Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstückswertermittlung (Bedarfswert)
Leitsatz (NV)
1. Die für die Bewertung unbebauter Grundstücke nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG maßgebenden Bodenrichtwerte sind für die am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich.
2. Werden Grundstücke, bei denen nicht die Ertragserzielung im Vordergrund steht, im Ertragswertverfahren bewertet, muss (im Rahmen des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts) jedenfalls dem letzten Abschnitt einer derartigen Bewertung - nämlich der Angleichung an den Verkehrswert - besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Normenkette
BewG § 145 Abs. 3, § 146 Abs. 3, § 147 Abs. 1; BauGB §§ 192-193, 195
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Gemeinde X schloss am 13. Juli 1999 mit der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, einen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag, mit dem sie die bislang als Eigenbetrieb geführten Gemeindewerke X --Versorgungsbetrieb und Badepark-- mit wirtschaftlicher Wirkung zum 31. Dezember 1998 gegen Gewährung eines Geschäftsanteils im Nennwert von … DM auf die Klägerin übertrug. Die Ausgliederung wurde am 31. August 1999 im Handelsregister eingetragen. Zu dem dabei übergegangenen Grundbesitz gehörte u.a. ein Badepark.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2000 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für dieses Grundstück den Grundstückswert in Höhe von … DM gesondert fest. Die Feststellung erfolgte gemäß § 147 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der im Streitjahr geltenden Fassung. Da für das Sondergebiet Badepark kein Bodenrichtwert zum 1. Januar 1996 festgestellt war, hatte das FA den zuständigen Gutachterausschuss aufgefordert, einen Bodenrichtwert zum 1. Januar 1996 zu ermitteln. Der Gutachterausschuss erstellte hierauf ein Gutachten und ermittelte einen Bodenwert von 130 DM/qm auf den 20. Januar 2000. Das FA übernahm diesen Wert und gelangte dadurch zu einem Bodenwert für das gesamte Grundstück von (47 681 qm x [130 DM/qm - 39 DM/qm] =) 4 338 971 DM. Den Gebäudewert für das dem Badepark dienende Grundstück ermittelte das FA anhand der von der Klägerin erklärten Restbuchwerte zum 31. August 1999 auf … DM und gelangte damit zu dem Grundstückswert von … DM.
Einspruch und Klage gegen den Feststellungsbescheid blieben im Wesentlichen erfolglos. Die Klägerin hatte verlangt, die Bewertung nicht nach § 147 BewG, sondern nach § 146 BewG vorzunehmen, und zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für das Grundstück mit Gebäude das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Grundstücksbewertung vorgelegt. Der Gutachter hatte ausgehend von den Eintrittspreisen für die Badegäste im Ertragswertverfahren einen Wert von 1 DM (0,51 €) ermittelt.
Das Finanzgericht (FG) bestätigte durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 244 veröffentlichte Urteil die Wertfeststellung nach § 147 BewG und korrigierte lediglich den Grundstückswert für den Badepark, indem es den Gebäudewert um den Ansatz für Schallschutzmaßnahmen (… DM) minderte. Es könne offen bleiben, ob der Nachweis eines niedrigeren Werts für das gesamte Grundstück auch im Anwendungsbereich des § 147 BewG zulässig sei. Das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten sei jedenfalls nicht geeignet, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Es basiere auf der Ertragswertmethode, deren Anwendung aber im Streitfall verfehlt sei.
Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung der §§ 146, 147 BewG sowie Verfahrensmängel.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Feststellungsbescheid vom 28. Juni 2000 sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. November 2002 dergestalt zu ändern, dass der Grundstückswert gemäß § 146 Abs. 7 BewG auf 1 DM (0,51 €), hilfsweise im Rahmen einer Bewertung nach § 147 BewG auf den Wert festgestellt wird, der sich ergibt, wenn statt eines Bodenrichtwerts von 130 DM/qm ein Bodenwert von 3 DM/qm (1,53 €/qm) zugrunde gelegt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat zwar zu Recht die Wertfeststellung nach Maßgabe des § 147 BewG nicht beanstandet und dem von der Klägerin beigebrachten Privatgutachten keine Bedeutung beigemessen; es hat aber verkannt, dass der Wert des Grund und Bodens nicht gemäß § 147 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 145 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BewG anhand eines Bodenrichtwerts auf den 1. Januar 1996, sondern auf der Grundlage eines vom Gutachterausschuss auf den 20. Januar 2000 erstellten Wertgutachtens ermittelt worden ist.
