Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung eines häuslichen Büros an den Arbeitgeber; Begründungsdefizit als Rechtsfehler
Leitsatz (NV)
1. Leistet der Arbeitgeber Zahlungen für ein in der Wohnung des Arbeitgebers gelegenes Büro, das der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner Arbeitsleistung nutzt, so ist die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung danach vorzunehmen, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Büros erfolgt (Anschluss an BFH-Urteil vom 11. Januar 2001 IX R 72/01, BFH/NV 2005, 883).
2. Der in einem FG-Urteil zur Begründung enthaltene bloße Hinweis auf ein BFH-Urteil, verbunden mit der Feststellung, dass die dort entwickelten Grundsätze im Streitfall "uneingeschränkt erfüllt" seien, ist keine juristisch nachvollziehbare Subsumtion und bildet einen Rechtsfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1, § 21 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Ingenieurbüro mit zehn Arbeitnehmern. Sie schloss mit ihrem Geschäftsführer und dessen Ehefrau am 14. Mai 1998 einen Mietvertrag über zwei Büroräume ab, die sich in dem Wohnhaus ihres Geschäftsführers und seiner Ehefrau befinden. Diese Räume sind gegenüber der Hauptwohnung nicht abgeschlossen. Aufgrund einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung (für den Zeitraum 1. Dezember 1995 bis 31. März 2000) erfasste der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die an den Geschäftsführer der Klägerin gezahlte Miete als Arbeitslohn und erließ gegenüber der Klägerin einen Haftungsbescheid, mit dem er die Lohnsteuer nachforderte. Das FA vertrat die Auffassung, ein vergleichbares Mietverhältnis wäre mit fremden Dritten nicht abgeschlossen worden. Es sei aufgrund verschiedener Klauseln im Vertrag (z.B. Übernahme der Instandhaltungskosten durch den Vermieter, vierteljährliche Mietzahlung, Nebenkosten etc.) unüblich, so dass eine Lohnzahlung vorliege. Dabei komme es auf § 21 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht an, da diese Vorschrift erst eingreife, wenn ein steuerrechtlich anzuerkennendes Mietverhältnis vorliege.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es hob den Haftungsbescheid auf, weil die in den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Oktober 2001 VI R 131/00 (BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300) und vom 7. Juni 2002 VI R 145/99 (BFHE 199, 322, BStBl II 2002, 829) entwickelten Grundsätze für die Anerkennung von Mietverträgen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer "uneingeschränkt erfüllt seien". Die vom FA hiergegen vorgebrachten Argumente berücksichtigten "nicht die Rechtsentwicklung durch diese neuere Rechtsprechung des BFH".
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf die Verletzung des § 19 Abs. 1 EStG und des § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) stützt. Die Anmietung des Arbeitszimmers im Einfamilienhaus des Gesellschafter-Geschäftsführers und seiner Ehefrau bilde Arbeitslohn der Eheleute, da die Nutzung der Räume nicht vorrangig den Interessen des Arbeitgebers gedient habe.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Ihrer Auffassung nach habe die Anmietung der Räume dem ganz überwiegenden betrieblichen Interessen der Klägerin gedient.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um zu entscheiden, ob die Klägerin durch die Anmietung der beiden Büroräume Arbeitslohn zugewandt hat.
1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, bei denen nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 38a EStG die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben wird (Lohnsteuer) gehören Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Ein Vorteil wird dann "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst ist. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Vorteile aufgrund einer anderen, neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung --etwa aufgrund eines Mietverhältnisses-- zuwendet (BFH-Urteile in BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300; in BFHE 199, 322, BStBl II 2002, 829, und vom 16. September 2004 VI R 25/02, BFH/NV 2005, 279).
Leistet der Arbeitgeber Zahlungen für ein im Haus oder in der Wohnung des Arbeitnehmers gelegenes Büro, das der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner Arbeitsleistung nutzt, so ist die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung danach vorzunehmen, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Büros erfolgt. Dient sie in erster Linie den Interessen des Arbeitnehmers, weil er im Betrieb des Arbeitgebers über einen weiteren Arbeitsplatz verfügt und die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers vom Arbeitgeber lediglich gestattet oder geduldet wird, so sind die Zahlungen als Arbeitslohn zu erfassen. Wird der betreffende Raum jedoch vor allem im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers genutzt und geht dieses Interesse --objektiv nachvollziehbar-- über die Entlohnung des Arbeitnehmers und über die Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung hinaus, so ist anzunehmen, dass die betreffenden Zahlungen auf einer neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung beruhen (BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 279, und vom 11. Januar 2005 IX R 72/01, BFH/NV 2005, 882).
2. Das FG hat diese Maßstäbe für die steuerrechtliche Anerkennung eines Mietverhältnisses nicht beachtet. Es hat die offenkundigen Unterschiede des Streitfalls zu dem von ihm zugrunde gelegten BFH-Urteil in BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300 nicht berücksichtigt und schon die in diesem Urteil entwickelten Voraussetzungen für die Anerkennung eines Mietverhältnisses, z.B. das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers (hier der Klägerin) ignoriert. Der bloße Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300 verbunden mit der Feststellung, dass die dort entwickelten Grundsätze im Streitfall "uneingeschränkt erfüllt" seien, ist keine juristisch nachvollziehbare Subsumtion. Dies ist ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Es fehlen jegliche Feststellungen des FG dazu, ob die Zahlung der Klägerin durch das mit dem Geschäftsführer und seiner Ehefrau bestehende Mietverhältnis oder durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst war. Hierzu wird das FG herausarbeiten müssen, in welchem Interesse die Klägerin die Büroräume angemietet hatte. Es wird die jeweilige Argumentation der Beteiligten (z.B. der Datev-Anschluss in den angemieteten Büroräumen oder die Möglichkeit der Kinderbetreuung durch die Ehefrau des Geschäftsführers) zu beachten und zu würdigen, nicht aber --wie es ausführte-- "außer Ansatz zu lassen" haben. Das FG wird in einer neuen Verhandlung und Entscheidung diese Feststellungen nachholen und gegebenenfalls die Interessen gegeneinander abwägen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 1445696 |
BFH/NV 2005, 2180 |
NWB 2006, 1692 |