfuhr auch das FA in den endgültigen Bescheiden für 1976 und 1978.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß die Klägerin in Gewinnerzielungsabsicht tätig gewesen sei und Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt habe.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat entschieden, daß die Klägerin unter den besonderen Umständen des Streitfalles das Gestüt in Gewinnerzielungsabsicht geführt habe und daß die von ihr erzielten Verluste deshalb nicht als Ergebnis einer persönlichen Liebhaberei unbeachtlich seien. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 756) besteht die Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal einer unternehmerischen Tätigkeit in dem Bestreben, während des Bestehens des Unternehmens, also im Zeitraum zwischen seiner Gründung und seiner Beendigung durch Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation einen ,,Totalgewinn", d. h. eine Vermehrung des eingesetzten Betriebsvermögens, zu erzielen. Eine derartige Absicht ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann; Angaben des Steuerpflichtigen genügen hierfür nicht.
Läßt der Betrieb bei objektiver Beurteilung keinen Totalgewinn erwarten, so liegt darin ein Beweisanzeichen, daß dem Steuerpflichtigen dies bekannt war und er nicht in Gewinnerzielungsabsicht handelte. Diese Folgerung ist jedoch nicht zwingend. Der Steuerpflichtige kann darlegen, aus welchen besonderen Gründen er gleichwohl mit einer Gewinnerzielung rechnete. Sind über mehrere Jahre Verluste aufgetreten, wird er die Umstände darzulegen haben, die ihn - aus seiner Sicht - zu der Annahme berechtigen, die in der Vergangenheit angefallenen Verluste ausgleichen und ein positives Gesamtergebnis erzielen zu können (BFH-Urteile vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289; vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293).
b) Das FG hat diese Gesichtspunkte bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Es mag eine Erfahrungstatsache sein, daß die selbstständige Zucht von Vollblutpferden und von Traberpferden nicht gewinnbringend betrieben werden kann (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 20. Januar 1944 III 90/43, RStBl 1944, 366; BFH-Urteil vom 17. März 1960 IV 193/58 U, BFHE 71, 197, BStBl III 1960, 324). Doch sind Ausnahmen denkbar (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1963 I 189/61 U, BFHE 78, 199, BStBl III 1964, 79), und es ist dem Steuerpflichtigen auch der Nachweis gestattet, daß er unter Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten von der Möglichkeit der Gewinnerzielung ausgegangen und in dieser Absicht tätig geworden ist.
Das FG hat dies daraus gefolgert, daß die Klägerin den Betrieb ererbt und die zuvor entstandenen Verluste als anlaufbedingt angesehen habe, nach Gewinnung besserer Erkenntnisse den Betrieb aber alsbald eingestellt habe. Gegen diese tatsächlichen Feststellungen sind keine Revisionsrügen erhoben worden. Sie rechtfertigen auch die Schlußfolgerung, daß es sich nicht um Liebhaberei gehandelt habe (BFH-Urteil vom 15. November 1984 IV R 139/81, BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205). Vielmehr ist auch das FA davon ausgegangen, daß es sich bei der Beteiligung der Klägerin nicht um eine Liebhaberei gehandelt habe; es hat den Abzug der entstandenen Verluste zuletzt lediglich unter Hinweis auf § 15 Abs. 2 EStG 1975 (jetzt § 15 Abs. 4 EStG) versagt.
2. Die vom FA aufgeworfene Frage, ob es sich bei der von der Klägerin betriebenen Zucht ihrem Wesen nach um einen Gewerbebetrieb gehandelt habe, weil die Ausbildung und der Einsatz von Traberpferden nicht mehr zur Landwirtschaft gehörten, kann offenbleiben. Träfe diese Auffassung zu, hätte die Klägerin entgegen der Meinung des FG nicht Verluste aus Land- und Forstwirtschaft, sondern aus Gewerbebetrieb erwirtschaftet; für den Ausgleich der Verluste im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung würde dies keinen Unterschied machen. Handelte es sich bei der Aufzucht und Ausbildung der Pferde um eine ihrer Art nach zur Landwirtschaft gehörende Betätigung, wäre der Abzug des Verlustes nach § 15 Abs. 2 EStG 1975 nur dann ausgeschlossen, wenn der Betrieb nicht über eine hinreichende Futtergrundlage verfügte; dies aber war unstreitig der Fall. Handelt es sich um eine ihrer Art nach nicht zur Landwirtschaft gehörende Tierhaltung, greift § 15 Abs. 2 EStG nicht ein. § 15 Abs. 2 EStG soll die überkommene flächenabhängige landwirtschaftliche Viehhaltung gegen Wettbewerbsnachteile gegenüber neueren Betriebsformen schützen; die Vorschrift findet deswegen keine Anwendung, wenn die fragliche Betätigung ihrem Wesen nach nicht in den Bereich der Land- und Forstwirtschaft gehört und auch in der Hand eines Landwirts einen Gewerbebetrieb darstellen würde (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 VIII R 272/83, BFHE 151, 408, BStBl II 1988, 264, m. w. N., und Besprechung in Die Information über Steuer und Wirtschaft 1988, 387).
3. Die Klägerin ist auch nicht gehindert, den im Jahre der Betriebseinstellung entstandenen Verlust geltend zu machen. Er ist die Folge der früheren gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betätigung. Seiner Berücksichtigung steht nicht entgegen, daß die Klägerin nach dem Beschluß zur Einstellung des Betriebs nicht mehr in Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist; derartiges ergibt sich auch sonst, wenn ein Betrieb liquidiert werden muß. Die nachträglich gezahlten Zinsen sind gemäß § 24 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 62482 |
BFH/NV 1989, 692 |