Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfuhrumsatzsteuer für Kunstgegenstände und Sammlungsstücke; Einholung von Sachverständigengutachten
Leitsatz (NV)
1. Sammlungsstücke i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und Anlage Nr. 47 UStG sind u. a. solche von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert. Von geschichtlichem Wert sind allein solche, die nicht mehr ,,nur" Kunstgegenstände sind, sondern Gegenstände von (kunst-)historisch-wissenschaftlichem Interesse. Maßgebend ist, ob der Gegenstand einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung menschlicher Errungenschaften dokumentiert oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulicht. Die Vergleichbarkeit mit Museumsexponaten genügt nicht.
2. Die Heranziehung von Sachverständigen steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Der Sachverständige ist ein Beweismittel und vermittelt dem Gericht im wesentlichen die allgemeinen Erfahrungssätze aus seinem Fachgebiet. Ihm darf die Prüfung von Rechtsfragen nicht übertragen werden.
Normenkette
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1, 1 Anl. Nr. 47; GZT Tarifnr. 99.05, 99.06; FGO § 76 Abs. 1, § 82
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Sammler. Er erwarb in Schweden, Dänemark und den Niederlanden u. a. folgende Gegenstände:
1. Tischuhr aus Paris, um 1810
2. 2 Kandelaber, Empire,
3. Service, Meißen,
4. Madonna von Hans Memling (Gemälde),
5. dänische Rokoko-Kommode,
6. George III. Huilier (Gewürzständer) aus Silber,
7. schwedisches Schreibzeug aus Silber,
8. Empire-Tischuhr,
9. Empire-Lüsterkrone,
10. Mahagoni-Konsol-Tisch,
11. Harfe,
12. Pianola,
13. Holzsessel,
14. Kronleuchter aus Glas,
15. 69 Stück Eßbesteck aus Silber.
Mit den Bescheiden . . . in den Fassungen der Einspruchsentscheidungen . . . wiesen die Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollämter - HZA -) den Kronleuchter (Nr. 14) der Tarifst. 70.14 B und die übrigen Waren der Tarifnr. 99.06 (,,Antiquitäten, mehr als 100 Jahre alt") des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu und erhoben für alle Waren 13 bzw. 14 % Einfuhrumsatzsteuer sowie für den Kronleuchter Zoll.
Mit seinen Klagen begehrte der Kläger die Tarifierung aller Waren nach der Tarifnr. 99.05 GZT (,, . . . Sammlungsstücke . . . von geschichtlichem . . . Wert"), die Anwendung des ermäßigten Einfuhrumsatzsteuersatzes nach Nr. 47 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 und den Verzicht auf den Zoll. Die Klagen hatten Erfolg hinsichtlich des Gemäldes (Nr. 4), das nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) zur Tarifnr. 99.01 GZT (,,Gemälde . . . ") gehörte und dem ermäßigten Einfuhrumsatzsteuersatz unterlag, sowie in bezug auf den Zoll und die anteilige Einfuhrumsatzsteuer für den Kronleuchter (Nr. 14), den das FG als zur Tarifnr. 99.06 GZT gehörig betrachtete. Im übrigen wies das FG mit vier Urteilen die Klagen ab. Zur Begründung führte es (im wesentlichen gleichlautend) u. a. aus:
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 12 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 47 der Anlage UStG 1980 i. V. m. der Tarifnr. 99.05 GZT unterlägen Sammlungsstücke von geschichtlichem Wert dem halben Umsatzsteuersatz. Von geschichtlichem Wert i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT seien Sammlungsstücke, die entweder einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften in allen Bereichen dokumentierten oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulichten (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 10. Oktober 1985 Rs. 200/84 und Rs. 252/84, EuGHE 1985, 3377, 3382 ff. und 3388, 3392 ff.). Das jeweils betroffene Gebiet der Errungenschaften dürfe nicht zu sehr eingeengt werden, da andernfalls jegliche Weiterentwicklung zum charakteristischen Schritt werde. Ein Entwicklungsschritt liege nur vor, wenn etwas wirklich Neues geschaffen werde; die bloße Variation des Bisherigen genüge nicht. Bei Serienprodukten betreffe die Frage der wirklichen Neuheit alle Stücke des ersten Modells. Ein ganzer Entwicklungsabschnitt werde nur durch ein solches Stück veranschaulicht, das die bestimmenden Merkmale dieses Abschnitts besonders ausgeprägt aufweise, also z. B. besonders kunstfertig gearbeitet oder von höchstem Entwicklungsstand usw. sei. Im Sprachsinne veranschauliche zwar jeder einer bestimmten Epoche zuzuschreibende Gegenstand diese Epoche. Der EuGH habe jedoch das Merkmal der Veranschaulichung eines Entwicklungsabschnitts erkennbar als ein Abgrenzungsmerkmal entwickelt zur Unterscheidung derjenigen Sammlungsstücke, die von geschichtlichem Wert seien, von denen, denen dieser Wert fehle. Die Funktion eines Abgrenzungsmerkmals könne der Begriff der Veranschaulichung eines Entwicklungsabschnittes nur erfüllen, wenn er im engen Sinn verstanden werde. Diese Grundsätze gälten auch für die Umsatzsteuer.
