Leitsatz (amtlich)

Eine Wohnung im Sockelgeschoß (Untergeschoß) eines Eigenheims mit Hanglage kann eine Einliegerwohnung sein mit der Folge, daß das Grundstück als Mietwohngrundstück zu behandeln ist. Die Lage im Haus spricht jedenfalls bei einer Sockelgeschoßwohnung nicht dafür, daß diese Wohnung für das Hauspersonal bestimmt ist.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 52; BewDV i.d.F. vor BewG 1965 § 32 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Die Klägerin erbaute auf ihrem 935 qm großen Grundstück im Jahre 1963 ein Wohngebäude mit einer Grundfläche von 143 qm. Das Gebäude besteht aus einem sogenannten Sockelgeschoß, einem Erdgeschoß und einem ausgebauten Dachgeschoß. Die Besonderheit des Sockelgeschosses liegt darin, daß das Kellergeschoß, begünstigt durch die Hanglage des Grundstücks, nach der Gartenseite als Vollgeschoß aus dem Boden herausragt und deshalb nach dieser Seite als Wohnung ausgebaut werden konnte, während die Kellerräume zur Hangseite liegen. Der Eingang des Hauses von der Straßenseite führt deshalb unmittelbar in das Erdgeschoß. Vom Erdgeschoß führt eine Treppe zur Sockelgeschoßwohnung hinunter; von dem vor dieser Wohnung liegenden Vorraum sind auch die Kellerräume des Hauses zu erreichen.

Die Klägerin bewohnt mit ihrem Ehemann das Erdgeschoß und das Dachgeschoß des Hauses mit einer Wohnfläche von rund 124 qm. In dem Sockelgeschoß mit einer Wohnfläche von 57 qm wohnte am 1. Januar 1964 die Mutter der Klägerin.

Das FA (Beklagter) führte infolge der Bebauung des Grundstücks zum 1. Januar 1964 eine Art- und Wertfortschreibung durch; es stellte die Grundstückshauptgruppe "Mietwohngrundstücke" fest.

Der Einspruch mit dem Ziel, das Grundstück als Einfamilienhaus zu bewerten, blieb ohne Erfolg.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Es hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen.

Das FG stellte fest, die beiden Wohnungen seien unterschiedlich ausgestattet. Während die Wohnung im Sockelgeschoß lackierte Türen, Kunststoffböden und einfach verglaste Fenster habe, seien die Wohnräume im Erdgeschoß zum größten Teil mit Parkettböden versehen, hätten Naturholztür- und Fensterrahmen und Isolierverglasung. In den Abmessungen seien die übereinander liegenden Räume der beiden Wohnungen dagegen in etwa gleich. Die Sockelgeschoßwohnung habe auch die gleichgroßen Fenster nach der Gartenseite wie die Hauptwohnung. Die bauliche Verbindung zwischen der Sockelgeschoßwohnung und der darüber liegenden Hauptwohnung sei dadurch hergestellt, daß von dem unmittelbar hinter der Hauseingangstür im Erdgeschoß liegenden Windfang mit einer Fläche von 2,80 qm eine Treppe in den Vorraum der Wohnung im Untergeschoß führe. Der Windfang im Erdgeschoß sei zur Hauptwohnung durch eine weitere Türe abgeschlossen.

Die Revision der Klägerin rügt unrichtige Anwendung bewertungsrechtlicher Vorschriften. Das FG habe den Begriff der Wohnung für Hauspersonal verkannt. Eine Wohnung, die Wand an Wand mit Kellerräumen liege, sei eine typische Personalwohnung. Bei Hanggrundstücken biete es sich an, den Teil des Kellergeschosses, der aus dem Boden herausrage, als Personalwohnung auszubauen. Wegen der Ausstattung der Personalwohnung müsse die Entwicklung der Verhältnisse berücksichtigt werden. Um Personal überhaupt noch erhalten zu können, sei es notwendig, die dafür vorgesehenen Wohnungen besser und größer auszugestalten als früher. Außerdem sei, falls ein Zweifel nach der baulichen Anlage möglich sei, die tatsächliche Nutzung der Wohnung maßgebend. Dabei genüge es, wenn der Inhaber der Personalwohnung nur eine Wächterfunktion ausübe. Auch könne es nicht darauf ankommen, ob der Inhaber der Personalwohnung in einem formal-juristischen Dienstverhältnis zum Hauseigentümer stehe.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und zu entscheiden, daß es sich bei ihrem Grundstück um ein Einfamilienhaus handelt, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

1. Das Wohngebäude der Klägerin umfaßt eine Hauptwohnung und eine weitere Wohnung, die gegenüber der Hauptwohnung von untergeordneter Bedeutung ist. Das Zweite Wohnungsbaugesetz in der Fassung vom 1. September 1965 - II. WoBauG - (BGBl I 1965, 1618) bezeichnet eine derartige Nebenwohnung als Einliegerwohnung (§ 11 des II. WoBauG). Der Senat hat mit Urteil III 17/54 S vom 19. November 1954 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 60 S. 7 - BFH 60, 7 -, BStBl III 1955, 4) entschieden, daß ein Eigenheim mit Einliegerwohnung bewertungsrechtlich in die Grundstückshauptgruppe der Mietwohngrundstücke einzuordnen sei. Diese Entscheidung betraf ein Haus, in dem sich die Einliegerwohnung im Obergeschoß befand und nicht für das Hauspersonal bestimmt war.