1. Lässt sich für bebaute Grundstücke die übliche Miete (§ 146 Abs. 3 Satz 2 BewG) nicht ermitteln, bestimmt sich gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 BewG der Grundstückswert abweichend von § 146 BewG nach der Summe des Werts des Grund und Bodens und des Werts der Gebäude. Nach Abs. 2 der Vorschrift sind hierbei der Wert des Grund und Bodens gemäß § 145 BewG --allerdings nicht mit einem Abschlag von 20 v.H., sondern mit einem solchen von 30 v.H. vom maßgebenden Bodenrichtwert-- und der Wert der Gebäude nach ertragsteuerlichen Bewertungsvorschriften zu ermitteln.
Gemäß § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG bestimmt sich der Wert unbebauter Grundstücke nach ihrer Fläche und dem um einen Abschlag ermäßigten Bodenrichtwert i.S. des § 196 des Baugesetzbuchs (BauGB). Bei den Bodenrichtwerten handelt es sich um durchschnittliche Lagewerte für den Boden, die die Gutachterausschüsse (§ 192 BauGB) aufgrund der Kaufpreissammlung (§ 193 Abs. 3, § 195 BauGB) für jedes Gemeindegebiet unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustandes zu ermitteln haben. Wie sich aus dem in § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG verwendeten Ausdruck "bestimmt sich" ergibt, sind die für die Bewertung unbebauter Grundstücke nach dieser Vorschrift maßgebenden Bodenrichtwerte für die am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Mai 2005 II R 21/02, BFHE 210, 48, BStBl II 2005, 686; vom 18. August 2005 II R 62/03, BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5, sowie vom 26. April 2006 II R 58/04, BFHE 213, 207, BStBl II 2006, 793). Dies gilt wegen der dort erfolgten Verweisung auf § 145 BewG auch bei Anwendung des § 147 BewG. Im Streitfall hat das FA den Grundbesitzwert zwar nach § 147 BewG festgestellt, den Wert des Grund und Bodens aber nicht unter Zugrundelegung eines Bodenrichtwerts und erst recht nicht eines solchen auf den 1. Januar 1996 (§ 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG) ermittelt. Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Dem FG ist zunächst darin zu folgen, dass im Streitfall der Grundbesitzwert nicht gemäß § 146 BewG, sondern gemäß § 147 BewG festzustellen war. Für den streitbefangenen Grundbesitz lässt sich keine übliche Miete i.S. des § 146 Abs. 3 BewG ermitteln. Unter üblicher Miete ist nach dieser Vorschrift die Miete zu verstehen, die für nach Art, Lage, Größe, Ausstattung und Alter vergleichbare, nicht preisgebundene Grundstücke von fremden Mietern bezahlt wird. Solch eine Miete ist nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des FG nicht ermittelbar. Sie kann auch nicht in den Eintrittsgeldern gesehen werden, die die Badegäste für die Möglichkeit entrichten, den Badepark zu nutzen.
b) Der Gutachterausschuss hat dem FA jedoch nicht im Rahmen seiner Aufgabenstellung nach § 196 BauGB einen Bodenrichtwert auf den 1. Januar 1996 mitgeteilt, sondern stattdessen nach § 193 Abs. 1 BauGB ein Wertgutachten auf den 20. Januar 2000 erstellt. Dies ist sowohl vom Bewertungsstichtag als auch von der Art der Aufgabenerledigung her verfehlt. Das FG hat daher im zweiten Rechtszug dem FA Gelegenheit zu geben, den Gutachterausschuss um die Mitteilung eines Bodenrichtwerts auf den 1. Januar 1996 zu bitten.
c) Davon kann nicht etwa deshalb abgesehen werden, weil die Klägerin einen gemeinen Wert des Grundbesitzes --bebaut oder unbebaut-- von 1 DM nachgewiesen hätte, der unter jedem denkbaren Bodenrichtwert läge. Dem FG ist nämlich auch darin zu folgen, dass die Klägerin einen (niedrigeren) gemeinen Wert des streitbefangenen Grundbesitzes in dieser Höhe weder beschränkt auf den Wert des Grund und Bodens noch bezogen auf den Grund und Boden samt den aufstehenden Gebäuden nachgewiesen hat. Daher konnte das FG auch zu Recht offen lassen, ob der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts für die Grundstücke samt aufstehenden Gebäuden im Rahmen einer Wertfeststellung nach § 147 BewG überhaupt zuzulassen ist.
aa) Soweit die Klägerin im Rahmen ihres "Hilfsantrags" vorträgt, dem Grund und Boden komme im Zustand eines unbebauten Grundstücks lediglich ein gemeiner Wert von 3 DM/qm (1,53 €/qm) zu, führt sie zur Begründung lediglich aus, dass es sich dabei um den Wert für Grünland "in diesem Bereich" handelt. Diese Ausführungen stellen jedoch keinen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gemäß § 147 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG dar. Auch aus dem von ihr vorgelegten Privatgutachten ergibt sich nichts für einen derart niedrigen Bodenrichtwert. Vielmehr bestätigt der Gutachter ausdrücklich den vom FA zugrunde gelegten Wert von 130 DM/qm (S. 32 und 33 des Privatgutachtens).
