Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Vermögensübernehmers nach § 419 BGB; Recht auf Vorwegbefriedigung; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Leitsatz (NV)
1. In der Verwertung von Akten eines anderen Gerichtsverfahrens, über deren Beiziehung die Beteiligten nicht informiert worden sind, liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
2. Der Vermögensübernehmer ist berechtigt, sich wegen bereits vor der Vermögensübernahme vorhandener eigener Forderungen gegen den Übergeber vorweg zu befriedigen.
3. Zu einer Vorwegbefriedigung kann unter bestimmten Voraussetzungen auch ein aus einer fehlgegangenen Vergütungserwartung entstandener Zahlungsanspruch führen.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1; BGB §§ 419, 611-612, 1990-1991
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) übernahm mit Vertrag vom . . . 1967 das gesamte Vermögen seiner Eltern, welches im wesentlichen aus einem . . . betrieb und einem Zweifamilienhaus bestand. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm den Kläger mit Bescheid vom . . . Februar 1968 nach den §§ 120 der Reichsabgabenordnung (AO), 419 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wegen verschiedener Steuerrückstände seines Vaters als Haftenden in Anspruch. Zur Sicherung des Haftungsanspruchs wurde auf dem übernommenen Grundstück zugunsten des FA eine Sicherungshypothek eingetragen.
Im Rahmen eines Klageverfahrens gegen den Haftungsbescheid hob das FA den Bescheid teilweise auf und schränkte ihn bezüglich des aufrechterhaltenen Betrages von . . . DM durch Bescheid vom . . . Dezember 1980 dahin ein, daß sich die Haftung des Klägers auf das übernommene Vermögen beschränke.
Das FA beantragte am . . . 1982 die Fortsetzung des einstweilen eingestellten Zwangsversteigerungsverfahrens aus der Sicherungshypothek. Gegen diesen Antrag wandte sich der Kläger nach erfolgloser Beschwerde mit der Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsversteigerung. Der Kläger berief sich insbesondere darauf, daß ihm wegen geleisteter Dienste in der Zeit von Mai 1957 bis Oktober 1967 gegenüber seinem Vater Lohnansprüche in Höhe von . . . DM zugestanden hätten.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im wesentlichen mit folgender Begründung ab: Der Kläger habe die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Haftungsbescheid zu dulden. Die Beschränkung der Haftung nach § 419 Abs. 2 BGB ermögliche es ihm zwar, den Zugriff auf sein sonstiges Vermögen abzuwenden, nach Maßgabe der §§ 1990, 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 3, 1979 BGB Ersatz seiner Aufwendungen von unstreitig . . . DM zu beanspruchen und sich wegen eventuell bereits vor der Vermögensübernahme vorhandener Forderungen gegen den Übergeber (die Eltern) aus dem übernommenen Vermögen vor den anderen Gläubigern vorweg zu befriedigen. Aber das FG habe nicht die Überzeugung gewinnen können, daß dem Kläger gegen seinen Vater je solche Ansprüche und in der behaupteten Höhe zugestanden hätten. Der Kläger habe die Voraussetzungen eines Dienstvertrags (§ 611 Abs. 1 BGB) nicht glaubhaft gemacht. Aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls, nämlich der Tatsache, daß sich der Vorgang in ländlichen Verhältnissen abgespielt und der Kläger schließlich das Anwesen von den Eltern übertragen erhalten habe, und besonders aufgrund der Nichterwähnung eines derartigen Anspruchs in dem Übertragungsvertrag sei der Senat der Überzeugung, daß der Kläger die Mitarbeit nicht aufgrund eines Dienstvertrags, sondern wegen der Aussicht auf die spätere Betriebsübernahme geleistet habe.
Selbst wenn man aber mit dem Kläger davon ausgehe, seine Mitarbeit sei nicht auf familienrechtlicher Grundlage, sondern aufgrund eines Arbeitsvertrags erfolgt, wäre davon auszugehen, daß ein Arbeitsvertrag auch nur in Höhe des tatsächlich geleisteten Entgelts vereinbart gewesen sei. Daß eine Vereinbarung bestanden habe, der Arbeitslohn solle monatlich . . . DM betragen, habe der Kläger selbst nicht vorgetragen. Er halte diesen Betrag lediglich für eine seiner Tätigkeit entsprechende angemessene Vergütung.
