Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Leistungsaustausches bei Umlagen, die eine Gesellschaft neben den regelmäßigen Mitgliederbeiträgen von ihren Gesellschaftern erhebt.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin I (Steuerpflichtige) ist eine GmbH. Ihre Aufgabe besteht darin, die geschäftliche Tätigkeit von Unternehmern zu fördern, die einer bestimmten Handelskette angeschlossen sind. Im Jahre 1961 fand bei der Steuerpflichtigen eine Betriebsprüfung statt, die zu Umsatzsteuernachforderungen für die Veranlagungszeiträume 1955 bis 1960 führte. In seinem aufgrund einer Sprungberufung ergangenen Urteil hat das FG dem Begehren der Steuerpflichtigen nur teilweise stattgegeben. Beide Parteien haben gegen das Urteil Rechtsbeschwerden eingelegt, die nach dem Inkrafttreten der FGO (1. Januar 1966) als Revisionen zu behandeln sind…
Zur Beurteilung der Revision des Beklagten und Revisionsklägers II (FA) ist von der Feststellung des FG auszugehen, die Steuerpflichtige habe Unkosten, die nicht durch regelmäßige Einnahmen gedeckt gewesen seien, durch Erhebung von monatlichen Beiträgen, Einmalbeiträgen und sogenannten Eintrittsgeldern ausgeglichen.
Diese Umlagen hielt die Steuerpflichtige für Mitgliederbeiträge und wies sie deshalb nicht als Berechnungsgrundlage der Umsatzsteuer aus. Der Betriebsprüfer und das FA beurteilten die Umlage als nachträgliche Entgelte für sonstige Leistungen der Steuerpflichtigen, die mit 4 v. H. der Umsatzsteuer unterliegen. Das FG hat der Sprungberufung insoweit stattgegeben und dazu ausgeführt: Die Umlagen seien nicht im Rahmen eines Leistungsaustausches gezahlt worden. Für die Entscheidung der oft schwierigen Frage, ob im Einzelfall nach Umsatzsteuerrecht ein Leistungsaustausch vorliege, könne bei behaupteten „Mitgliederbeiträgen” vielfach die Art der Beitragsbemessung als Beweisanzeichen dienen. Während gleichhohe Beträge aller Mitglieder für echte Mitgliederbeiträge sprächen, sei die Bemessung nach dem tatsächlichen oder geschätzten Umfang der Tätigkeit einer Personenvereinigung für das einzelne Mitglied ein Beweisanzeichen für den Leistungsaustausch. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall seien unstreitig die Zahlungen von allen Mitgliedern in gleicher Höhe eingefordert worden und auch die Sonderbelange der einzelnen Gesellschafter sowie die Inanspruchnahme der Steuerpflichtigen durch diesen Personenkreis unberücksichtigt geblieben. Außerdem greife der § 4 Nr. 9 UStG 1951 ein. Die Steuerpflichtige habe für die streitigen Zahlungen ihrer Gesellschafter Gesellschaftsteuer entrichtet.