Bei Anwendung dieser Grundsätze hätten die Klagen für das Gemälde von Hans Memling (Tarifnr. 99.01 GZT, ermäßigter Einfuhrumsatzsteuersatz) und den Kronleuchter (Tarifnr. 99.06 GZT, kein Zoll und keine anteilige Einfuhrumsatzsteuer, im übrigen normaler Einfuhrumsatzsteuersatz) Erfolg. Im übrigen seien sie unbegründet.
Bei dem Besuch der Sachverständigen im Hause des Klägers zur Besichtigung der eingeführten Gegenstände habe der Kläger die Rokoko-Kommode (Nr. 5), die Empire-Lüsterkrone (Nr. 9) und das Pianola (Nr. 12) nicht zur Begutachtung vorführen können. Der Kläger trage die objektive Beweislast. Er könne daher bezüglich dieser Waren mit seinem Klagebegehren keinen Erfolg haben.
Bezüglich der Waren Nrn. 1, 8 und 11 habe der Sachverständige X zunächst ausgeführt, es handle sich jeweils um Sammlungsstücke i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT. Nachdem das FG ihn auf die bei der Begutachtung zu berücksichtigenden Maßstäbe aufmerksam gemacht habe, habe er mitgeteilt, es bestehe offenbar ein erheblicher Gegensatz zwischen Justiz und Kunsthistorikern in der Beurteilung dessen, was sammelwürdig und von geschichtlichem Wert sei; bei Berücksichtigung der vom Gericht dargelegten Grundsätze müsse die Begutachtung zwangsläufig anders ausfallen.
Ähnlich habe sich die Sachverständige Y zu den Waren Nrn. 2, 3, 6, 7 und 15 geäußert. Vom Gericht auf die zu beachtenden Maßstäbe hingewiesen, habe sie mitgeteilt, bei allen von ihr begutachteten Stücken handle es sich um kunsthandwerkliche Gegenstände, die schon durch die Art ihrer Herstellungstechnik reproduzierbar und somit Serienprodukte seien; bei keinem der Stücke handle es sich um ein ,,erstes Modell", das offenbar allein darauf Anspruch erheben dürfe, als Sammlungsstück i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT anerkannt zu werden.
Die Waren Nrn. 10, 13 und 14 habe der Sachverständige Z zunächst als Sammlungsstücke von geschichtlichem Wert eingestuft. Nach dem Hinweis des FG auf die Auslegung dieser Begriffe habe er ergänzend mitgeteilt, die Frage, ob die genannten Kriterien bei der Ware Nr. 10 erfüllt seien, sei nicht leicht zu entscheiden, und er sehe davon ab, ,,die noch offene Frage" zu beantworten; die Waren Nrn. 13 und 14 genügten den gestellten Anforderungen nicht.
Auf die Gutachten des Sachverständigen A könne sich der Kläger nicht berufen. Die Gutachten seien vor Ergehen der zitierten EuGH-Urteile erstellt worden. In ihnen seien deshalb die zu beachtenden Maßstäbe noch nicht berücksichtigt worden.
Seine Revision begründet der Kläger wie folgt:
Das FG habe § 105 Abs. 2 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt. Es treffe keine eigene Entscheidung, ob die Gegenstände von geschichtlichem Wert seien oder nicht. Die eigentliche Subsumtion hätten jeweils die Sachverständigen vorgenommen. Zur Gewinnung eines Auslegungsmaßstabs brauche das Gericht jedoch Sachverständige nicht hinzuzuziehen, da die Gesetzesauslegung eine Aufgabe der Gerichte sei. Außerdem lasse die Vorentscheidung nicht erkennen, ob das FG nicht nur den geschichtlichen Wert, sondern etwa bereits die Eigenschaft als Sammlungsstück verneint habe.
