Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf höhere Steuerfestsetzung regelmäßig unzulässig
Leitsatz (NV)
Eine Klage, mit der die Festsetzung einer höheren Steuer als im angefochtenen Bescheid begehrt wird, ist regelmäßig unzulässig. Sie kann zwar zulässig sein, wenn die Erhöhung der festgesetzten Steuer Voraussetzung dafür ist, dass der Kläger eine höhere als die bisher gewährte Anrechnung von Steuern auf die eigene Steuerschuld erhält. Dafür kommt es aber nur auf die objektive Rechtslage und nicht darauf an, ob der Kläger selbst die Klageerhebung für zu diesem Zweck erforderlich hielt.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden für das Streitjahr (1993) als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war Gesellschafter einer GmbH und bezog von dieser Gewinnausschüttungen. Die GmbH hatte ihm in diesem Zusammenhang eine Steuerbescheinigung ausgestellt, in der die anrechenbare Körperschaftsteuer mit 9/16 des Ausschüttungsbetrags angegeben war.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfasste im Einkommensteuerbescheid die anrechenbare Körperschaftsteuer nur in Höhe von 3/7 des Ausschüttungsbetrags als Einnahme aus Kapitalvermögen und rechnete auch nur diesen Betrag gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes 1990 i.d.F. des Standortsicherungsgesetzes (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) vom 13. September 1993 (EStG 1990) auf die Einkommensteuer an. Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein und beantragten, die anrechenbare Körperschaftsteuer statt mit 3/7 mit 9/16 des Ausschüttungsbetrags als Einnahme anzusetzen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) durch Urteil vom 27. Juni 2003 14 K 5822/99 als unbegründet ab.
Die Kläger fochten das Urteil des FG mit einer Revision an, mit der sie ihr ursprüngliches Begehren weiterverfolgten.
Diese Revision ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Gleichzeitig führten sie, nachdem das FA einen Abrechnungsbescheid erlassen und darin die anrechenbare Körperschaftsteuer ebenfalls mit 3/7 des Ausschüttungsbetrags bemessen hatte, einen Rechtsstreit um diesen Abrechnungsbescheid. In jenem Verfahren hatten sie Erfolg (Senatsurteil vom 19. Oktober 2005 I R 72/04, BFH/NV 2006, 925).
Daraufhin änderte das FA den Einkommensteuerbescheid des Streitjahres in der Weise, dass es die anzurechnende Körperschaftsteuer nunmehr in Höhe von 9/16 des Ausschüttungsbetrags als Einnahme erfasste. Die Kläger legten gegen den Änderungsbescheid Einspruch ein. Im vorliegenden Verfahren haben weder sie noch das FA eine prozessbeendende Erklärung abgegeben.
Die Kläger beantragen folglich weiterhin sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass die Körperschaftsteuer in der von der GmbH bescheinigten Höhe als Einnahme erfasst wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision hat keinen Erfolg. Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, da sie unzulässig war.
1. Die Revision ist zulässig. Insbesondere sind die Kläger durch das erstinstanzliche Urteil beschwert. Sie erstreben zwar eine Erhöhung der Steuer über den vom FA angesetzten und vom FG bestätigten Betrag hinaus. Ihre Beschwer ergibt sich aber schon daraus, dass das FG ihrem erstinstanzlichen Antrag nicht gefolgt ist (vgl. Senatsurteil vom 3. November 1998 I B 58/98, BFH/NV 1999, 939; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 115 Rz 13, m.w.N.). Darin liegt eine formelle Beschwer, die unabhängig davon zur Zulässigkeit der Revision führt, ob die erfolglos gebliebene Klage ihrerseits zulässig war (vgl. dazu Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor §§ 115 bis 134 FGO Rz 17, m.w.N.).
