Leitsatz (amtlich)
Gehört zu einem Einfamilienhaus eine freistehende Schwimmhalle, dann ist das Einfamilienhaus jedenfalls dann im Sachwertverfahren zu bewerten, wenn die Schwimmhalle in Zusammenwirken mit anderen Gestaltungs- und Ausstattungsmerkmalen eine wesentliche Abweichung von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern (§ 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG) begründet.
Normenkette
BewG 1965 § 76 Abs. 1, 3 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer eines 1957 erbauten Einfamilienhauses in der Stadt X. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) stellte durch Hauptfeststellung zum 1. Januar 1964 den Einheitswert für dieses Einfamilienhaus im Ertragswertverfahren mit 102 100 DM fest. In den Jahren 1969/1970 errichtete der Kläger auf dem Grundstück mit einem angegebenen Kostenaufwand von rd. 55 000 DM eine Schwimmhalle. Das FA bewertete daraufhin das Grundstück im Wege der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1974 im Sachwertverfahren mit 163 900 DM. Einspruch und Klage, mit denen sich der Kläger gegen die Bewertung seines Einfamilienhauses im Sachwertverfahren wendete, blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision rügt der Kläger, das FG habe § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG 1965 unzutreffend angewandt. Im Streitfall läge weder eine besondere Gestaltung noch eine besondere Ausstattung i. S. dieser Vorschrift vor. Weder die Größe der Wohnfläche noch die Grundstücksgröße rechtfertigten die Annahme einer besonderen Gestaltung. Eine Wohnfläche von rd. 200 qm, wie sie das Haus aufweise, sei nichts Außergewöhnliches. Dabei sei nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23. Juli 1971 III R 86/69, BFHE 103, 213, BStBl II 1971, 797) davon auszugehen, daß es eine "Einfamilienhausnorm" nicht gebe. Die Grundstücksgröße sei mit 2 238 qm deutlich unter dem vom BFH in seinem Urteil III R 86/69 festgestellten Grenzbereich von 2 400 qm. Hinzu komme, daß in dem der genannten Entscheidung zugrunde liegenden Fall der Bodenwertanteil 50 v. H. des Gesamtwertes ausgemacht habe. Im Streitfall dagegen habe der Wert des Grund und Bodens im Rahmen des Gesamtwertes keinen bestimmenden Charakter. Im Vermietungsfall sei auch eine Miete zu erzielen, die in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Objekts stehe. Dabei sei entgegen der Auffassung des FG von den ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten auszugehen. Diese beliefen sich für das Grundstück, das Wohnhaus und das Schwimmbad auf insgesamt 199 700 DM. Bei einer Kostenmiete von 6 v. H. der Grundstücks- und Baukosten, von der das FG ausgehe, ergebe sich eine Monatsmiete von rd. 1 000 DM. Der aus den Herstellungskosten des Wohnhauses errechnete Raummeterpreis betrage nicht 199 DM, sondern nur 130 DM. Er lasse erkennen, daß der Bau nicht aufwendig sei. Darüber hinaus sei von den in Abschn. 16 Abs. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien zur Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) aufgeführten Merkmalen für eine besondere Ausstattung lediglich das Schwimmbad vorhanden. Eine Gegenüberstellung der genannten Merkmale mit der Ausstattung des Hauses des Klägers zeige, daß diese in qualitativer Hinsicht erheblich unter den Merkmalen der Richtlinien liege. Das FG habe im übrigen zu Unrecht das Schieferdach dem in Abschn. 16 Abs. 4 Nr. 1 BewRGr aufgeführten Kupfer- oder Bleidach gleichgesetzt. Zwischen beiden bestehe eine erhebliche Wertdifferenz. Das Grundstück des Klägers sei im übrigen nur aufgrund einer Verfügung der OFD Münster, wonach bei Vorhandensein einer freistehenden Schwimmhalle eine Bewertung im Sachwertverfahren zu erfolgen habe, neu bewertet worden. Hierin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung; denn lediglich die OFD Münster habe eine entsprechende Anweisung an die FÄ erteilt. Der BFH habe aber in seiner Entscheidung vom 7. November 1975 III R 120/74 (BFHE 118, 59, BStBl II 1976, 277) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein Wechsel des Bewertungsverfahrens von FA-Bezirk zu FA-Bezirk für Grundstücke einer bestimmten Gruppe grundsätzlich ausgeschlossen sei.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert des Grundstücks des Klägers zum 1. Januar 1974 im Ertragswertverfahren auf 116 300 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das Grundstück des Klägers ist zu Recht im Sachwertverfahren bewertet worden.