Das FG habe § 76 Abs. 1 FGO verletzt, indem es die angebotenen Beweise durch Vorlage der Sachverständigengutachten A deswegen abgelehnt habe, weil die Gutachten vor Ergehen der zitierten EuGH-Urteile erstellt worden seien. Durch Vorlage der Gutachten des Sachverständigen A habe er, der Kläger, den Nachweis angetreten, daß die von diesem begutachteten Gegenstände die Voraussetzungen der Tarifnr. 99.05 GZT erfüllten. Diese Gutachten hätten bei Urteilsfindung berücksichtigt werden müssen.
Das FG habe den unbestimmten Rechtsbegriff ,,geschichtlicher Wert" zu eng ausgelegt. Wenn in bezug auf Einzelstücke verlangt werde, daß etwas wirklich Neues geschaffen sein müsse, bedeute dies, daß nur ein Kunstwerk von noch nie dagewesener Art den Anforderungen genügen würde. Danach wären fast alle der heute noch vorhandenen antiken Kunstwerke nicht von geschichtlichem Wert. Unzutreffend sei auch die Abgrenzung, die das FG zwischen Einzelstücken und Serienfertigungen treffe. Wirkliche Einzelstücke seien äußerst selten. Die Mehrzahl der Museumsbestände seien Wiederholungsprodukte. Folge man der Auffassung des FG, so ergäben sich unlösbare Abgrenzungsschwierigkeiten. In keinem Fall könne wohl jeweils nur das erste hergestellte Automobil, das erste Hochrad, das erste Zweirad usw. gemeint sein. Durch den Begriff ,,geschichtlicher Wert" sei auch die Auffassung des FG nicht gedeckt, ein Entwicklungsabschnitt werde nur durch solche Gegenstände veranschaulicht, die die Charakteristika eines Entwicklungsabschnitts besonders ausgeprägt aufwiesen. Aus den EuGH-Urteilen ergebe sich kein Zwang zu einer restriktiven Auslegung. Aus ihnen lasse sich auch nicht entnehmen, daß nur besonders kunstfertig gearbeitete Gegenstände oder Gegenstände von höchstem Entwicklungsstand zur Veranschaulichung eines Entwicklungsabschnittes geeignet seien. Das Regulativ sei vielmehr bei der Seltenheit des Gegenstandes zu suchen.
Die Zielsetzung der Regelung der Tarifnr. 99.05 GZT sei von entscheidender Bedeutung. Sie bezwecke die Förderung des Verkehrs mit Gegenständen von kulturellem und erzieherischem Charakter zwischen den Völkern. Diese Zielsetzung sei jedoch nur dann erreichbar, wenn die Vorschrift nicht restriktiv angewandt und nicht auf kaum vorkommende Ausnahmefälle beschränkt werde. Das FG habe sich damit schon so weit von der fachwissenschaftlichen Beurteilung entfernt, daß die im Verfahren beigezogenen Gutachter alle zunächst den geschichtlichen Wert der Sammlungsstücke bejaht hätten und erst, nachdem sie über die Auffassung des FG belehrt worden seien, ihre eigene Auffassung geändert und den geschichtlichen Wert verneint hätten. Es frage sich, ob ein Gericht überhaupt Vorgaben für die Beurteilung des geschichtlichen Werts machen könne und ob diese Frage nicht völlig der Fachwissenschaft überlassen bleiben müsse.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind unbegründet.
1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch.
