Leitsatz (amtlich)
Bei der Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Haftungswege nach § 42d EStG darf die für mehrere Arbeitnehmer nachzufordernde Lohnsteuer jedenfalls dann unter Anwendung eines durchschnittlichen Steuersatzes ermittelt werden, wenn die individuelle Ermittlung der Lohnsteuer schwierig ist, der Arbeitgeber gegen die Höhe des durchschnittlichen Steuersatzes keine Einwendungen erhoben hat und von vornherein nicht beabsichtigt, bei den Arbeitnehmern in Höhe seiner Inanspruchnahme Regreß zu nehmen.
Normenkette
EStG 1977 §§ 40, 42d
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war nach einer Tarifvereinbarung vom Dezember 1971 über die "Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens" verpflichtet, ihren Arbeitnehmern jährlich betriebliche Sonderzahlungen in einer festgelegten Höhe zu gewähren. Sie erbrachte diese Zahlungen in den Jahren vor dem Streitjahr (1975) sowie nach dem Streitjahr als Weihnachtsgeld. In der Mitte des Streitjahres hatte die Klägerin ihr 50jähriges Geschäftsjubiläum. Aus diesem Anlaß zahlte sie ihren Arbeitnehmern im Juni 1975 eine "Jubiläumszuwendung", indessen in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld. Die Höhe der Zuwendungen und die Nichtzahlung eines Weihnachtsgeldes war in einer Betriebsvereinbarung geregelt worden. Die Klägerin behielt auf die gezahlten "Jubiläumszuwendungen" keine Lohnsteuer und keine Kirchenlohnsteuer ein.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat im Anschluß an eine Lohnsteuer-Außenprüfung die Auffassung, die "Jubiläumszuwendungen" seien steuerpflichtiger Arbeitslohn. Das FA erließ deshalb im Jahre 1977 gegen die Klägerin einen "Haftungsbescheid mit zwei Berichtsabdrucken über nachzuentrichtende Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer". In diesem Bescheid wurde der Klägerin mitgeteilt, daß sie nach "§ 190 AO" - gemeint kann nur sein § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) - i. V. m. § 42d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1977 (EStG) als Arbeitgeber hafte. Dem Haftungsbescheid waren zwei Berichtsabdrucke beigefügt, aus denen sich ergibt, daß das Unternehmen etwa 1 400 Arbeitnehmer beschäftige. In dem Bericht heißt es, daß die gewährten Zuwendungen steuerpflichtiger Arbeitslohn seien. Weiter ist festgehalten: "Da die Ermittlung der Lohnsteuer nach den allgem. Bestimmungen einen unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand erfordern würde, erfolgt pauschale Versteuerung (§ 40 [1] EStG). Die Höhe des Pauschsteuersatzes wird in Anlehnung an die Berechnung für das Werk ... auf 25,75 v. H. festgelegt." Unter Berücksichtigung dieses Steuersatzes ermittelte der Prüfer im Prüfungsbericht nachzufordernde Lohnsteuern von 195 984,58 DM sowie nachzufordernde evangelische Lohnkirchensteuern von 4 572,96 DM und römisch-katholische Lohnkirchensteuern von 9 145,92 DM. Das FA legte diese Beträge - zusammen mit hier nicht streitigen Nachforderungsbeträgen - dem Haftungsbescheid zugrunde.
Die gegen den Haftungsbescheid gerichtete Sprungklage hatte nur insoweit Erfolg, als die "Jubiläumszuwendungen" die nach der Betriebsvereinbarung vom Dezember 1971 an die einzelnen Arbeitnehmer zu zahlenden Beträge überstieg. Das Finanzgericht (FG) vertrat im Grundsatz die Auffassung, daß die Arbeitnehmer der Klägerin aufgrund der Tarifvereinbarung bereits einen Anspruch auf Sonderzahlung gehabt hätten. Deshalb sei die als "Jubiläumszuwendung" bezeichnete Zahlung nicht steuerfrei. Nur der Betrag sei als lohnsteuerfreie "Jubiläumszuwendung" anzuerkennen, der den sonst zu zahlenden Betrag überschreite.