Aber selbst wenn man davon ausginge, der Kläger habe noch Lohnansprüche aufgrund eines Arbeitsverhältnisses gehabt, sei das FG mit der Oberfinanzdirektion (OFD) der Auffassung, daß der Kläger mit dem Übertragungsvertrag als Gegenleistung auf solche Ansprüche verzichtet habe. Der Kläger habe in der Umsatzsteuersache seinerzeit mit Schriftsatz vom 7. Oktober 1981 selbst vorgetragen, die Übergabe des gesamten Vermögens vom Vater auf ihn sei u. a. zur Ablösung der Verpflichtungen seines Vaters erfolgt, daß er, der Kläger, für den Vater beinahe unentgeltliche Mitarbeit in seinem Betrieb jahrelang geleistet habe.
Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 419, 611, 612, 1619 BGB, §§ 76 Abs. 1, 96 Abs. 1 und Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und trägt im wesentlichen vor:
Die Annahme des FG, er, der Kläger, habe gegenüber seinem Vater keine Lohnforderung gehabt, sei fehlerhaft zustande gekommen. Das FG habe es unterlassen, entsprechend seiner Erforschungspflicht und seiner Pflicht zur Berücksichtigung seiner, des Klägers, Beweisanträge in den Schriftsätzen vom . . . auf Vernehmung seines Bruders und seiner, des Klägers, Ehefrau als Zeugen sowie seiner, des Klägers, Vernehmung als Partei die näheren Umstände seiner Mitarbeit im väterlichen Betrieb zu klären. Die Vernehmung hätte ergeben, daß er, der Kläger, einen angemessenen Lohn erst später habe erhalten sollen, weil der Betrieb - auch durch seinen Einsatz - erst wieder zu besseren Ergebnissen habe gebracht werden müssen. Die Ansicht des FG, die Mitarbeit erwachsener Kinder im Betrieb im ländlichen Milieu vollziehe sich im Bereich der Dienstpflicht des § 1619 BGB, verstoße gegen den Inhalt der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Februar 1955 IV 520/53 U (BFHE 60, 262, BStBl III 1955, 102).
Soweit das FG die Ansicht vertrete, er, der Kläger, habe seine Mitarbeit nicht wegen eines Dienstverhältnisses, sondern wegen der Aussicht auf die spätere Betriebsübernahme geleistet, sei dies ein Widerspruch in sich. Wenn Einigkeit darüber bestanden habe, daß er wegen seiner Mitarbeit später den Betrieb erhalten solle, so habe er nicht unentgeltlich, sondern gegen später zu gewährendes Entgelt gearbeitet.
Es liege auch ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten vor. Er habe vorgetragen, daß zunächst sein Bruder den Betrieb habe erhalten sollen. Erst nach der Betriebsprüfung mit dem miserablen Ergebnis habe der Vater seine Absicht geändert und ihm, dem Kläger, das gesamte Anwesen übertragen. Daher sei es nicht möglich, daß er schon im Jahre 1957 wegen der Aussicht auf die spätere Betriebsübernahme seinen Dienst angetreten und bis 1967 geleistet habe.
Ein weiterer Verstoß gegen den Akteninhalt liege darin, daß er, der Kläger, nach seinem im Tatbestand des FG-Urteils wiedergegebenen und unter Beweis gestellten Vorbringen für seine Mitarbeit das halbe Grundstück und eine Entschädigung in Geld habe erhalten sollen. Dies beinhalte aber gerade die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses, was das FG aber verneint habe.
Außerdem sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das FG habe einen Verzicht auf die Lohnforderung anläßlich der Übergabe des Vermögens angenommen und sich zur Begründung auf seine, des Klägers, Ausführungen in dem Verfahren in der Umsatzsteuerhaftungssache berufen. Durch die Verwertung des Inhalts dieser Akten sei er überrascht worden. Denn das Gericht habe diese Akten nicht förmlich beigezogen und ihn auch nicht von der Beiziehung in Kenntnis gesetzt. Die Akten gehörten auch nicht zu den gemäß § 71 Abs. 2 FGO vorzulegenden Akten. Wäre ihm rechtliches Gehör gewährt worden, so hätte er ausgeführt, daß der Sachvortrag von den Prozeßbevollmächtigten ohne Rücksprache mit ihm erfolgt sei und daß wegen der zu vermutenden Vollständigkeit der notariellen Urkunde, in der die Übertragung des Vermögens vereinbart war, davon auszugehen sei, daß eine Gegenleistung nicht erbracht worden sei. Außerdem sei ohne rechtliche Bedeutung für die Einrede der Dürftigkeit, ob der Lohnanspruch formell untergangen oder tatsächlich entwertet gewesen sei.
