Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen: Nichtbeachtung einer Wertsicherungsklausel
Leitsatz (NV)
Machen nahe Angehörige als Parteien eines Versorgungsvertrages von einer vereinbarten Wertsicherungsklausel keinen Gebrauch, lässt dies für sich allein noch keinen zwingenden Schluss auf das Fehlen des erforderlichen Rechtsbindungswillens zu.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1997 und 1998 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.
Mit notariellem Vertrag vom 31. Juli 1992 übertrug der Vater des Klägers (V) diesem im Wege vorweggenommener Erbfolge ein 13 580 qm großes Grundstück mit aufstehendem, etwa im Jahr 1910 errichteten Gebäude. Der Kläger verpflichtete sich, an V und dessen Ehefrau auf deren Lebenszeit einen monatlichen Betrag von zunächst 900 DM "als dauernde Last" zu zahlen; auf § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) wurde ausdrücklich Bezug genommen. Bei einer Veränderung des Preisindex für die Kosten der Lebenshaltung eines Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalts mit mittlerem Einkommen um mindestens fünf Punkte sollte sich auch der Rentenzahlbetrag entsprechend ändern. Die Wertsicherungsklausel wurde von der Landeszentralbank genehmigt.
Im November 1993 wurde der Rentenzahlbetrag entsprechend der Wertsicherungsklausel auf 942,30 DM monatlich erhöht. Am 9. November 1994 kamen die Vertragsparteien in einem notariellen Änderungsvertrag überein, dass die Zahlungsverpflichtung nur noch zugunsten des V, aber nicht mehr zugunsten von dessen Ehefrau gelten sollte. Im Übrigen sollte der Vertrag vom 31. Juli 1992 ausdrücklich maßgeblich bleiben. Am selben Tage schlossen der Kläger und V eine privatschriftliche Vereinbarung, in der sie den monatlichen Zahlbetrag "im Hinblick auf die Änderung der Bedürfnisse des Berechtigten … gem. § 323 ZPO" ab dem 1. Dezember 1994 auf 1 400 DM erhöhten. Auch hier war ausdrücklich vereinbart, dass die Bestimmungen des Vertrages vom 31. Juli 1992, "insbesondere im Hinblick auf die Wertsicherungsklausel und die Möglichkeit der Abänderung gem. § 323 ZPO", bestehen blieben.
In den Streitjahren 1997 und 1998 zahlte der Kläger jeweils zu Monatsbeginn 1 400 DM im Wege der Banküberweisung an V.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) versagte in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden für 1997 und 1998 den Abzug dieser als Sonderausgaben geltend gemachten Beträge mit der Begründung, der Vertrag sei nicht tatsächlich durchgeführt worden, weil bereits im Jahr 1995 eine erneute Anpassung an den gestiegenen Preisindex vorzunehmen gewesen wäre.
Im Einspruchsverfahren trugen die Kläger vor, die Parteien des Versorgungsvertrags hätten im Mai 1995 mündlich vereinbart, die Anwendung der Wertsicherungsklausel wegen der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Klägers ab dem 1. Juli 1995 bis längstens zum 30. Juni 1999 auszusetzen, zumal mögliche Steigerungen der Lebenshaltungskosten durch die außerordentliche vorgezogene Anpassung des Jahres 1994 vorweggenommen worden seien.
In einer notariellen Nachtragsvereinbarung vom 16. Juni 1999 vereinbarten die Parteien des Versorgungsvertrages rückwirkend zum 1. Juli 1995 die Aussetzung der Wertsicherungsklausel. Zum 1. Juli 1999 passten sie die Leistungen unter Berücksichtigung der seit 1994 eingetretenen Steigerung des Preisindex auf 1 478,40 DM monatlich an.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg; das Finanzgericht (FG) gab der Klage hingegen statt (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2002, 672).
Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Wertsicherungsklausel betreffe nicht etwa nur eine geringfügige Nebenleistung, sondern einen untrennbaren Teil der Hauptleistung. Diese werde nicht allein durch den ursprünglichen Betrag, sondern stets in Verbindung mit dem sich infolge der Wertsicherungsklausel ergebenden Erhöhungs- bzw. Ermäßigungsbetrag bestimmt. Dafür spreche schon der Versorgungscharakter der Übergabeverträge, bei denen die Wertbeständigkeit funktionserhaltend sei, sowie der Umstand, dass Wertsicherungsklauseln typischerweise Bestandteil von Versorgungsverträgen seien.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Nach einem Hinweis des Senats auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2003 GrS 1/00 (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, die erzielbaren Nettoerträge des übertragenen Grundstücks seien zur Erbringung der vereinbarten Leistungen ausreichend.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Zahlungen des Klägers an V in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zum Abzug als dauernde Last zugelassen.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar; Leibrenten können nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Tabelle ergibt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG).
Werden wiederkehrende Leistungen in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungsrenten), stellen diese weder Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugeordnet (BFH-Urteil vom 27. August 1997 X R 54/94, BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813, unter II. 1. b, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Auch die Anwendung des für Unterhaltsleistungen geltenden Abzugsverbots des § 12 Nr. 1, 2 EStG ist durch das Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen spezialgesetzlich ausgeschlossen, weil die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben und den wiederkehrenden Bezügen auf dem Umstand beruht, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (BFH-Entscheidungen vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C. II. 1.c; vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 3. a, 4. a; vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499, unter 2. a; in BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813, unter II. 2. a; vom 10. November 1999 X R 46/97, BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188, unter III. 6. a; in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter C. II. 2. c).
2. In Anwendung dieser Grundsätze hat das FG die vom Kläger in den Streitjahren an V gezahlten wiederkehrenden Leistungen in Höhe von jeweils 16 800 DM zu Recht als private Versorgungsrente angesehen und in voller Höhe zum Sonderausgabenabzug zugelassen. Die Vereinbarung vom 31. Juli 1992 entspricht dem Typus des Versorgungsvertrags, weil existenzsicherndes Vermögen ―ein ertragbringendes Grundstück― gegen Versorgungsleistungen auf einen Abkömmling übertragen wurde. Die vereinbarten Leistungen sind nach der nicht angegriffenen und revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des FG als abänderbar anzusehen.
3. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Gesamtwürdigung des FG, dass allein die Nichtbeachtung der Wertsicherungsklausel im Streitfall nicht den Schluss rechtfertige, die Parteien hätten ihren vertraglichen Pflichten insgesamt nicht mehr nachkommen wollen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf sein zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehenes Urteil vom heutigen Tage X R 14/01 unter II. 6.
Fundstellen
Haufe-Index 1153604 |
BFH/NV 2004, 1098 |
KÖSDI 2004, 14322 |