Mit der Revision macht die Klägerin im wesentlichen folgendes geltend: Bei ihren Sonderzahlungen im Streitjahr handele es sich um Zuwendungen anläßlich ihres Geschäftsjubiläums; deshalb seien diese Zuwendungen lohnsteuerfrei. Es liege insoweit schon deshalb kein Weihnachtsgeld vor, weil sie die Zahlungen im Juni und nicht wie in den anderen Jahren zu Weihnachten erbracht habe. Im übrigen sei der Haftungsbescheid aus formalen Gründen aufzuheben. Denn in ihm seien weder sämtliche Steuerschuldner noch die auf sie entfallenden einzelnen Steuerschulden angegeben; dies sei jedoch erforderlich. Es fehle auch an den für ihre Inanspruchnahme notwendigen Ermessenserwägungen seitens des FA. Das FA hätte darlegen müssen, weshalb es gerade sie, die Klägerin, in Anspruch nehme. Darüber hinaus dürfe sie als Arbeitgeber im Haftungswege nicht mit einem Durchschnittssteuersatz in Anspruch genommen werden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Lohnsteuer für die maßgeblichen Jubiläumszuwendungen auf null DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren auf Aufforderung des Senats beigetreten. Er hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Bezeichnung der einzelnen Steuerschuldner (Arbeitnehmer) und der auf sie entfallenden nachzufordernden Lohnsteuerbeträge im Haftungsbescheid sei nicht erforderlich. Solche Angaben würden den Verwaltungsakt nicht näher bestimmen; sie gehörten grundsätzlich zur Begründung des Haftungsbescheides. Der Haftungsbescheid sei gemäß § 121 Abs. 1 AO 1977 nur zu begründen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich sei. Einer Begründung bedürfe er aber nicht, soweit dem Arbeitgeber die Auffassung der Finanzbehörde bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar sei. Eine Darlegung von Ermessenserwägungen der Finanzbehörde sei dann nicht erforderlich, wenn Arbeitgeber und FA von Anfang an davon ausgegangen seien, daß nur der Arbeitgeber für eventuelle Lohnsteuernachforderungen in Anspruch genommen werden solle.
Auch sei die Ermittlung (Schätzung) der im Haftungsweg nachzufordernden Lohnsteuer mit einem Durchschnittssteuersatz zulässig und geboten, wenn die Ermittlung der individuellen Lohnsteuernachforderungsbeträge unmöglich oder unzumutbar sei. Im Streitfall könne indessen dahingestellt bleiben, ob die individuelle Ermittlung der Lohnsteuer unmöglich oder doch unzumutbar gewesen wäre. Denn jedenfalls sei dieser durchschnittliche Steuersatz im Einvernehmen mit der Klägerin selbst festgelegt worden. Verständigten sich aber Arbeitgeber und FA auf einen bestimmten Durchschnittssteuersatz zur Vermeidung beiderseitiger Arbeit, so sei dieser von den Steuergerichten zu akzeptieren.
In ihrer Erwiderung zur Stellungnahme des BMF führt die Klägerin aus, ihr Einverständnis zur pauschalen Ermittlung der Lohnsteuerschuld ergebe sich im vorliegenden Fall aus dem gesamten Verfahren. Sie habe die Berechnungsmethoden der strittigen Lohnsteuer nie in Frage gestellt. Eine Weiterbelastung der strittigen Lohnsteuer an ihre Arbeitnehmer habe nie zur Diskussion gestanden. Damit seien alle Voraussetzungen dafür gegeben gewesen, sie als Steuerschuldner gemäß § 40 EStG in Anspruch zu nehmen. Das FA habe hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht. Es habe vielmehr einen nicht umdeutbaren Haftungsbescheid erlassen. In diesem Haftungsverfahren sei es dem FA aber verwehrt, die Lohnsteuer mit einem Durchschnittssteuersatz zu erheben. Zwar habe es ein Arbeitgeber in der Regel zu vertreten, wenn er von einer Regreßmöglichkeit keinen Gebrauch machen könne, weil er keine Unterlagen habe. In einem solchen Fall sei auch im Lohnsteuerhaftungsverfahren eine Ermittlung der Steuer mit einem Durchschnittssteuersatz zulässig. Im vorliegenden Fall sei die individuelle Zuordnung der jeweiligen Steuerschuld zu den einzelnen Arbeitnehmern jedoch nicht unmöglich. Es dürfe ferner nicht auf die Angabe der einzelnen Arbeitnehmer verzichtet werden, wenn diese - wie hier - bekannt seien. Schließlich hätte das FA seine Ermessenserwägungen, weshalb es sie - die Klägerin - in Anspruch nehme, im Haftungsbescheid angeben müssen.
