Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer. Entgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils als steuerfreie Erbauseinandersetzung
Leitsatz (redaktionell)
Der Erbfall und die Erbauseinandersetzung über ein zum Nachlaß gehörendes gewerbliches Unternehmen sind als private Vorgänge zu werten. Die entgeltliche Übertragung des Erbteils an einen anderen Miterben fuhrt deshalb bei dem weichenden Erben zu keinem Veräußerungsgewinn, es sei denn, der veräußernde Miterbe hat in der Zeit zwischen dem Erbfall und der Erbauseinandersetzung in eigener Person die Tatbestandsmerkmale einer Mitunternehmerschaft erfüllt.
Die Mitunternehmereigenschaft wird nicht allein dadurch erreicht, daß das weitere Vorgehen des Miterben nach dem Erbfall zunächst offen bleibt.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit dem Erlös aus dem Verkauf eines Erbteils einkommensteuerpflichtig ist.
Die Klägerin war zusammen mit ihrer inzwischen verstorbenen und von ihr allein beerbten Schwester Miterbin zu je 1/2 nach ihrer am 5. Januar 1964 verstorbenen Mutter. Zum Nachlaß gehörte ein Gewerbebetrieb, der nach dem Tod der Mutter unter der alleinigen geschäftlichen Leitung der Schwester fortgeführt wurde. Die Klägerin hatte auf die laufenden Geschäfte keinen Einfluß. Sie versuchte, mit ihrer Schwester eine Erbauseinandersetzung zu vereinbaren. Im Zusammenhang damit stellte sie im Juni 1966 einen später nicht realisierten Antrag auf Zwangsversteigerung des Betriebsgrundstücks. Schließlich verkaufte sie mit notariellem Vertrag vom 2. Januar 1969 ihren hälftigen Erbteil für … DM an die Schwester.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) sah entsprechend den von der Schwester eingereichten Steuererklärungen die Klägerin als Mitunternehmerin des Gewerbebetriebs an und erließ im Laufe der Jahre 1969 und 1970 einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellungsbescheide für 1964 bis 1968. Im Bescheid für 1969 vom 15. November 1971 beurteilte das FA die Veräußerung des Erbteils der Klägerin als steuerpflichtigen Vorgang und ermittelte nach Abzug eines Kapitalkontos daraus einen Gewinn von … DM.
Der hiergegen erhobene Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es sah die Klägerin nicht als Mitunternehmerin des Gewerbebetriebs an und behandelte den Verkauf des Erbteils als privaten Vorgang.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und unterlassene Sachaufklärung.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Veräußerung des hälftigen Erbteils der Klägerin nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung unterliegt.
Der Erbfall und die Erbauseinandersetzung über ein zum Nachlaß gehörendes gewerbliches Unternehmen sind als private Vorgänge zu werten. Die entgeltliche Übertragung des Erbteils an einen anderen Miterben führt deshalb bei dem weichenden Erben zu keinem Veräußerungsgewinn, es sei denn, der veräußernde Miterbe hat in der Zeit zwischen dem Erbfall und der Erbauseinandersetzung in eigener Person die Tatbestandsmerkmale einer Mitunternehmerschaft erfüllt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 19. Mai 1983 IV R 138/79, BFHE 138, 248, BStBl II 1983, 380).
Das FG hat angenommen, daß sich die Klägerin in dem genannten Zeitraum nicht wie eine Mitunternehmerin verhalten habe. Dabei war für die Vorinstanz u.a. bedeutsam, daß die Klägerin auf die Leitung des Betriebs keinen Einfluß gehabt hatte. Allein im tatsächlichen Fortbestehen der ungeteilten Erbengemeinschaft über einen längeren Zeitraum sah das FG noch keinen Grund, die Mitunternehmereigenschaft der Klägerin zu bejahen. In diesem Zusammenhang hat das FG hervorgehoben, daß der Klägerin jedenfalls bis Anfang 1965 eine Überlegungsfrist zugestanden habe. Spätestens von diesem Zeitpunkt an habe die Klägerin ihren Anspruch auf eine Auseinandersetzung der Gemeinschaft verfolgt, letztlich allerdings unter Verzicht auf eine gerichtliche Hilfe. Von dem Inhalt der von ihrer Schwester abgegebenen Steuererklärungen und der sich danach ergebenden Beurteilung der Erben als Mitunternehmer habe die Klägerin erst nach der Veräußerung ihres Erbteils erfahren. Diese Ausführungen des FG sind in tatsächlicher Hinsicht für den Senat bindend und in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Die dagegen erhobenen Einwände des FA greifen nicht durch. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung geht fehl. Das FG konnte den Zeitpunkt, an dem spätestens eine Auseinandersetzung der Gemeinschaft begehrt worden war, den beigezogenen Zwangsversteigerungsakten mit dem damaligen Vorbringen der Klägerin entnehmen. Warum die Klägerin –wie das FA meint– nochmals dazu befragt werden sollte, ist nicht ersichtlich. Zu Unrecht beruft sich das FA auf das BFH-Urteil vom 9. August 1973 IV R 133/68 (BFHE 110, 509, BStBl II 1974, 84). In dieser Entscheidung wurde zwar eine Mitunternehmerschaft für den Fall angenommen, daß sich Miterben längere Zeit über einen zum Nachlaß gehörenden Betrieb nicht auseinandersetzen und dabei am Gewinn des Unternehmens teilnehmen. Dem Urteil lag aber ein Sachverhalt zugrunde, bei dem die Miterben den Betrieb zunächst gemeinsam fortgeführt hatten. Im Streitfall liegen die Verhältnisse anders. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des FG zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen, daß sie das Unternehmen zusammen mit ihrer Schwester fortsetzen wollte. Wenn sie die Auseinandersetzung nicht unmittelbar nach dem Erbfall (5. Januar 1964), sondern erst zu Beginn des Jahres 1965 beansprucht hat, so ist dies entgegen der Meinung des FA unschädlich. Denn ein Miterbe wird nicht allein dadurch zum Mitunternehmer eines zum Nachlaß gehörenden Betriebs, daß zunächst sein weiteres Vorgehen offenbleibt (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 1976 IV R 115/75, BFHE 121, 39, BStBl II 1977, 209). In der Folgezeit hat die Klägerin jedenfalls deutlich gemacht, daß sie lediglich an einer Auszahlung ihres Erbteils interessiert war. Sie hat auch das Angebot der Schwester, mit ihr eine Gesellschaft zu gründen, ausdrücklich abgelehnt. Daß sie ihren Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erst nach Ablauf einer längeren Zeitspanne durchgesetzt hat, läßt im Streitfall keinen Schluß auf eine Teilhabe an dem von ihrer Schwester geführten Betrieb zu. Denn für diese Verzögerung war im wesentlichen, wie das FG ausgeführt hat, das Verhalten der Schwester ursächlich. Die Klägerin hat auch im Verfahren vor dem FG unwidersprochen vorgetragen, sie habe nach dem Erbfall weder am Gewinn des Unternehmens teilgenommen noch habe sie sich um die Angelegenheiten des Geschäfts irgendwie gekümmert. Die von ihr geforderte Erbauseinandersetzung sei lediglich wegen der „renitenten” Haltung der Schwester hinausgeschoben worden, mit der sie zerstritten gewesen sei.
Fundstellen