Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Rechtshängigkeit der Streitsache
Leitsatz (NV)
Entscheidet das FG über eine Klage, die bei ihm mangels Erhebung nicht rechtshängig war, so liegt hierin eine in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigende Verletzung des § 66 FGO.
Normenkette
FGO §§ 64, 66, 107
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte die Revisionsklägerin und ihren Ehemann für die Streitjahre (1975 und 1976) zusammen zur Einkommensteuer und erfaßte hierbei die Gewinne aus der Veräußerung von Eigentumswohnungen als gewerbliche Einkünfte.
Nach erfolglosem Einspruch erhob lediglich der Ehemann Klage mit dem Antrag, die Gewinne aus den Wohnungsverkäufen mangels gewerblicher Tätigkeit einkommensteuerfrei zu belassen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Im Sitzungsprotokoll und im Rubrum des finanzgerichtlichen Urteils sind beide Ehegatten als Kläger bezeichnet, denen auch die Verfahrenskosten auferlegt wurden.
Mit der Revision rügt die Revisionsklägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Veräußerungsgewinne für steuerfrei zu erklären.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das gegenüber der Revisionsklägerin ergangene Urteil hat keine verfahrensrechtliche Grundlage, da diese keine Klage erhoben hat. Das FG hat insoweit über eine Klage entschieden, die bei ihm mangels Erhebung nicht rechtshängig war. Hierin liegt eine Verletzung des § 66 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die von Amts wegen zu berücksichtigen ist.
1. In der Klageschrift vom 20. Juli 1979 ist lediglich der Ehemann als Kläger aufgeführt. Auch in der Folgezeit ist die Revisionsklägerin nicht Verfahrensbeteiligte geworden. Zwar ist im Betreff der klägerischen Schriftsätze vom 21. August 1980 und 21. Oktober 1982 von der Klagesache der Eheleute die Rede. Hierin kann jedoch keine - nachträgliche - Klageerhebung der Revisionsklägerin im Sinne des § 64 FGO gesehen werden.
2. Entgegen der Auffassung des FA enthält das angefochtene Urteil keinen Schreibfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit, die nach § 107 FGO auch noch im Revisionsverfahren berichtigt werden könnten (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. Juli 1981 VIII R 128/76, BFHE 134, 119, BStBl II 1982, 36).
Ein Schreibfehler im Rubrum scheidet schon deshalb aus, weil das FG ausweislich der Ladung und der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung über die Klage der Eheleute entschieden und folgerichtig die Verfahrenskosten beiden Ehegatten auferlegt hat.
Auch von einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit, die lediglich Erklärungsmängel betrifft, die mit dem Erklärungswillen des Gerichts erkennbar in Widerspruch stehen, kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Zwar spricht das Gericht in den Urteilsgründen lediglich von dem Kläger. Die Fassung der Urteilsgründe ist jedoch wesentlich von dem Umstand bestimmt, daß das FG eine gewerbliche Tätigkeit nur beim Ehemann angenommen hat. Bei dieser Sachlage ist nicht auszuschließen, daß dem FG ein Fehler unterlaufen ist, der auf rechtsirriger Willensbildung beruht und die Anwendung des § 107 FGO damit ausschließt (vgl. von Wallis / List in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 107 FGO Anm. 2).
Fundstellen
Haufe-Index 414783 |
BFH/NV 1988, 32 |