Im Laufe des Revisionsverfahrens hatte die Klägerin die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Der Senat hat diesem Antrag mit Beschluß vom 29. April 1983 VI S 10/82 (BFHE 138, 379, BStBl II 1983, 517 ) entsprochen.
Entscheidungsgründe
Indessen kann die Revision keinen Erfolg haben.
1. Die als "Jubiläumszuwendung" bezeichneten Zahlungen der Klägerin sind steuerpflichtig.
Jubiläumsgeschenke an Arbeitnehmer aus Anlaß des Geschäftsjubiläums sind nach § 4 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1975 (LStDV) in bestimmtem Umfang steuerfrei. Nach dem Urteil des Senats vom 17. November 1978 VI R 139/77 (BFHE 126, 293, BStBl II 1979, 60 ) ist es für die Steuerfreiheit eines Jubiläumsgeschenks jedoch erforderlich, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer etwas zuwendet, das über das hinausgeht, auf das der Arbeitnehmer bereits aus anderen Gründen einen Rechtsanspruch hat. Die Steuerfreiheit eines Jubiläumsgeschenks kommt also nur zum Zuge, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anläßlich des Jubiläums etwas Zusätzliches erbringt. Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.
Durch die Betriebsvereinbarung ist für diejenigen Arbeitnehmer der Klägerin, für die diese Vereinbarung Bindungswirkung hatte, ein tarifvertraglicher Anspruch auf Sonderzahlung entstanden. Dieser Anspruch ist im Streitjahr - unabhängig von dem im Verhältnis zu anderen Jahren geänderten Zahlungszeitpunkt - lediglich durch die "Jubiläumszuwendung" erfüllt worden. Deshalb handelte es sich in Höhe des Betrags, den die einzelnen Arbeitnehmer schon nach der Tarifvereinbarung vom Dezember 1971 beanspruchen konnten, nicht um ein Jubiläums-"Geschenk".
Die Klägerin macht nunmehr geltend, die Tarifvereinbarung sei nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden; sie habe deshalb nicht für alle ihre Arbeitnehmer gegolten. Ihre nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer hätten auch keinen Anspruch auf die Sonderzuwendungen durch eine betriebliche Übung erlangt. Insoweit handelt es sich jedoch um neues tatsächliches Vorbringen. Dieses kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
2. Der Haftungsbescheid ist auch formalrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Einwendungen der Klägerin gegen den Bescheid könnten schon dann keinen Erfolg haben, wenn es sich bei ihm nicht um einen Haftungs-, sondern um einen Steuerbescheid über die Festsetzung einer pauschalen Lohnsteuer handelte. Dies ist jedoch nicht der Fall.
aa) Der Bescheid ist von seinem Wortlaut her eindeutig als Haftungsbescheid zu verstehen. Er ist als solcher überschrieben. In ihm wird auch auf die Haftungsvorschriften der AO 1977, wenn auch nicht ganz zutreffend, sowie des EStG Bezug genommen (vgl. hierzu Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Januar 1983 VI R 35/78, BFHE 138, 188, BStBl II 1983, 472 unter 1. d; ferner BFHE 138, 379, BStBl II 1983, 517 unter 2.).
bb) Der Bescheid kann auch nicht in einen Steuerbescheid über die Festsetzung einer pauschalen Lohnsteuer umgedeutet werden. Nach § 128 Abs. 1 AO 1977 ist allerdings die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt u. a. dann möglich, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist. Diese Voraussetzung steht jedoch der Umdeutung eines Haftungsbescheides in einen Steuerbescheid entgegen, weil beide Bescheide auf verschiedene Ziele gerichtet sind (vgl. zur wesensmäßigen Verschiedenheit von pauschaler Lohnsteuer und Lohnsteuerhaftung zuletzt BFH-Urteil vom 2. Dezember 1983 VI R 47/80, BFHE 140, 143, BStBl II 1984, 362 ). Der Steuerbescheid dient der Festsetzung einer Steuerschuld gegenüber dem Steuerschuldner (§ 155 AO 1977). Dagegen wird durch einen Haftungsbescheid ein Steuerpflichtiger für die Steuerschuld eines anderen in Anspruch genommen (§ 191 AO 1977). Wie der Senat bereits in dem Aussetzungsbeschluß in BFHE 138, 379, BStBl II 1983, 517 unter 2. a ausgeführt hat, kommt im Streitfall eine Umdeutung wegen unterschiedlicher Zielrichtung auch deshalb nicht in Betracht, weil ein gegen die Klägerin gerichteter Haftungsbescheid sich auch auf eine andere Steuer - die von den Arbeitnehmern geschuldete individuelle Lohnsteuer - als ein Lohnsteuerpauschalierungsbescheid - Unternehmenssteuer eigener Art - bezieht.