2. Die Revision ist aber unbegründet. Das FG hat zwar die Klage zu Unrecht für zulässig erachtet und als (lediglich) unbegründet abgewiesen. Gleichwohl ist der Tenor seines Urteils zutreffend. Die Revision ist deshalb mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage unzulässig war (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. September 1985 VIII R 371/83, BFHE 146, 99, BStBl II 1986, 537; vom 20. April 1988 I R 67/84, BFHE 154, 5, BStBl II 1988, 927; Ruban in Gräber, a.a.O., § 126 Rz 8, m.w.N.).
3. Die Unzulässigkeit der Klage folgt daraus, dass die Kläger nicht geltend gemacht haben, durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie haben im Klageverfahren beantragt, den Steuerbetrag höher als in jenem Bescheid festzusetzen. Eine dahin gehende Klage ist grundsätzlich unzulässig (BFH-Beschluss vom 28. Februar 2002 V B 56/01, BFH/NV 2002, 805; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rz 40a, m.w.N.). Sie kann zwar u.a. dann zulässig sein, wenn die Erhöhung der festgesetzten Steuer Voraussetzung dafür ist, dass der Kläger eine höhere als die bislang gewährte Anrechnung von Steuern auf die eigene Steuerschuld erhält (BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362). Eine solche Situation liegt aber im Streitfall nicht vor, da nach der für das Streitjahr maßgeblichen Rechtslage die von den Klägern begehrte Anrechnung von Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer keine korrespondierende Erfassung der anzurechnenden Steuer als Einnahme voraussetzte (Senatsurteil in BFH/NV 2006, 925, 926, m.w.N.). Daher kann die Klage auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es den Klägern im Kern um die Berücksichtigung eines höheren als des vom FA gewährten Anrechnungsbetrags ging, nicht als zulässig angesehen werden.
4. Eine abweichende Beurteilung ergibt sich entgegen der Ansicht des FA nicht daraus, dass die hier maßgebliche Zulässigkeitsfrage im Zeitpunkt der Klageerhebung von den einzelnen Senaten des BFH unterschiedlich beantwortet wurde. Das FA weist zwar zu Recht darauf hin, dass der VIII. Senat des BFH noch im Jahr 2003 eine entsprechende Klage für zulässig erachtet hat (BFH-Urteil vom 19. August 2003 VIII R 44/01, BFH/NV 2004, 925, m.w.N.). Das rechtfertigt aber nicht den von ihm gezogenen Schluss, dass die hier zu beurteilende Klage deshalb zulässig gewesen sei, weil die Kläger im Hinblick auf die Unklarheit der Rechtslage vorsorglich auch den Einkommensteuerbescheid hätten anfechten müssen. Denn bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Klage kommt es ausschließlich auf die objektive Rechtslage an, und diese ist bei der hier vorliegenden Gestaltung dadurch gekennzeichnet, dass die erhöhte Anrechnung von Körperschaftsteuer nicht die Erfassung entsprechend erhöhter Einnahmen voraussetzt und dass deshalb letztere nicht Ziel einer zulässigen Klage sein konnte.
5. Für die Beurteilung des Streitfalls unerheblich ist schließlich, dass das FA im Verlauf des Revisionsverfahrens den angefochtenen Bescheid antragsgemäß zum Nachteil der Kläger geändert hat. Der Änderungsbescheid kann im vorliegenden Rechtsstreit schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil er nicht zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Insbesondere ist § 68 Satz 1 FGO nicht einschlägig, da diese Vorschrift nur dann eingreift, wenn die zunächst erhobene Klage zulässig ist (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 68 FGO Rz 22; von Groll in Gräber, a.a.O., § 68 Rz 48, m.w.N.). Daher ist im Streitfall für eine inhaltliche Überprüfung des Änderungsbescheids kein Raum; eine solche kann vielmehr nur in einem eigenständigen, jenen Bescheid betreffenden Rechtsbehelfsverfahren vorgenommen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1766247 |
BFH/NV 2007, 1506 |
HFR 2007, 1002 |
NWB 2007, 13 |