Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Zwerganteilsbesitz liegt nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise grundsätzlich vor, wenn der Anteilsbesitz 2 v. H. des Gesellschaftskapitals nicht überschreitet.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3 Ziff. 1
Tatbestand
Der Bf. ist Gesellschafter der Gebrüder X GmbH. Die Gesellschaft hat ein Stammkapital von 300.000 DM. Davon besaß der Bf. einen Stammanteil von 150.000 DM. Die restlichen Anteile besaß ein anderer Gesellschafter. Dieser übertrug durch notariellen Vertrag vom 6. April 1951 Stammanteile von 7.500 DM an Dr. Y, den Geschäftsführer der GmbH und Schwiegersohn des Bf., und die restlichen Anteile von 142.500 DM an die Gesellschaft. Zum Vermögen der Gesellschaft gehörten Grundstücke im Einheitswert von zusammen 285.100 DM. Das Finanzamt erhielt aus Anlaß einer Betriebsprüfung noch im Jahre 1951 Kenntnis von der Anteilsübertragung. Es setzte auf Grund einer Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 5. August 1960 die Grunderwerbsteuer auf 19.957 DM fest. Der Einspruch, mit dem der Bf. sich auf Verjährung berief, blieb ohne Erfolg. Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, daß die Verjährung gemäß § 145 Abs. 3 Ziff. 3 AO mangels Eintragung des Eigentumsüberganges in das Grundbuch noch nicht begonnen habe.
Die Berufung, die sich gegen diese Ansicht des Finanzamts und gegen die Auffassung richtet, es sei trotz des Anteils des Schwiegersohnes des Bf. eine Anteilsvereinigung im Sinne von § 1 Abs. 3 GrEStG eingetreten, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führt dazu aus: Die Verjährungsvorschrift des § 145 Abs. 3 Ziff. 3 AO sei auch auf Fälle der Anteilsvereinigung anzuwenden. Da die Gefahr besonders groß sei, daß die Entstehung des Steuertatbestandes bei der Anteilsvereinigung dem Finanzamt nicht bekannt werde, fordere es der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Fälle dieser Art hinsichtlich der Verjährung nicht günstiger zu behandeln als Fälle, in denen eine grundbuchliche Eintragung in der Regel unmittelbar folge. Der Anteil, den die Gesellschaft selbst erworben habe, sei nach Auffassung des Bf. bei der Berechnung, was ein Zwerganteil sei, auszuscheiden. Dr. Y habe dann aber nur einen Anteil von 4,76 %. Das sei schon mit Rücksicht auf seine Abhängigkeit als Geschäftsführer von dem Hauptgesellschafter ein bedeutungsloser Zwerganteil.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Im Streitfall sind entgegen der Auffassung der Vorinstanzen die Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift unterliegt der Grunderwerbsteuer u. a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf übertragung eines oder mehrerer Anteile einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wenn durch die übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden. In seiner Entscheidung II 99/42 vom 22. Oktober 1942 (Slg. Bd. 52 S. 217, 219) hat der Reichsfinanzhof unter Nr. II b ausgeführt, daß der Zwerganteil eines Gesellschafters, der von dem Hauptgesellschafter wirtschaftlich abhängig ist, dem Eigentümer aller übrigen Gesellschaftsanteile zuzurechnen ist. Das Finanzgericht hat eine derartige wirtschaftliche Abhängigkeit des Dr. Y allein wegen seiner Eigenschaft als Geschäftsführer angenommen. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Geschäftsführers einer GmbH, der nur einen kleinen Gesellschaftsanteil besitzt, von dem Hauptgesellschafter, kann nicht allgemein anerkannt werden. Es bedarf vielmehr des Nachweises dieser Abhängigkeit im Einzelfall. Weder die Akten noch sonstige Umstände geben einen Anhaltspunkt für die Annahme, daß Dr. Y bei gegebenem Anlaß aus wohlüberlegten Gründen seine Gesellschaftsrechte nicht gegen den Willen des Bf. oder auch nur gegen dessen Interessen ausüben werde. Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war daher aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Nach der erwähnten Entscheidung des Reichsfinanzhofs II 99/42, an welcher der Senat festgehalten hat (vgl. Urteil II 136/50 U vom 26. Oktober 1951, BStBl 1951 III S. 239, Slg. Bd. 55 S. 594), kann Grunderwerbsteuer auch dann gefordert werden, wenn alle Anteile einer Gesellschaft, zu deren Vermögen Grundstücke gehören, mit Ausnahme von Zwerganteilen in einer Hand vereinigt werden. Die gegen diese Rechtsprechung im Schrifttum erhobenen Bedenken sind nicht begründet. Die neuere Rechtsprechung stützt sich auf § 1 Abs. 3 GrEStG. Schon in dem Urteil II 99/42 vom 22. Oktober 1942 war eine Bezugnahme auf die nationalsozialistische Weltanschauung überflüssig. Erst recht hat der erkennende Senat sein Urteil II 136/50 U vom 26. Oktober 1951 allein auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise stützen wollen (vgl. die im Rechtssatz des Urteils angeführte Gesetzesbestimmung). Bei einem wirtschaftlichen Tatbestand, wie der Bestimmung des § 1 Abs. 3 GrEStG, muß der Sachverhalt nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise beurteilt werden. Diese aber führt dazu, Anteile, die wirtschaftlich bedeutungslos sind, grunderwerbsteuerlich ebenfalls als in der Hand des Hauptgesellschafters befindlich anzusehen. Wann Anteile wirtschaftlich bedeutungslos sind, könnte an sich nur im Einzelfall entschieden werden. Der Grundsatz der Voraussehbarkeit steuerlicher Belastungen verlangt jedoch die Festlegung einer festen Grenze, bis zu der Zwerganteile anzunehmen sind. Nach Ansicht des Senats ist ein Zwerganteil grundsätzlich nur ein solcher Anteil, der ein Fünfzigstel des Gesellschaftskapitals nicht übersteigt, also ein Anteil bis zu 2 v. H. Bei der Berechnung der Höhe dieses Anteils sind Gesellschaftsanteile, die sich im Besitz der Gesellschaft selbst befinden, auszuscheiden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 485/29 vom 23. Oktober 1929, Slg. Bd. 26 S. 100, und Urteil des erkennenden Senats II 189/53 U vom 27. Januar 1954, BStBl 1954 III S. 83, Slg. Bd. 58 S. 451).
Im Streitfall befinden sich Anteile von 157.500 DM nicht in der Hand der Gesellschaft; hiervon besitzt Dr. Y Anteile in Höhe von 7.500 DM, also 4,76 v. H. Ein derartiger Anteil kann nach dem oben Gesagten nicht mehr als Zwerganteil angesehen werden, so daß eine Anteilsvereinigung nicht vorlag.
Hiernach war die angefochtene Entscheidung nebst der Einspruchsentscheidung und dem zugrunde liegenden Steuerbescheid aufzuheben. Der Bf. war von der Grunderwerbsteuer freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 410344 |
BStBl III 1962, 133 |
BFHE 1962, 349 |
BFHE 74, 349 |
StRK, GrEStG:1 R 82 |