Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen: Nichtbeachtung einer Wertsicherungsklausel bei stagnierender Ertragskraft
Leitsatz (NV)
- Machen nahe Angehörige als Parteien eines Versorgungsvertrages von einer vereinbarten Wertsicherungsklausel keinen Gebrauch, lässt dies für sich allein noch keinen zwingenden Schluss auf das Fehlen des erforderlichen Rechtsbindungswillens zu.
- Vor allem dann, wenn die Ertragskraft des übertragenen Vermögens nach der Übergabe stagniert, kann das Unterbleiben der ursprünglich vereinbarten Erhöhungen der Versorgungsleistungen mit dem Rechtscharakter des Versorgungsvertrags in Einklang stehen.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger erzielt als Landwirt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft; die Klägerin ist in seinem Betrieb als Angestellte beschäftigt.
Mit notariellem Vertrag vom 4. Juli 1984 hatten die Eltern des Klägers diesem "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" einen landwirtschaftlichen Betrieb (Hof im Sinne der Höfeordnung) sowie einige landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (hoffreies Vermögen) übertragen. Der Kläger räumte seinen Eltern ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht an mehreren Räumen des Wohnhauses einschließlich der Übernahme der Nebenkosten ein und verpflichtete sich zur Gewährung von "Hege und Pflege in gesunden und kranken Tagen" sowie zur Zahlung einer lebenslänglichen Rente in Höhe von monatlich 500 DM. Dieser Rentenbetrag sollte sich bei Veränderungen des Preisindex für die Kosten der Lebenshaltung eines Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalts um mehr als 10 % im selben Verhältnis ändern.
In den Folgejahren zahlte der Kläger an seine Eltern als Barleistung jeweils 500 DM monatlich. Nachweise über die Genehmigung der Wertsicherungsklausel nach § 3 des Währungsgesetzes ―auf dieses Erfordernis war im Vertrag hingewiesen― sowie über die Eintragung ins Grundbuch konnten die Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) nicht vorlegen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1997 machten die Kläger die Barleistungen i.H. von 6 000 DM sowie weitere Altenteilsleistungen ―für die an die Eltern überlassene Wohnung und sonstige Sachleistungen― in Höhe von 14 680 DM als dauernde Last geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) versagte den Abzug hinsichtlich der Barleistungen, weil er den Versorgungsvertrag wegen der Nichtbeachtung der Wertsicherungsklausel insoweit als nicht tatsächlich durchgeführt ansah.
Einspruch und Klage, mit denen die Kläger vorbrachten, angesichts der stagnierenden Ertragskraft des Hofes hätten die Eltern ihre Versorgung durch die Gesamtheit der erbrachten Leistungen als ausreichend gesichert angesehen, blieben in diesem Punkt ohne Erfolg. Das FG führte aus, die Durchführung des Versorgungsvertrages genüge nicht den Anforderungen, die an Verträge zwischen nahen Angehörigen zu stellen seien. Im Streitfall stellten sich die Barleistungen im Verhältnis zum gesamten Altenteil nicht lediglich als unmaßgebliche Nebenleistungen dar. Eine Änderung des Versorgungsvertrages hinsichtlich der Wertsicherungsklausel hätte eines eindeutigen Nachweises bedurft. Ein Grund für das Absehen von den vereinbarten Erhöhungen des Zahlbetrags sei nicht erkennbar, zumal die Ertragssituation des Hofes sich ―angesichts gleichbleibender Gewinne einschließlich des Arbeitslohns der Klägerin― nicht wesentlich verschlechtert habe.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger der Sache nach eine Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie sind der Auffassung, das Bündel der gewährten Altenteilsleistungen (Wohnungsrecht, Hege und Pflege, Barleistungen) hätte zusammenfassend gewürdigt werden müssen; die Herausnahme eines einzelnen Elements sei nicht zulässig. Wenn alle wesentlichen Bestandteile des Altenteilsvertrages tatsächlich vollzogen worden seien, aber aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen auf eine Anpassung lediglich der Barleistungen an den Preisindex verzichtet werde, bedeute dies nicht eine unterlassene Durchführung des gesamten Vertrages.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2000 aufzuheben und die Einkommensteuer 1997 unter Abänderung des Bescheids vom 9. August 1999 auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Frage der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung des Versorgungsvertrages anhand einer Gesamtwürdigung der objektiven Gegebenheiten zu beurteilen. Vielmehr hat es den begehrten Sonderausgabenabzug allein deshalb abgelehnt, weil die Höhe der baren Altenteilsleistungen nicht entsprechend der vereinbarten Wertsicherungsklausel angepasst worden ist.
1. Hinsichtlich der allgemeinen Grundsätze zur ertragsteuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen sowie der Bedeutung der Nichtbeachtung einer in einem Versorgungsvertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein zur amtlichen Veröffentlichung bestimmtes Urteil vom heutigen Tage X R 14/01, unter II. 4. bis 6.
Danach ist die Frage, ob Verträge zwischen nahen Angehörigen der Besteuerung zugrunde gelegt werden können, anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten zu beurteilen. Jedenfalls bei Versorgungsverträgen ist für diese Gesamtwürdigung entscheidend, ob eine festgestellte Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen darauf hindeutet, dass es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt. Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist.
2. Nach diesen Maßstäben erweist sich die Auffassung des FG, schon die Nichtbeachtung der Wertsicherungsklausel müsse zur Versagung des Sonderausgabenabzugs führen, als rechtsfehlerhaft. Denn allein die dauerhafte Zahlung der Versorgungsleistungen mit ihrem ursprünglich vereinbarten Nennbetrag rechtfertigt nicht zwingend den Schluss, dass die Parteien ihren vertraglichen Pflichten insgesamt nicht mehr hätten nachkommen wollen.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht zur Nachholung der ―dem Bereich der tatsächlichen Feststellungen zugehörigen― Gesamtwürdigung an das FG zurück. Dabei wird das FG zu beachten haben, dass Abweichungen, die in ihrer Summe nicht so gewichtig sind, als dass sie den Gesamteindruck der Ernsthaftigkeit der vertraglichen Vereinbarung und ihrer Durchführung erschüttern könnten, der ertragsteuerrechtlichen Anerkennung von Vertragsverhältnissen unter nahen Angehörigen nicht entgegenstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Oktober 2002 IX R 46/01, BFHE 200, 372, BStBl II 2003, 243, unter II. 2. c).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Vorbringen der Kläger, die Versorgungsleistungen seien nicht erhöht worden, weil auch die Ertragskraft des Betriebes stagniert habe, durchaus in Einklang mit dem Rechtscharakter eines Altenteils- und Versorgungsvertrags stehen kann. Auch das FG hat festgestellt, dass sich die Erträge des übergebenen Betriebs nicht erhöht haben. Dies spricht dagegen, das Unterbleiben der Anpassung der Barleistungen an den Preisindex ―vor allem dann, wenn sich der Wert der erbrachten Sachleistungen laufend erhöht― als willkürlich anzusehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1153606 |
BFH/NV 2004, 1097 |
KÖSDI 2004, 14322 |