Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Belegung eines Hotelgrundstücks (Kurheims) durch die Besatzungsmacht rechtfertigt für sich allein noch keine Artfortschreibung des Grundstücks.
änderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse einer Gemeinde fallen unter die nach § 3a Abs. 1 BewDV bei der Wertfortschreibung nicht zu berücksichtigenden Wertverhältnisse.
Normenkette
BewG § 22; BewDV § 3a
Tatbestand
Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Dem Senat erschien es zweckmäßig, zunächst ohne eine solche durch Vorbescheid (ß 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung) zu erkennen. Streitig ist die Art- und Wertfortschreibung des Kurheims der Beschwerdeführer (Bf.) auf den 21. Juni 1948. Bei der Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1935 wurde das Grundstück als Geschäftsgrundstück nach dem Weil"chen Verfahren mit 65.700 RM bewertet. Infolge des im Jahre 1938 durchgeführten Umbaus wurde der Einheitswert auf Grund der von den Bf. angegebenen Gestehungskosten von 140.727 RM auf den 1. Januar 1939 auf 164.200 RM fortgeschrieben. Das Gebäude ist seit 1945 von der Besatzungsmacht belegt. Die Bf. machen als Belegungsschäden geltend: Senkung des Fundaments des Neubaus, Dachstuhlschäden, Schäden an Balkonen, Regenwasserschäden in den Zimmern, Kesselschaden der Zentralheizung, Schäden an den Flurböden und der Hausfassade, Verfall eines Schuppens. Sie schätzten die eingetretenen Schäden auf 35 v. H. des auf das Gebäude entfallenden Teils des Einheitswerts. Das Finanzamt hat den Einheitswert für den 21. Juni 1948 gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 vom 10. März 1949 - Fortschreibungsgesetz - (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes S. 25) auf 143.000 DM fortgeschrieben, wobei es wegen der anerkannten Senkung des Fundaments einen Abschlag in Höhe von 20 v. H. des auf den Neubau entfallenden Gebäudewertanteils am Einheitswert zugelassen hat. Die Berücksichtigung der geltend gemachten Belegungsschäden hat das Finanzamt unter Hinweis auf den den Eigentümern beschlagnahmter Grundstücke nach deren Freigabe zustehenden Ersatzanspruch abgelehnt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Berufung verblieben die Bf. dabei, daß die Belegungsschäden als Kriegsfolgeschäden bei der Fortschreibung des Einheitswerts anzuerkennen seien. Darüber hinaus sei zu beachten, daß der Ort durch die Besatzung seinen Charakter als Kurort verloren habe und Garnisonstadt geworden sei. Hierdurch und durch die Beschlagnahme habe das Grundstück seinen Charakter als Hotelgrundstück verloren und sei Mietwohngrundstück geworden. Dem müsse durch Artfortschreibung Rechnung getragen werden. Bei der hiermit zu verbindenden Wertfortschreibung sei ein Abschlag nach § 37 Abs. 3 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) und im Falle der Beibehaltung des Weil"chen Bewertungsverfahrens ein Sonderabschlag wegen Strukturänderung, unorganischen Aufbaus und wirtschaftlicher überalterung der Gebäude vorzunehmen. Außerdem dürften die für die Einheitsbewertung ermittelten Nutzungsziffern und Wertzahlen bei der Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 nicht mehr angewandt werden. Die Bf. haben ein Sachverständigengutachten vom 6. August 1952 eingereicht, das den Betrag für die Behebung der gesamten Gebäudeschäden "nach den heutigen Preisen" auf 35 bis 40.000 DM schätzt. Die Berufung wurde vom Finanzgericht zurückgewiesen.