a) Die Vorentscheidungen sind mit Gründen versehen (vgl. § 119 Nr. 6 FGO). Daran fehlt es nicht deswegen, weil das FG zur Frage, ob die streitigen Gegenstände von geschichtlichem Wert sind, auf die Gutachten der Sachverständigen nach deren Belehrung durch das FG hingewiesen hat, ohne in allen angefochtenen Urteilen ausdrücklich zu betonen, daß es insoweit den Ausführungen der Sachverständigen folge. Den Vorentscheidungen ist zu entnehmen, von welcher Auslegung der Worte ,,von geschichtlichem Wert" i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT das FG ausgegangen ist (jeweils Abschn. I 1 der Entscheidungsgründe). Aus den folgenden Hinweisen des FG auf die Gutachten der Sachverständigen ergibt sich deutlich, daß sich das FG die Ausführungen der Sachverständigen zu eigen machen wollte, wonach bei Anlegung der vom Gericht für richtig gehaltenen Maßstäbe nicht davon ausgegangen werden könne, die eingeführten Gegenstände hätten geschichtlichen Wert. Damit steht fest, daß das FG eine eigene Entscheidung getroffen hat. Es hat seine Entscheidung auch ausreichend begründet. An einer solchen Begründung fehlt es nicht etwa deswegen, weil das FG nicht eindeutig entschieden hat, ob die streitbefangenen Gegenstände ,,Sammlungsstücke" i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT sind. Da den Gegenständen nach Auffassung des FG jedenfalls der geschichtliche Wert fehlte und sie schon deswegen nicht in die Tarifnr. 99.05 GZT einzuordnen waren, brauchte sich das FG nicht abschließend zur Frage zu äußern, ob der Begriff des Sammlungsstückes erfüllt war.
b) Dem FG ist kein Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Verwertung der Gutachten des Sachverständigen A unterlaufen. Das FG hat diese Gutachten nicht etwa völlig unberücksichtigt gelassen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Es ist ihnen lediglich mit der Begründung nicht gefolgt, ihnen läge eine unrichtige Auffassung von den durch die EuGH-Urteile erläuterten Begriffen der Tarifnr. 99.05 GZT zugrunde. Darin liegt kein Rechtsfehler, denn das Gericht ist nicht gehindert, den Ausführungen eines Sachverständigen nicht zu folgen, wenn es zur Überzeugung gelangt ist, dieser habe einen unrichtigen rechtlichen Maßstab angelegt.
Das FG hat auch nicht § 76 Abs. 1 FGO dadurch verletzt, daß es unterlassen hat, noch weitere Sachverständigengutachten einzuholen. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. z. B. Senatsurteil vom 6. Dezember 1988 VII R 43/86, BFH/NV 1989, 475, 476). Daß sich hier ausnahmsweise das Erfordernis eines weiteren Gutachtens aufdrängen mußte, hat die Revision nicht dargetan und trifft insbesondere in Anbetracht des Ergebnisses der übrigen Begutachtungen auch nicht zu. Überdies wäre es Sache des Klägers gewesen, die Einholung weiterer Gutachten zu beantragen, nachdem sich die Gutachten der Sachverständigen nicht auf die Waren Nrn. 5, 9 und 12 erstreckt hatten, weil der Kläger diese den Sachverständigen nicht hatte vorführen können. Daß der Kläger einen solchen Antrag in der Vorinstanz gestellt hat, hat die Revision nicht dargelegt (vgl. auch § 155 FGO i. V. m. § 295 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
2. Das FG hat auch ohne Rechtsfehler entschieden, daß die vom Kläger eingeführten Gegenstände nicht dem gekürzten Einfuhrumsatzsteuersatz unterliegen.
Der ermäßigte Steuersatz gilt ,,für Kunstgegenstände und Sammlungsstücke (Nr. 99.01 bis 99.03 und 99.05 des Zolltarifs)" (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und Anlage Nr. 47 des UStG 1980). Sammlungsstücke in diesem Sinne sind u. a. solche von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert (vgl. Tarifnr. 99.05 GZT). Dabei bestimmten sich die Begriffe ,,Sammlungsstück" und ,,geschichtlicher / völkerkundlicher Wert" nach den durch die Rechtsprechung des EuGH entwickelten Grundsätzen (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 5. April 1990 VII R 56/88, BFH/NV 1990, 745, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Diese hat das FG für nicht erfüllt erachtet. Seine Entscheidung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
a) Hinsichtlich der Waren Nrn. 5, 9 und 12 ist das FG davon ausgegangen, die Unerweislichkeit der Tatsache, ob diese von geschichtlichem Wert gewesen seien, habe der Kläger zu tragen, da er die Waren den Sachverständigen nicht vorgeführt habe. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Zollbeteiligte für jede einzelne eingeführte Ware darzulegen, welche Errungenschaften sich zu einem Abschnitt der Entwicklung zusammenfassen lassen, oder zu einem solchen Abschnitt gehören (vgl. Senatsurteil vom 23. Mai 1989 VII R 101/86, BFH/NV 1990, 67, 68). Der Nichtdarlegung dieser Fakten hat das FG zu Recht den Fall gleichgestellt, in dem es der Beteiligte zu vertreten hat, daß die Sachverständigen die betreffende Ware nicht begutachten konnten. Da der Kläger auch nicht eine erneute Begutachtung beantragt hat (vgl. oben Nr. 1 b), hat er die daraus erwachsenden Nachteile zu tragen. Das FG konnte also davon ausgehen, daß die Voraussetzungen der Tarifnr. 99.05 GZT in bezug auf diese Waren nicht erfüllt sind.