Das FA vertritt die Auffassung, daß es auf die angeblichen Verfahrensfehler gar nicht ankomme, weil in der Sache selbst keine andere Entscheidung habe ergehen können. Der Kläger übersehe, daß seine Auffassung zur Vorwegbefriedigung des Übernehmers darauf basiere, daß die Forderung des Übernehmers der titulierten Forderung nach § 1991 Abs. 3 BGB gleichgestellt werde. Dies setze voraus, daß die Forderung des Übernehmers dem Grund und der Höhe nach eindeutig nachgewiesen und auch noch im Zeitpunkt der Vermögensübernahme fällig gewesen sei. Genau daran mangele es jedoch, wie das FG rechtsfehlerfrei festgestellt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Das FG hat dem Kläger das Recht auf Gehör verweigert, indem es den Inhalt der Akten des Verfahrens . . . verwertet hat, ohne die Beteiligten vorher von der Beiziehung dieser Akten zu unterrichten.
Nach § 96 Abs. 2 FGO darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Es handelt sich bei dieser Vorschrift um eine Ausgestaltung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör, dessen Verletzung einen absoluten Revisionsgrund i. S. des § 119 Nr. 3 FGO darstellt.
Zieht das Gericht die Akten eines anderen Verfahrens bei, so sind die Beteiligten davon zu benachrichtigen (vgl. § 79 Satz 3 FGO i. V. m. § 273 Abs. 2 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Eine Mitteilung über die Beiziehung von Akten kann selbst dann nicht unterbleiben, wenn den Prozeßbeteiligten der Inhalt der Akten vollständig bekannt ist. Denn diese Kenntnis bedeutet noch nicht, daß sich die Beteiligten zu diesen Tatsachen äußern konnten. Von Bedeutung ist vielmehr, daß die Beteiligten Kenntnis von der möglichen Verwertung der Akten im anhängigen Verfahren erhalten (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 25. Oktober 1966, 2 BvR 217/66, BVerfGE 20, 347, 349; BFH-Urteile vom 9. März 1971 II R 94/67, BFHE 102, 207, BStBl II 1971, 597, 599; vom 26. Januar 1989 IV R 71/87, BFH/NV 1990, 296, 297). Nur dann besteht für die Beteiligten Anlaß zu einer Stellungnahme unter Berücksichtigung des Inhalts der beigezogenen Akten. Dementsprechend ist es auch ohne Bedeutung, ob es sich bei den beigezogenen Akten um solche des erkennenden oder eines anderen Gerichts handelt (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 1. Oktober 1985 9 C 20.85, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 402.25, § 1 AsylVfg Nr. 37).
Im Streitfall hat das FG die Beteiligten nach dem auch vom FA nicht bestrittenen Vortrag des Klägers nicht von der Beiziehung der Akten des Verfahrens . . . in Kenntnis gesetzt. Zwar ist in dem Vorbescheid vom . . . November 1986 darauf hingewiesen worden, daß das Verfahren . . . mit Beschluß vom 5. Januar 1982 eingestellt worden sei. Daraus konnten die Beteiligten jedoch nicht entnehmen, daß die Akten dieses Verfahrens beigezogen waren und der darin enthaltene Vortrag in dem anhängigen Verfahren verwertet werden sollte. Auch die Sitzungsniederschrift vom 2. Juli 1987 enthält keinen Hinweis auf die Beiziehung der Akten jenes Verfahrens. Es ist schließlich nicht erkennbar, daß der Sachvortrag des Berichterstatters über den wesentlichen Akteninhalt sich auch auf den Inhalt der Akten jenes Verfahrens bezogen hat oder daß der eigene Sachvortrag des Klägers in jenem Verfahren Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Das Urteil des FG kann auch auf der danach anzunehmenden Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen. Es ist nicht auszuschließen, daß der für den Fall der Gewährung des rechtlichen Gehörs vom Kläger beabsichtigte Vortrag, notariell beurkundete Verträge hätten die Vermutung der Vollständigkeit für sich und dies gelte vor allem für das Fehlen von Vertragsbestimmungen über die Gegenleistung, rechtlich von Bedeutung ist. Unschädlich ist, daß es sich bei dem beabsichtigten Vortrag des Klägers nicht nur um tatsächliches Vorbringen, sondern im wesentlichen um Rechtsausführungen handelt. Denn über den Wortlaut des § 96 Abs. 2 FGO hinaus umfaßt der Anspruch auf rechtliches Gehör im Steuerprozeß auch den Anspruch, sich zu den Rechtsfragen des Verfahrens vorher äußern zu können (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409, 410). Im Streitfall zieht das angefochtene Urteil die Nichterwähnung eines Lohnanspruchs in dem notariellen Vertrag als Argument für die Überzeugung heran, daß ein solcher nicht entstanden sei. Es setzt sich im Rahmen der Hilfsbegründung für den Fall, daß Lohnansprüche doch bestanden hätten, aber nicht damit auseinander, welche rechtliche Bedeutung dem Umstand beizumessen sei, daß der vom FG angenommene Verzicht auf die Gegenleistung nicht in dem notariell beurkundeten Vertrag erwähnt sei. Danach besteht die Möglichkeit, daß das Urteil bei Gewährung des rechtlichen Gehörs anders ausgefallen wäre.