Das Finanzgericht hat die beantragte Artfortschreibung abgelehnt, weil das Gebäude durch die Beschlagnahme seinen Charakter als Hotelgrundstück bzw. Kurheim nicht verloren habe. Eine bauliche Umgestaltung zur Verwendung als Mietwohngrundstück liege nicht vor. Hinsichtlich der Wertfortschreibung bejaht das Finanzgericht grundsätzlich, daß Belegungsschäden als Kriegsfolgeschäden nach § 1 Abs. 2 des Fortschreibungsgesetzes anerkannt werden können. Der Anspruch des Eigentümers eines beschlagnahmten Hauses auf Ersatz der durch die Belegung verursachten Schäden nach erfolgter Freigabe des Hauses stehe nicht entgegen. Jedoch sei im Streitfall in tatsächlicher Beziehung nicht erwiesen, daß es sich bei den von den Bf. geltend gemachten Schäden um Belegungsschäden handle. Hierunter fielen Beschädigung oder Zerstörung von Türen, Fenstern, Fußböden und sonstiger Innenausstattung. Schäden dieser Art lägen hier nicht vor, seien auch von den Bf. nicht geltend gemacht. Von den übrigen, nicht zu den Kriegsfolgeschäden gehörigen Schäden habe das Finanzamt wegen Senkung des Fundaments den Einheitswert auf 143.000 DM fortgeschrieben. Von einer Prüfung, ob die Wertgrenzen des § 4 Abs. 2 des Fortschreibungsgesetzes für die Vornahme einer Wertfortschreibung erreicht seien, werde abgesehen. Die weiteren, von den Bf. geltend gemachten Schäden an Balkonen, Hausfassade, Dach, Zimmerschäden, Schäden am Heizkessel, an den Flurböden könnten auch im Rahmen des § 4 des Fortschreibungsgesetzes nicht berücksichtigt werden, da kein Nachweis über die Höhe dieser Schäden am Währungsstichtag nach Werten von 1935 erbracht sei. Die vom Sachverständigen angegebenen Wiederherstellungskosten "nach heutigen Preisen" seien für die hier vorzunehmende Bewertung unbeachtlich. Die Fundamentsenkung habe das Finanzamt angemessen berücksichtigt, wobei es durch den Stadtbaumeister beraten worden sei. Auch die sonstigen von den Bf. vorgebrachten Gründe rechtfertigten keine Herabsetzung des Einheitswerts. § 37 BewDV komme nur für Grundstücke in Betracht, die mit einem Vielfachen der Jahresrohmiete bewertet worden seien, was hier nicht der Fall sei. Die bei der Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1935 im Rahmen des Weil"chen Bewertungsverfahrens angewandten Nutzungsziffern und Wertzahlen seien gemäß § 3a BewDV auch bei Wertfortschreibungen von Hotelgrundstücken anzuwenden. Ein Sonderabschlag wegen Strukturänderung komme nicht in Betracht, weil das Grundstück trotz der Belegung mit Streitkräften der Besatzungsmacht seinen Charakter als Hotelgrundstück nicht verloren habe. Ebensowenig könne von einem unorganischen Aufbau oder von wirtschaftlicher überalterung des Gebäudes die Rede sein.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt Rechtsirrtümer und Verfahrensmängel.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der Vorentscheidung ist dahin beizutreten, daß eine Artfortschreibung für das Grundstück nicht in Betracht kommt. Die Belegung des Hauses mit Angehörigen der Besatzungsmacht hat den Charakter des Gebäudes als Hotelgrundstück bzw. Kurheim nicht geändert. Darauf, ob die Bf. nach künftiger Freigabe ihres Hauses dieses nicht mehr als Kurheim, sondern als Mietwohngrundstück nutzen werden, was übrigens bisher nicht ausreichend dargetan ist, kommt es für die Verhältnisse am 21. Juni 1948 nicht an. Sollte dieser Fall später eintreten, bleibt es den Bf. unbenommen, zu dem dann in Betracht kommenden Zeitpunkt Artfortschreibung zu beantragen. Zutreffend ist auch die Ansicht des Finanzgerichts, daß die Anerkennung von Belegungsschäden als Kriegsfolgeschäden nicht daran scheitern könne, daß der Grundstückseigentümer später Ersatz für die während der Beschlagnahme eingetretenen und noch nicht beseitigten Schäden erhalte. Hierauf hat der Senat bereits in seinem Urteil III 258/51 S vom 28. November 1952 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 6) hingewiesen. Ferner hat die Vorentscheidung die Anwendung des § 37 BewDV mit zutreffenden Gründen abgelehnt. Fraglich ist, ob die änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinde in der Nachkriegszeit, insbesondere die einem Kurort abträgliche Belegung mit Streitkräften der Besatzungsmacht, zu einer bei der Wertfortschreibung zu berücksichtigenden Wertminderung des Grundstücks führen muß. Der Senat verneint diese Frage. Es handelt sich insoweit nicht um tatsächliche, sondern um Wertverhältnisse im Sinne des § 3a BewDV. Im übrigen kann, wenn auch die Verhältnisse des Kurortes am Währungsstichtag infolge der Maßnahmen der Besatzungsmacht sehr schwierig waren, den Bf. doch nicht darin beigestimmt werden, daß die Gemeinde hierdurch bereits ihren Charakter als Kurort verloren habe und Garnisonsstadt geworden sei. Die spätere Entwicklung bestätigt dies. Eine Minderbewertung der Hotelgrundstücke auf Grund dieser Verhältnisse ist danach nicht gerechtfertigt. Ebensowenig bestehen auch Bedenken gegen die Auffassung des Finanzgerichts, daß Nutzungsziffern und Wertzahlen zu den Wertverhältnissen im Sinne des § 3a Abs. 1 BewDV gehören. Aus dem von den Bf. angeführten Urteil des Senats III 146/52 U vom 14. November 1952 (BStBl. 1953 III S. 5) folgt nicht Gegenteiliges. Dieses Urteil, das die Fortschreibung des Einheitswerts eines Grundstücks mit völlig zerstörtem Gebäude betraf, hat ausgesprochen, daß baupolizeiliche Bestimmungen über Baubeschränkungen bei Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des Art. IV § 2 (2) des ersten Gesetzes über die Neuordnung der Vermögensbesteuerung in Berlin vom 29. Dezember 1950 (Verordnungsblatt für Berlin 1951 I S. 26 ff.) zu beachten seien, und daß entsprechendes auch für veränderte Verkehrsverhältnisse gelte. Dieses, die ganz besonderen Verhältnisse Berlins betreffende, Urteil ist nicht ohne weiteres auf andere, durch den Ausgang des Krieges weniger berührte Städte anwendbar. Im übrigen ist dem Urteil nicht zu entnehmen, daß jede änderung der Verkehrsverhältnisse eine änderung des tatsächlichen Zustands eines Grundstücks bedeutet. Schließlich liegt überhaupt eine änderung der Verkehrsverhältnisse im eigentlichen Sinne im Streitfall nicht vor.