bb) Soweit die Klägerin annimmt, der gemeine Wert der Grundstücke samt den Gebäuden betrage lediglich 1 DM (0,51 €), fehlt es ebenfalls an einem geeigneten Nachweis. Wenn der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts auch bei Anwendung des § 147 BewG zuzulassen wäre, müsste er denselben Anforderungen genügen, die im Rahmen des § 146 Abs. 7 bzw. § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG an einen derartigen Nachweis zu stellen sind. Diesen Anforderungen entspricht das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten nicht.
Es bestehen bereits grundsätzliche Bedenken, ob das Ertragswertverfahren eine geeignete Bewertungsmethode für den streitbefangenen Grundbesitz darstellt. Für Grundstücke, bei denen für den Nutzer nicht die Ertragserzielung im Vordergrund steht, sollte nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 1970 VII ZR 189/68 (Neue Juristische Wochenschrift 1970, 2018) das Sachwertverfahren die geeignetere Bewertungsmethode sein. Zu diesen Grundstücken zählten auch Badeanstalten und Hallenbäder (Simon/Kleiber, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 7. Aufl. 1996, Rz 1.139). Der BFH hat mit Urteil vom 20. Oktober 2004 II R 34/02 (BFHE 207, 345, BStBl II 2005, 256, unter II. 3. b) bereits darauf hingewiesen, dass die Renditeerwartungen potentieller Kaufinteressenten nicht das Alleinbestimmende für den Wert eines Grundstücks sind; vielmehr müsse hinzukommen, dass die Grundstückseigentümer auch bereit sind, ihre Grundstücke zu einem diesen Erwartungen entsprechenden Preis zu verkaufen. Dieser Gesichtspunkt ist insbesondere bei den Grundstücken bedeutsam, bei denen für die Nutzer nicht die Ertragserzielung im Vordergrund steht. Wenn diese Grundstücke schon im Ertragswertverfahren bewertet werden, muss jedenfalls dem letzten Abschnitt einer derartigen Bewertung --nämlich der Angleichung an den Verkehrswert-- besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden (vgl. dazu Simon/Kleiber, a.a.O., Rz 4.17 und 4.130). Davon geht auch § 7 Abs. 1 Satz 2 der Wertermittlungsverordnung vom 6. Dezember 1988 (BGBl I 1988, 2209) aus, der diese Angleichung --übrigens für alle in der Verordnung vorgesehenen Bewertungsverfahren-- vorschreibt. Das Unterlassen dieser Angleichung in dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten stellt einen Bewertungsfehler dar, der es für den erforderlichen Nachweis eines (niedrigeren) gemeinen Werts nicht aussagekräftig macht. Es ist damit auch ungeeignet, den Vortrag der Klägerin zu stützen, der festgestellte Grundbesitzwert verstoße gegen das aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) abzuleitende Übermaßverbot (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. Mai 2001 II R 4/99, BFHE 195, 409, BStBl II 2001, 606).
d) Bei der erneuten Entscheidung des FG entfällt die Minderung der Gebäudewerte um den Wert der Schallschutzanlagen. Diese stellen keine Betriebsvorrichtungen i.S. des § 138 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG dar, sondern sind Bestandteil des Gebäudes. Nach den Feststellungen des FG sind die Schallschutzvorkehrungen nicht erforderlich, um den Badebetrieb überhaupt erst zu ermöglichen. Die Tatsache, dass sie den Aufenthalt der Badegäste angenehmer und erträglicher machen, rechtfertigt noch nicht die Annahme, es handele sich um Betriebsvorrichtungen (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1987 III R 191/85, BFHE 151, 573, BStBl II 1988, 300, sowie vom 23. März 1990 III R 63/87, BFHE 161, 240, BStBl II 1990, 751). Die Schallschutzanlagen stehen im Streitfall vielmehr in besonderer Beziehung zur Raumnutzung und nicht zur Ausübung des Gewerbebetriebs des Badeparks (BFH-Urteile vom 5. März 1971 III R 90/69, BFHE 102, 107, BStBl II 1971, 455, sowie vom 24. Mai 2007 II R 68/05, BFH/NV 2007, 1953). Die durch das FG erfolgte Minderung des festgestellten Grundbesitzwerts um den Wert der Schallschutzanlagen ist durch die Aufhebung der Vorentscheidung hinfällig geworden.
Fundstellen
Haufe-Index 1961894 |
BFH/NV 2008, 757 |
HFR 2008, 793 |
NWB 2008, 5 |