b) Die Auslegung der Tarifnr. 99.05 GZT durch das FG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie steht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des EuGH und der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 29. Oktober 1986 VII R 110/82, BFHE 148, 90; vom 20. Oktober 1987 VII K 16, 21-23/87, BFHE 151, 266; vom 29. November 1988 VII R 29/86, BFHE 155, 219; vom 23. Mai 1989 VII R 101/86, BFH/NV 1990, 67; vom 17. Oktober 1989 VII R 49/87, BFH/NV 1990, 407; vom 27. März 1990 VII R 122/86, BFH/NV 1990, 815). Danach ist zunächst davon auszugehen, daß nicht jeder Gegenstand, der als Sammlungsstück i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT anzusehen ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 151, 266), auch den Begriff ,,von geschichtlichem Wert" erfüllt. Der letztgenannte Begriff ist im weiten Sinn zu verstehen, d. h. er umfaßt die Entwicklung der Menschheit und die menschlichen Errungenschaften in allen Bereichen (BFHE 155, 219, 221). Von geschichtlichem Wert sind aber allein Stücke, die nicht mehr ,,nur" Kunstgegenstände sind, sondern Gegenstände von (kunst-)historisch-wissenschaftlichem Interesse (BFHE 155, 219, 221). Maßgebend ist, ob der Gegenstand einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung menschlicher Errungenschaften dokumentiert oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulicht (EuGHE 1985, 3363, 3383). Nicht jede Neu- oder Weiterentwicklung stellt notwendigerweise einen solchen charakteristischen Schritt oder Entwicklungsabschnitt dar (BFHE 148, 90, 94). Nicht jedes Kunstwerk von Rang erfüllt diese Voraussetzungen (BFHE 155, 219, 222). Das Stück muß exemplarische Bedeutung haben (BFH/NV 1990, 67, 68). Die Vergleichbarkeit mit Museumsexponaten genügt nicht; erforderlich ist die besondere Eignung zur Darstellung einstiger Sitten und Gebräuche (BFH/NV 1990, 407, 408).
Mit diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ist die Auffassung der Vorinstanz vereinbar, nicht jegliche Weiterentwicklung, jede bloße Variation könne als charakteristischer Entwicklungsschritt angesehen werden, das Stück müsse das Kennzeichnende eines Abschnitts besonders ausgeprägt aufweisen. Auch ist die Auffassung des FG rechtlich nicht zu beanstanden, daß auch Serienprodukte von geschichtlichem Wert sein können, sich als Dokumentation eines Entwicklungsschrittes aber grundsätzlich nur die Stücke des ersten Modells eignen. Diese Ausführungen des FG können nicht dahin verstanden werden, daß nicht ausnahmsweise auch Stücke weiterer Serien von geschichtlichem Wert sein können, wenn sich z. B. Stücke der Serie des ersten Modells nicht erhalten haben. Der Einwand des Klägers, bei dieser Auffassung wären fast alle heute noch vorhandenen Kunstwerke der Antike nicht von geschichtlichem Wert, ist schon deswegen nicht stichhaltig, weil diese Kunstwerke allenfalls in seltenen Ausnahmefällen Gegenstand einer Serienproduktion im heutigen Sinne waren. Soweit es sich um ,,Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst" (Tarifnr. 99.03 GZT) handelt, kommen sie überdies nach Anlage Nr. 47 UStG 1980 ohnehin in den Genuß des ermäßigten Einfuhrumsatzsteuersatzes.
Der Einwand des Klägers, je weniger Gegenstände zur Veranschaulichung eines Entwicklungsabschnittes zur Verfügung stünden, desto geringer könnten die Anforderungen an die Qualität sein, geht ins Leere, weil sich aus der Vorentscheidung nichts anderes ergibt. Das FG hat ausdrücklich nur darauf abgehoben, daß das zu bewertende Stück das Kennzeichnende des in Betracht kommenden Abschnitts besonders ausgeprägt aufweisen müsse. Darauf, daß dies z. B. gegeben sein könne bei besonders kunstfertiger Bearbeitung, hat das FG ausdrücklich nur beispielhaft hingewiesen.