Dagegen kann dem Urteil des Finanzgerichts in folgenden Punkten nicht beigetreten werden: Das Finanzgericht hat nicht geprüft, ob die Wertgrenzen für die Fortschreibung nach § 4 Abs. 2 des Fortschreibungsgesetzes erreicht sind. Dies ist nicht der Fall. Der Einheitswert des Grundstücks für den letzten Feststellungszeitpunkt betrug 164.200 RM, das Finanzamt hat den Einheitswert auf 143.000 DM für den 21. Juni 1948 fortgeschrieben. Die Abweichung beträgt hiernach 21.200 RM/DM, während für die Vornahme der Wertfortschreibung eine Abweichung um mehr als 1/5 des letzten Einheitswerts, d. h. ein Betrag von mehr als 32.840 RM/DM gegeben sein muß. Die angefochtene Entscheidung sieht ferner als Kriegsfolgeschäden nur solche Schäden an, die in der Beschädigung oder Zerstörung von Türen, Fenstern, Fußböden und sonstiger Innenausstattung bestehen und meint, daß solche Schäden im Streitfall weder geltend gemacht noch nachgewiesen seien. Die hier vertretene Auffassung des Finanzgerichts ist zu eng. Wenn auch von den Bf. nichts dafür beigebracht ist, daß die Schäden, wie Fundamentsenkung, Dachschäden, Schäden an der Fassade usw. durch die Besatzungsmacht verursacht worden sind, so könnten doch die von den Bf. behaupteten Schäden an Balkonen, Schuppen und an dem Heizungskessel, sofern sie durch die Besatzungsmacht verursacht sind, zu den Kriegsfolgeschäden zählen. Im übrigen haben die Bf. entgegen der Annahme des Finanzgerichts auch Schäden an den Fußböden der Korridore geltend gemacht. Das Finanzgericht verneint weiter, daß die geltend gemachten Schäden an Balkonen, an der Hausfassade, am Dach, die Schäden in den Zimmern, am Heizkessel, an den Flurböden und am Schuppen im Rahmen des § 4 des Fortschreibungsgesetzes berücksichtigt werden könnten, weil nicht nachgewiesen sei, in welcher Höhe diese Schäden am Währungsstichtag bestanden haben. Der Sachverständige der Bf. habe sich nur mit den Wiederherstellungskosten 1952 befaßt. Auf diese Kosten komme es im Streitfall nicht an. Maßgebend seien nach § 3 a BewDV der tatsächliche Zustand des Grundstücks am Fortschreibungszeitpunkt und die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935. Dem ist entgegenzuhalten, daß mangels besserer Unterlagen die Kosten der Wiederherstellung eines schadhaften Gebäudes unter Verwendung der Bauindexziffern einen Anhaltspunkt für die Ermittlung der maßgebenden Werte von 1935 bilden können. Die Feststellung des Finanzgerichts, daß der vom Finanzamt zugebilligte Abschlag von 20 v. H. des Neubauwerts angemessen sei, zumal das Finanzamt auch seinerseits von einem Sachverständigen beraten worden sei, ist nicht ausreichend begründet. Der Aktenvermerk über die Besichtigung des Grundstücks durch einen Vertreter des Finanzamts zusammen mit dem Stadtbaumeister läßt nicht erkennen, ob und wie der Sachverständige zu der Höhe des vom Finanzamts vorgenommenen Abschlags Stellung genommen hat. Im übrigen bemängeln die Bf. nach dem Inhalt der Einheitswertakten mit Recht, daß ihnen die Stellungnahme des Sachverständigen nicht mitgeteilt worden ist. Wegen dieser verschiedenen Mängel, die in der Rb., soweit erforderlich, gerügt sind, war das angefochtenen Urteil nebst den ihm zugrunde liegenden Entscheidungen aufzuheben und die nicht spruchreife Sache aus Zweckmäßigkeitsgründen an das Finanzamt zurückzuverweisen, das unter Beachtung vorstehender Ausführungen erneut zu prüfen hat, in welchem Umfang am 21. Juni 1948 als Kriegsfolgeschäden anzusehende Belegungsschäden und sonstige zu beachtende Schäden - z. B. nicht unter Belegungsschäden fallende Dachschäden, Fassadenschäden usw. - vorhanden waren. Auf das oben angeführte Urteil des Senats vom 28. November 1952 wird Bezug genommen.
Fundstellen
Haufe-Index 407769 |
BStBl III 1953, 350 |
BFHE 1954, 153 |
BFHE 58, 153 |
StRK, BewG:22 R 7 |