cc) Der angefochtene Bescheid kann schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer "falschen Bezeichnung" (falsa demonstratio) als Lohnsteuerpauschalierungsbescheid angesehen werden. Zwar ist in dem Prüfungsbericht, auf den im angefochtenen Bescheid Bezug genommen ist, § 40 Abs. 1 EStG ausdrücklich erwähnt. Damit ist indessen nicht zum Ausdruck gebracht, daß es sich im vorliegenden Fall um einen Lohnsteuerpauschalierungsbescheid handeln solle. Vielmehr hat der Lohnsteuer-Außenprüfer damit nur darlegen wollen, auf welche Weise er die Lohnsteuer im vorliegenden Fall ermittelt hat, nämlich durch Pauschalierung.
b) Der Senat braucht im vorliegenden Verfahren nicht die im Aussetzungsbeschluß in BFHE 138, 379, BStBl II 1983, 517 aufgeworfene Grundsatzfrage zu entscheiden, ob die Anwendung eines durchschnittlichen Steuersatzes im Haftungsverfahren im allgemeinen ausgeschlossen ist. Denn jedenfalls bestehen gegen die Anwendung eines durchschnittlichen Steuersatzes im Streitfall keine Bedenken.
aa) Der Senat hat mit Urteil vom 7. Dezember 1984 VI R 164/79 ( BStBl II 1985, 164 ) entschieden, daß die Anwendung eines Durchschnittssteuersatzes im Haftungsverfahren jedenfalls dann zulässig ist, wenn die individuelle Ermittlung der auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Lohnsteuerbeträge durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers objektiv unmöglich ist. Er ist im vorliegenden Verfahren darüber hinaus der Auffassung, daß ein Durchschnittssteuersatz im Haftungsverfahren jedenfalls auch dann angewendet werden darf, wenn die individuelle Ermittlung der Lohnsteuer schwierig ist, der Arbeitgeber gegen die Höhe des durchschnittlichen Steuersatzes keine Einwendungen erhoben hat und von vornherein nicht beabsichtigt, bei den Arbeitnehmern in Höhe seiner Inanspruchnahme Regreß zu nehmen. Bei einer solchen Gestaltung entfallen die Erwägungen, die in dem wiederholt bezeichneten Aussetzungsbeschluß in BFHE 138, 379, BStBl II 1983, 517 gegen die Anwendung eines Durchschnittssteuersatzes geltend gemacht worden sind.
Wenn der Arbeitgeber - wie hier - bereit ist, die Lohnsteuerschulden seiner Arbeitnehmer endgültig zu tragen, besteht auch kein Rechtsschutzinteresse der Arbeitnehmer, einen gegen den Arbeitgeber gerichteten Lohnsteuerhaftungsbescheid anzufechten (grundsätzlich haben die Arbeitnehmer insoweit ein Anfechtungsrecht, vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 1973 VI R 311/69, BFHE 109, 502, BStBl II 1973, 780 ); denn in einem solchen Fall sind die Arbeitnehmer durch die Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht - auch nicht mittelbar - beschwert. Auch fehlt in einem Fall wie dem vorliegenden ein Bedürfnis für den Arbeitgeber, die Lohnsteuerschulden der einzelnen Arbeitnehmer kennenzulernen, weil er eindeutig erklärt hat, daß er die Arbeitnehmer mit diesen Schulden später nicht belasten möchte.
Bei dieser Gestaltung wäre es ein übertriebener Formalismus, vom FA die Ermittlung der individuellen Lohnsteuer der einzelnen Arbeitnehmer zu verlangen, was mit einem erheblichen Mehraufwand nicht nur für das FA, sondern gemäß § 200 AO 1977 insbesondere auch für die Klägerin verbunden gewesen wäre.
Es kommt hinzu, daß die Klägerin im vorliegenden Revisionsverfahren zweifelsfrei erklärt hat, sie sei mit einer pauschalen Ermittlung der Lohnsteuerschuld einverstanden gewesen. In einem solchen Fall kann die Steuerermittlung auch im Haftungsverfahren nach einem durchschnittlichen Steuersatz erfolgen.