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs stellt einen absoluten Revisionsgrund dar, der in der Regel - wie im Streitfall - zur Folge hat, daß das Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen ist (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Anm. 3).
2. Das FG wird bei seiner erneuten Entscheidung folgendes zu berücksichtigen haben.
a) Der Kläger hat zur Begründung des nach seiner Auffassung zur Vorwegbefriedigung berechtigenden Lohnanspruchs gegenüber seinem Vater vorgetragen, sein Vater habe ihm zunächst für seine Mitarbeit das halbe Grundstück und eine Entschädigung in Geld zugesagt, und erst nach der Betriebsprüfung sei die Übertragung des Vermögens auf ihn, den Kläger, geplant worden. Das FG geht zwar zutreffend in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (Urteil vom 20. März 1986 IV ZR 88/85, Betriebs-Berater - BB - 1986, 1315) davon aus, daß der Vermögensübernehmer nach §§ 419 Abs. 2, 1990, 1991 BGB berechtigt ist, sich wegen seiner bereits vor der Vermögensübernahme vorhandenen Forderungen gegen den Schuldner (Übergeber) aus dem übernommenen Vermögen vor den anderen Gläubigern vorweg zu befriedigen. Aber die Ausführungen des FG zur Begründung seiner Überzeugung, daß im Streitfall ein Lohnanspruch des Klägers entweder überhaupt nicht oder aber jedenfalls nicht in einer über die laufend getätigten Leistungen hinausgehenden Höhe bestanden habe, lassen nicht erkennen, weshalb das FG den unter Beweis gestellten Sachvortrag über die ursprünglich zugesagte Vergütung nicht für erheblich gehalten hat.
b) Im übrigen ist auch nicht erkennbar, daß das FG bei seiner Entscheidung über das Bestehen eines Vergütungsanspruchs des Klägers von den zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist. Der Hinweis auf die fehlende Vereinbarung über die Höhe der Vergütung und darauf, daß die Mitarbeit wegen der Aussicht auf die Betriebsübernahme erfolgt sei, deuten darauf hin, daß das FG bei seiner Entscheidung die in § 612 BGB getroffene Regelung außer acht gelassen hat, nach der eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist die taxmäßige Vergütung oder in Ermangelung einer solchen die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Das Bundesarbeitsgericht - BAG - (Urteil vom 14. Juli 1966 5 AZR 12/66, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts - Arbeitsrechtliche Praxis, § 612 BGB Nr. 24) hat im Wege der Rechtsfortbildung § 612 BGB auch auf Fälle der sog. fehlgegangenen Vergütungserwartung angewandt. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen jemand in Erwartung künftiger Vermögenszuwendungen (Erbeinsetzung, Hofübergabe, Betriebsübertragung) Arbeit leistet, ohne daß diese während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses besonders und zureichend vergütet wird. Unter bestimmten weiteren Voraussetzungen (vgl. dazu Schaub in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch - MünchKomm -, Schuldrecht, Besonderer Teil, 1. Halbband, 2. Aufl., § 612 Rdnr. 7) bejaht das BAG einen Vergütungs- oder Nachzahlungsanspruch für den Fall, daß die erwartete Leistung nicht erbracht wird. Daraus läßt sich im Umkehrschluß ableiten, daß die Mitarbeit aufgrund bestimmter Vergütungserwartungen auch ohne ausdrückliche Absprache einen bedingten Zahlungsanspruch begründen kann. Auch ein Anspruch, der im Zeitpunkt der Vermögensübertragung von einer Bedingung abhängt oder sonst ,,im Keim" begründet war, kann zur Vorwegbefriedigung berechtigen (vgl. BGH-Urteil vom 15. Mai 1963 V ZR 128/61, Neue Juristische Wochenschrift 1963, 1615; Möschel in MünchKomm, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., § 419 Rdnr. 47).
Fundstellen
Haufe-Index 417432 |
BFH/NV 1991, 752 |