Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Der Kürzungsanspruch nach § 3 Abs. 1 BHG ist kein selbständiger Vergütungsanspruch; er ist im Veranlagungsverfahren der Umsatzsteuer für den Zeitraum geltend zu machen, in dem der Unternehmer das Entgelt für die aus Berlin (West) bezogenen Gegenstände bezahlt hat.
Normenkette
BHG § 3 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Steuerpflichtigen (Stpfl.) die Umsatzsteuervergünstigung nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) - BHG - für das Jahr 1950 zu gewähren ist.
Die Stpfl., eine Unternehmerin im Bundesgebiete, bezog im Jahre 1950 von verschiedenen Westberliner Unternehmen NE-Metall- Trümmerschrott für ein Gesamtentgelt von ... DM. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts erteilte der Senator für Wirtschaft in Berlin (West) zu dieser Zeit für solche Gegenstände keine Ursprungsbescheinigungen, die zur Führung des Buchnachweises gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 5 Ziff. 3 BHG erforderlich sind.
Nachdem im Jahre 1953 der Senator für Wirtschaft von Berlin (West) Ursprungsbescheinigungen für NE-Metall-Trümmerschrott, den die Stpfl. im Jahre 1950 gegen das Entgelt von ... DM bezogen hatte, erteilt hatte, kürzte die Stpfl. in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für Oktober und November 1953, die am 10. November und 10. Dezember 1953 beim Finanzamt eingingen, die Umsatzsteuer um 3 v. H. dieses Entgeltes.
Das Finanzamt lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Rechtskraft der Veranlagung für 1950 ab. Der Einspruch der Stpfl. blieb erfolglos. Das Finanzgericht hat dagegen der Stpfl. die Berlinhilfevergünstigung für 1950 in Höhe von ... DM zuerkannt.
Das Finanzgericht hat den Kürzungsanspruch als selbständigen Vergütungsanspruch im Sinne des § 158 AO angesehen, der unabhängig vom Veranlagungsverfahren der Umsatzsteuer geltend gemacht werden könnte. Die Ausschlußfrist des § 158 AO stehe im Streitfalle der Geltendmachung des Anspruchs nicht entgegen, weil die Stpfl. infolge des Verhaltens des Senators für Wirtschaft erstmals im Jahre 1953 imstande gewesen sei, den erforderlichen Buchnachweis zu führen.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Hat ein Unternehmer im Bundesgebiete von einem Westberliner Unternehmer Gegenstände erworben, so ist er - unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - nach § 3 Abs. 1 BHG berechtigt, die Umsatzsteuer, die er für einen Voranmeldungszeitraum (Veranlagungszeitraum) schuldet, um 3 v. H. - jetzt 4 v. H. - des Betrages zu kürzen, den er im gleichen Zeitraum als Entgelt für diese Gegenstände bezahlt hat. Diese Fassung - sowie die überschrift zu Art. III BHG: Vergünstigungen bei der Umsatzsteuer ... - spricht eindeutig dafür, daß der Gesetzgeber diese aus wirtschaftspolitischen Gründen gewährte Vergünstigung mit dem Umsatzsteuerveranlagungsverfahren verknüpfen wollte und verknüpft hat, nicht aber - wie im Falle des § 16 UStG - einen selbständigen Vergütungsanspruch unabhängig vom Veranlagungsverfahren, wie das Finanzgericht meint, zubilligen wollte. Die Begründung des Finanzgerichts vermag nicht zu überzeugen. Lassen sich, wie im Falle des § 7 Abs. 1 BHG, die Berlinhilfevergünstigungen in die Form einer echten Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift kleiden, so spricht dieser Umstand nicht dafür, daß eine andere Vergünstigung, die der Sache nach wohl eine Vergütung von einem anderen Unternehmer gezahlter Umsatzsteuer darstellt, in einem besonderen Vergütungsverfahren geltend zu machen ist. Mögen den Gesetzgeber auch Zweckmäßigkeitserwägungen und der Wunsch, für den Besteller im Bundesgebiet einen Anreiz zu schaffen, zu dieser Regelung veranlaßt haben, so spricht doch nichts dafür, daß, wie die Stpfl. meint, diese Regelung keine materielle Bedeutung habe. Auch § 3 Abs. 4 BGH, wonach der Unterschiedsbetrag nach der Veranlagung durch Aufrechnung oder Zahlung ausgeglichen wird, wenn der Kürzungsbetrag die für den Voranmeldungszeitraum (Veranlagungszeitraum) geleistete Umsatzsteuer übersteigt, spricht nicht für die Auffassung der Stpfl. oder des Finanzgerichts; denn dem Gesetzgeber, dem es freistand, die Geltendmachung des Kürzungsanspruchs zu regeln und der die für den Regelfall einfachste und zweckmäßigste Lösung - Geltendmachung im Veranlagungsverfahren - gewählt hat, blieb es unbenommen, für die Ausnahmefälle eine Ersatzlösung vorzuschreiben. Jedenfalls läßt nach Auffassung des Senats der Wortlaut des Gesetzes, wonach der Unternehmer berechtigt ist, die geschuldete Umsatzsteuer um 3 v. H. des Entgeltes zu kürzen, das er im gleichen Zeitraum für aus Berlin bezogene Gegenstände gezahlt hat, eine andere Auslegung nicht zu. Hieraus ergibt sich folgendes: Das Gesetz selbst schreibt eine Antragsfrist nicht vor. Kürzungsbeträge, die nicht im maßgebenden Voranmeldungszeitraum geltend gemacht sind, können noch bei der Jahreserklärung abgesetzt werden. Ein Steuerpflichtiger wird die Vergünstigung auch noch im Rechtsmittelverfahren bis zur letzten Tatsacheninstanz geltend machen können; nach Rechtskraft der Veranlagung können jedoch Kürzungsansprüche aus dem rechtskräftig veranlagten Jahr oder vorangegangener Jahre grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden, es sei denn, daß eine Berichtigungsveranlagung stattfinden muß. Die Vorentscheidung, die diese Rechtslage verkannt hat, ist deshalb aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 410238 |
BStBl III 1961, 562 |
BFHE 1962, 811 |
BFHE 73, 811 |