Die Klägerin hat allerdings mit Schriftsatz vom 8. März 1984 auch dargelegt, daß sie die Lohnsteuer übernommen und eine Pauschalierung beantragt habe. Da das FG hierzu jedoch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, sind diese erstmals nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorgebrachten Tatsachen nach § 118 Abs. 2 FGO unbeachtlich. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob - wenn ein Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG eine Pauschalierung beantragt - das FA diesem Antrag entsprechen muß (so z. B. Felix, Betriebs-Berater - BB - 1974, 364; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 40 Anm. 2; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 40 EStG, grüne Blätter, Anm. I. 1.; a. A. aber Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 40 Anm. 27) oder ob es den Arbeitgeber gleichwohl mit Haftungsbescheid gemäß § 42 d EStG in Anspruch nehmen darf.
bb) Die Höhe des Steuersatzes ist im vorliegenden Fall nicht deshalb zweifelhaft, weil "Steuer auf Steuer" erhoben worden ist. Denn dies ist im Haftungsverfahren zulässig, sobald der Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht hat, daß er seine Arbeitnehmer mit der individuellen Lohnsteuer nicht belasten möchte (BFH-Urteil vom 24. April 1961 VI 219/60 U, BFHE 73, 45, BStBl III 1961, 285 ). Zum Zeitpunkt des Regreßverzichts wendet der Arbeitgeber den Arbeitnehmern einen Vorteil zu, indem er sie von ihrer Lohnsteuerschuld befreit. Auf diesen Vorteil ist seinerseits Lohnsteuer zu erheben.
cc) Aus den Ausführungen unter 2. b) aa) ergibt sich zwangsläufig, daß das FA im vorliegenden Verfahren auch nicht die einzelnen Arbeitnehmer - selbst wenn dies im Haftungsverfahren grundsätzlich erforderlich wäre, was hier keiner abschließenden Entscheidung bedarf - benennen mußte. Eine solche Angabe hätte hier keinen Sinn. Denn die Klägerin bedurfte dieser Angaben nur für den Fall, daß sie bei den Arbeitnehmern Regreß nehmen wollte, was jedoch, wie dargelegt, nicht der Fall ist. Die Angabe der einzelnen Arbeitnehmer ist im Streitfall auch nicht mit Rücksicht auf ein Anfechtungsrecht seitens der Arbeitnehmer erforderlich. Denn ein solches Recht ist im Streitfall nicht gegeben (vgl. vorstehend 2. b) aa). Im übrigen wäre die Angabe der einzelnen Arbeitnehmer allenfalls noch dafür erforderlich, um die Höhe des Nachforderungsbetrags nachzuprüfen. Da die Klägerin gegen die Höhe der Steuerschuld und damit der Haftungsschuld jedoch keine Einwendungen erhoben hat, entfällt auch insoweit ein Bedürfnis für die Angabe der einzelnen Arbeitnehmer im vorliegenden Haftungsverfahren.
dd) Schließlich ist der angefochtene Bescheid auch nicht deshalb fehlerhaft, weil das FA seine Ermessenserwägungen, weshalb es die Klägerin und nicht die Arbeitnehmer in Anspruch nimmt, im Haftungsbescheid nicht angegeben hat. Allerdings muß das FA nach dem Urteil des Senats vom 18. September 1981 VI R 44/77 (BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801 ) diese Ermessenserwägungen kundtun, damit die FG überprüfen können, ob das FA in ermessensfehlerfreier Weise den Arbeitgeber im Haftungswege in Anspruch genommen hat. Dafür besteht im vorliegenden Verfahren indessen ausnahmsweise kein Anlaß. Denn die Klägerin hat nicht nur erklärt, daß die Berechnungsmethode der strittigen Lohnsteuer nie in Frage gestellt gewesen sei. Sie hat darüber hinaus dargelegt, daß eine Weiterbelastung der strittigen Lohnsteuer an die Arbeitnehmer nie zur Diskussion gestanden habe. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, daß sich das FA, falls für die Jubiläumszuwendungen überhaupt eine Steuerschuld entstehen sollte, nicht an die einzelnen Arbeitnehmer, sondern an sie, die Klägerin, wenden solle. Folglich war es offenkundig, daß die Klägerin als Arbeitgeberin in ermessensfehlerfreier Weise für die Lohnsteuerschulden der Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden durfte. Einer Darlegung von Ermessenserwägungen im Haftungsbescheid bedurfte es deshalb nicht mehr (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977).
Fundstellen
BStBl II 1985, 170 |
BFHE 1985, 494 |