Mit der Rechtsbeschwerde rügt das FA unrichtige Anwendung des Steuerrechts und führt zur Begründung aus: Die Leistungen der Steuerpflichtigen und die Zahlungen durch die Gesellschafter stünden in einem derartigen Zusammenhang, daß man von einem Leistungsaustausch sprechen müsse. Es lägen nachträgliche Preiserhöhungen vor, die zur Deckung von Fehlbeträgen notwendig geworden seien. Selbst echte Mitgliederbeiträge würden zum umsatzsteuerpflichtigen Entgelt für Sonderleistungen, wenn sie Fehlbeträge decken sollten, die durch unzureichende Bemessung des Entgelts für Sonderleistungen erwachsen seien. Auch spreche es nicht gegen einen Leistungsaustausch, daß die den Sonderleistungen der Mitglieder dienenden Gesellschaftsleistungen gegenüber allen Mitgliedern erbracht würden. Im übrigen habe die für die Körperschaftsteuer zuständige Kammer des FG unter Hinweis auf die Wechselbezüglichkeit von Leistung und Gegenleistung die streitigen Zahlungen der Gesellschafter nicht als körperschaftsteuerfreie Mitgliederbeiträge, sondern als steuerpflichtige Betriebseinnahmen angesehen…
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist unbegründet. Es fehlt hinsichtlich der Umlagen an einem Leistungsaustausch, der Voraussetzung für einen nach § 1 Nr. 1 UStG 1951 steuerbaren Umsatz ist. Bei Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft hängt die Entscheidung, ob auf dem Gesellschaftsvertrag beruhende Gesellschafterleistungen oder im Leistungsaustausch gegen Entgelt erbrachte Sonderleistungen des Gesellschafters vorliegen, von der Feststellung eines Zusammenhanges zwischen der Gesellschafterleistung und der Gegenleistung der Gesellschaft ab (BFH-Urteil V 45/65 vom 7. Dezember 1967, BFH 91, 448, BStBl II 1968, 398 – Arge-Urteil –). Für die Entscheidung gilt im umgekehrten Fall bei Leistungen der Gesellschaft an die Gesellschafter nichts anderes. Denn die Leistung einer Gesellschaft kann ebenfalls auf dem Gesellschaftsvertrag oder einer Sondervereinbarung mit dem einzelnen Gesellschafter beruhen.
Im Streitfall fehlt es an einem Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung. Das FG hat für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt, die Leistungen der Steuerpflichtigen gegenüber ihren Gesellschaftern seien umfangmäßig unterschiedlich gewesen, während die Kostenumlagen von allen Mitgliedern unstreitig in gleicher Höhe erhoben worden seien. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt des vorliegenden Falles von dem des BFH-Urteils V 134/59 U vom 12. April 1962 (BFH 74, 703, BStBl III 1962, 260), das das FA zur Begründung seiner Revision heranzieht. Denn in diesem Urteil wird der Fall einer Personenvereinigung behandelt, die gegenüber allen Mitgliedern gleichwertige Leistungen erbracht hat. Sind die Leistungen an alle Gesellschafter gleichwertig, so läßt sich bei einer späteren Umlage eine Beziehung zu den einzelnen Leistungen herstellen, bei unterschiedlichen Leistungen an die einzelnen Gesellschafter jedoch nicht. Auch der vom FA zur Begründung der Revision aus dem Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II 1/48 vom 30. September 1948(StRK, Umsatzsteuergesetz, § 1 Nr. 1, Rechtsspruch 9) entnommene Grundsatz, selbst echte Mitgliederbeiträge könnten als Entgelt für Sonderleistungen zur Bemessung der Umsatzsteuer herangezogen werden, ist nicht einschlägig. Denn das FG hat festgestellt, daß die Kostenumlagen nicht auf Sonderbelange der einzelnen Gesellschafter abgestellt waren. Im Streitfall sind zur Deckung der durch andere Einnahmen (Provisionsanteile) nicht ausgeglichenen Kosten aller Leistungen der Steuerpflichtigen pauschale Umlagen von den Gesellschaftern eingefordert worden. Bei dieser Lage fehlt es an einem Zusammenhang zwischen den Leistungen der Steuerpflichtigen und denen ihrer Gesellschafter und damit an einem Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Der Senat kann nicht abweichend von den tatsächlichen Feststellungen des FG in der Umsatzsteuersache mit der Begründung von einem Leistungsaustausch ausgehen, daß eine andere Kammer des gleichen FG in einer Körperschaftsteuersache die Wechselbezüglichkeit von Leistungen und Gegenleistung hinsichtlich der streitigen Beträge bejaht hat. Das Revisionsgericht darf nur prüfen, ob in der ihm vorliegenden Steuersache der zuständige Spruchkörper des FG unter den gegebenen Verhältnissen mögliche tatsächliche Feststellungen getroffen und das Recht richtig angewendet hat. Eigene Feststellungen sind ihm gemäß § 118 FGO verwehrt.
Da es somit an einem Leistungsaustausch fehlt, entfällt die Prüfung der Frage, ob bei einem Leistungsaustausch die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 UStG 1951 eingreifen würde.
Fundstellen
BStBl II 1969, 302 |
BFHE 1969, 58 |