Aus Sinn und Zweck der Regelung der Tarifnr. 99.05 GZT kann entgegen der Auffassung des Klägers nichts für die Notwendigkeit einer ausgedehnten Auslegung entnommen werden. Der EuGH hat in den beiden zitierten Urteilen ausdrücklich die Zielsetzung der genannten Tarifposition bei der Auslegung berücksichtigt, die er darin sah, daß diese Tarifnummer eine zollfreie Einfuhr gestattet und dadurch der freie Verkehr mit Gegenständen kulturellen und erzieherischen Charakters zwischen den Völkern gefördert werden solle (vgl. EuGHE 1985, 3382 und 3392). Dieser Zielsetzung kann nicht entnommen werden, daß z. B. die Abgrenzung zur Tarifnr. 99.06 GZT (,,Antiquitäten, mehr als 100 Jahre alt") nicht mehr von Bedeutung sein soll. Trotz der genannten Zielsetzung hat nämlich der Gesetzgeber des GZT z. B. an der Unterscheidung der Tarifnr. 99.05 und 99.06 festgehalten (vgl. Vorschrift 4 b zu Kapitel 99 GZT). Aus der genannten Zielsetzung ergibt sich schon deswegen nicht, daß grundsätzlich alle zur Aufnahme in Museen geeigneten Stücke als von geschichtlichem Wert eingestuft werden müssen, weil solche Sammlungsstücke unter bestimmten Voraussetzungen außertariflich abgabenfrei eingeführt werden dürfen (vgl. Art. 50 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 918/83, §§ 1 und 9 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung). Daß eine Auslegung der Tarifnr. 99.05 GZT ausscheidet, die sich (nur) an den normkonzipierenden Grundsätzen des Gesetzgebers des UStG 1980 orientiert, die für die Aufstellung des Katalogs der Anlage dieses Gesetzes maßgebend waren, hat der Senat in seinem Urteil vom 20. Februar 1990 VII R 172/84 (BFHE 160, 342, 343, BStBl II 1990, 760) entschieden.
Nicht stichhaltig ist auch das Argument des Klägers, die Vorentscheidung sei rechtlich fehlerhaft, weil die Fachwissenschaft den Begriff des Sammlungsstückes von geschichtlichem Wert grundsätzlich anders (und weiter) auslege, als dies der EuGH, der Senat und die Vorinstanz getan hätten. Die im vorliegenden Verfahren gehörten Sachverständigen gingen offenbar von der rechtlich unzutreffenden Auffassung aus, für die Zuordnung zur Tarifnr. 99.05 GZT genüge es, wenn ein Stück geeignet sei, in eine nach wissenschaftlichen Grundsätzen aufgebaute öffentliche Sammlung aufgenommen zu werden. Der Gesetzgeber des GZT war im übrigen nicht gehindert, die Abgrenzung der Tarifnr. 99.05 GZT von anderen Tarifpositionen abweichend von den Anschauungen der Mehrheit der Kunstsachverständigen festzulegen. Die Auslegung gesetzten Rechts ist Aufgabe der Gerichte; zur Gewinnung eines Auslegungsmaßstabs mußte das FG Sachverständige nicht hinzuziehen (BFHE 148, 90, 94). Der Sachverständige ist ein Beweismittel und vermittelt dem Gericht im wesentlichen die allgemeinen Erfahrungssätze aus seinem Fachgebiet; ihm darf die Prüfung von Rechtsfragen nicht übertragen werden (vgl. Baumbach / Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 48. Aufl., Übersicht vor § 402 Anm. 1 A).
c) Das FG hat, ausgehend von einer zutreffenden Auslegung der Tarifnr. 99.05 GZT, festgestellt, daß die noch streitbefangenen Waren nicht die Voraussetzungen erfüllen, die an ein Sammlungsstück von geschichtlichem Wert zu stellen sind. Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden, da in bezug auf sie begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO).
3. Der Senat ist zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nicht nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verpflichtet, da der EuGH die strittigen Fragen durch die zitierten Urteile bereits entschieden hat.
Fundstellen