2. Der Senat ist der Auffassung, daß es sich auch bei dem Grundstück der Klägerin um ein Eigenheim mit einer Einliegerwohnung handelt, die nicht für das Hauspersonal bestimmt ist.

a) Nach § 52 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) und § 32 Abs. 1 Nr. 4 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewDV) gelten als Einfamilienhäuser solche Wohngrundstücke, die nach ihrer baulichen Gestaltung nicht mehr als eine Wohnung enthalten. Ist in dem Wohngebäude eine zweite Wohnung vorhanden, so steht dies der Einordnung des Grundstücks in die Grundstückshauptgruppe der Einfamilienhäuser nicht entgegen, wenn diese zweite Wohnung für das Hauspersonal bestimmt ist. Die Entscheidung, welche Zweckbestimmung eine Wohnung hat, ist nicht nach der inneren Willensbildung des Hauseigentümers zu treffen, sondern danach, wie dieser Wille bei dem Bau sichtbar wurde. Dabei ist die Verkehrsanschauung zu berücksichtigen (vgl. § 1 Abs. 2 StAnpG und Entscheidung des BFH III R 65/68 vom 27. Mai 1970, BFH 99, 493, BStBl II 1970, 678). Die Bestimmung einer Wohnung für das Hauspersonal ergibt sich danach u. a. aus ihrer Lage im Haus sowie aus ihrer Größe und Ausstattung im Vergleich zur Hauptwohnung. Insbesondere können Wohnungen, die im Untergeschoß und im räumlichen Zusammenhang mit Kellerräumen liegen, als Wohnungen für das Hauspersonal in Betracht kommen (vgl. Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 52 BewG Anm. 6). Die Lage im Kellergeschoß deutet jedoch dann nicht auf eine Wohnung für Hauspersonal hin, wenn die dort befindlichen Wohnräume, begünstigt durch die Hanglage des Grundstücks, in voller Höhe über die Erdoberfläche herausragen und sich deshalb von Wohnräumen in einem im vollen Umfang über der Erdoberfläche liegenden Geschoß nicht unterscheiden. Bei einer derartigen Wohnung handelt es sich in der Regel objektiv um eine Einliegerwohnung im Untergeschoß. Eine andere Beurteilung könnte nur in Betracht kommen, wenn die Größe und die Anlage der Grundstücksfläche sowie der Umfang und die Gestaltung des darauf befindlichen Gebäudes nach der Verkehrsanschauung erwarten lassen, daß ein derartiges Grundstück ohne im Hause wohnendes Personal nicht bewirtschaftet werden kann und auch nicht bewirtschaftet zu werden pflegt.

b) Aus den unangefochtenen und deshalb für den Senat verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ergibt sich, daß es sich bei dem Wohngebäude der Klägerin um ein Haus handelt, das nicht von der üblichen Größe und Gestaltung eines Wohngrundstücks mit zwei Wohnungen abweicht. Der durch die Hanglage begünstigte Ausbau des Untergeschosses ist keine Besonderheit, die das Gebäude der Klägerin aus der Klasse gleichartiger Grundstücke objektiv eindeutig heraushebt. Die Hauptwohnung überschreitet mit einer Wohnfläche von 124 qm nur wenig die Begrenzung von 108 qm, die am 1. Januar 1964 für die Grundsteuerbegünstigung von Mietwohnungen in Miethäusern als Obergrenze bestand (vgl. §§ 39 Abs. 1 und 82 Abs. 1 des II. WoBauG). Das Gebäude weist in keiner Weise eine Gestaltung auf, die es nach der Verkehrsauffassung nahelegt, daß das Grundstück nur mit Hilfe von ständig im Haus wohnendem Hauspersonal bewirtschaftet werden kann. Das gilt auch hinsichtlich der Größe der Grundstücksfläche. Der Senat stimmt der Klägerin zwar insoweit zu, daß das soziale Gefälle zwischen der Eigentümerwohnung und einer Wohnung für Hauspersonal heute nicht mehr so ausgeprägt ist, wie es bei den früheren sogenannten Villen der Fall war. Dieser durch die Änderung der Lebensverhältnisse bedingte Wandel führte aber auch dazu, daß Wohnungen für das Hauspersonal im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 BewDV, die entsprechend der beispielhaften Aufzählung in dieser Bestimmung für Pförtner, Heizer, Gärtner, Kraftwagenführer oder Wächter bestimmt sind, nur noch verhältnismäßig selten und regelmäßig nur bei großen und aufwendig ausgestatteten Einfamilienhäusern anzutreffen sind. Das Haus der Klägerin ist jedoch so gestaltet, daß es objektiv nicht die Bewirtschaftung mit Hilfe von Hauspersonal erfordert, das im Hause wohnt. Auch aus diesem Grund kann aus der Lage der Wohnung im Untergeschoß nicht hergeleitet werden, daß es sich bestimmungsgemäß um eine Wohnung für Hauspersonal handele. Nach Auffassung des Senats liegt auch kein Grenzfall vor, in dem die tatsächliche Nutzung von Bedeutung sein könnte (vgl. BFH-Entscheidung III 88/57 U vom 7. November 1958, BFH 68, 5, BStBl III 1959, 4).

In welche Grundstücksart das Grundstück der Klägerin bei der Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes zum 1. Januar 1964 nach dem BewG 1965 einzuordnen ist, hat der Senat in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Wenn die Klägerin allerdings meint, es genüge in Grenzfällen für die Annahme einer Personalwohnung, daß der Bewohner der zweiten Wohnung das Haus tatsächlich bewache, ohne durch ein entsprechendes Dienstverhältnis hierzu verpflichtet zu sein, so könnte der Senat dieser Auffassung nicht folgen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69367

BStBl II 1971, 232

BFHE 1971, 123

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