1. Nach § 76 Abs. 1 BewG wird der Einheitswert von Einfamilienhäusern grundsätzlich im Ertragswertverfahren ermittelt. Abweichend davon erfolgt die Bewertung im Sachwertverfahren (§ 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG), wenn sich das zu bewertende Objekt aufgrund besonderer Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern unterscheidet. Der Gesetzgeber sieht damit das Ertragswertverfahren als das Regelverfahren an, nach dem die Masse der Einfamilienhäuser zu bewerten ist. Er ging dabei von der Überlegung aus, daß es sich bei diesen Häusern meist um kleine, einfach ausgestattete Wohngebäude oder serienmäßig hergestellte Siedlungshäuser handelt, für die regelmäßig Vergleichsmieten vorhanden sind (vgl. Bundestags[BT]-Drucksache IV/1488 vom 1. Oktober 1963, S. 55). Gemeinsames Merkmal dieser Häuser ist es, daß sie unabhängig von Änderungen der allgemeinen Wohngepflogenheiten im gesamten Geltungsbereich des Bewertungsgesetzes untereinander im wesentlichen vergleichbar sind. An diesem Merkmal fehlt es, wenn das zu bewertende Einfamilienhaus in Gestaltung oder Ausstattung Besonderheiten aufweist, die es von der Masse der Einfamilienhäuser deutlich abheben mit der Folge, daß es mit diesen nicht mehr vergleichbar ist. Dabei können sowohl eine besondere Gestaltung als auch eine besondere Ausstattung je für sich allein genügen, für die Wertermittlung anstelle des Ertragswertverfahrens das Sachwertverfahren treten zu lassen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die wesentliche Abweichung von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern sich auch aus dem Zusammenwirken beider Faktoren ergeben kann (vgl. BFH-Urteil III R 86/69).
2. Nach den unangefochtenen Feststellungen des FG liegt das 2 238 qm große Grundstück des Klägers in einer Villengegend und ist durch einen hohen Fichtenbestand von der Straße abgeschirmt. Das Haus hat eine Wohnfläche von 200,99 qm, die damit durch einen Gang verbundene Schwimmhalle eine Fläche von 80 qm, die mit als Wohnfläche zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus hat das FG aufgrund einer Ortsbesichtigung festgestellt, daß das Wohnhaus insgesamt einen gehobenem Wohnstil entsprechenden Eindruck mache.
Das FG hat aus diesem Sachverhalt zutreffend die rechtliche Folgerung gezogen, daß das Grundstück des Klägers eine gegenüber der Masse der Einfamilienhäuser besondere Gestaltung und Ausstattung aufweist.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil III R 86/69) kann die besondere Gestaltung i. S. des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG nicht nur allein auf der äußeren und inneren architektonischen Anlage des Hauses, wie der Größe der Wohnfläche oder der Form der Anordnung der Wohnräume beruhen. Sie kann sich vielmehr auch aus der Gestaltung des Grund und Bodens, wie z. B. aus der Größe der Grundstücksfläche oder der Anlage der umbauten Fläche ergeben.
Der Senat hat zwar in seiner Entscheidung III R 86/69 dargelegt, daß eine Grundstücksfläche von 2 400 qm im Grenzbereich der Fälle liege, in denen allein wegen der Grundstücksgröße eine besondere Gestaltung vorliege, die zu einer wesentlichen Abweichung von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern führe. Dies schließt aber nicht aus, daß bereits bei einer geringeren Grundstücksfläche eine besondere Gestaltung zu bejahen ist, ohne daß gleichzeitig damit eine das Sachwertverfahren rechtfertigende wesentliche Abweichung verbunden ist. Im Streitfall hat das FG zu Recht die besondere Gestaltung des Grundstücks in dessen Größe und Art sowie der Wohnfläche des Hauses gesehen. Gerade in städtischen Gebieten bilden bebaute Grundstücke mit einer Fläche, wie sie das Grundstück des Klägers aufweist, die Ausnahme. Hinzu kommt, daß das Grundstück in einer Villengegend gelegen und durch einen hohen Fichtenbestand nach der Straße hin abgeschirmt ist.
Bei der Berechnung der Größe der maßgebenden Wohnfläche kann die Gesamtfläche der Schwimmhalle von rd. 80 qm nicht unberücksichtigt bleiben. Da diese zur Hälfte anzusetzen ist (vgl. § 44 der Zweiten Berechnungsverordnung - II. BVO -), ergibt sich eine Gesamtwohnfläche von rd. 240 qm. Eine derartige Wohnfläche hebt sich trotz der geänderten Wohngepflogenheiten (vgl. Urteil III R 86/69) deutlich von der der Masse der Einfamilienhäuser ab.
b) Das FG hat ferner im Ergebnis zutreffend eine besondere Ausstattung des Hauses bejaht. Der Senat kann dabei unerörtert lassen, inwieweit das Schieferdach und die Höhe der Baukosten im Streitfall Merkmale einer besonderen Ausstattung des Hauses des Klägers sein können. Diese ist vielmehr bereits allein wegen der vorhandenen Schwimmhalle gegeben. Eine derartige Schwimmhalle stellt selbst nach heutigen Wohnvorstellungen im Vergleich zur Masse der Einfamilienhäuser eine Ausnahme dar. Durch sie wird der Wohnwert eines Hauses in besonderem Maße erhöht, und zwar in einem weit größeren Umfang als dies regelmäßig bei einem Schwimmbecken (vgl. Abschn. 16 Abs. 4 Nr. 11 BewRGr) der Fall ist.
3. Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob die besondere Gestaltung einerseits und die besondere Ausstattung andererseits jeweils für sich allein gesehen die nach § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG erforderliche wesentliche Unterscheidung begründen; denn das FG hat rechtsfehlerfrei dargelegt, daß jedenfalls das Zusammenwirken beider Merkmale den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG erfüllt.
Der Unterschied zu den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern ist dann wesentlich, wenn die besondere Gestaltung oder Ausstattung erfahrungsgemäß nach den Marktverhältnissen oder dem am Hauptfeststellungszeitpunkt geltenden Mietpreisrecht sich in der Höhe der Miete nicht ausdrückt und dadurch unter Berücksichtigung der dem Einheitswertverfahren zugrunde liegenden Erwägungen eine erhebliche Unterbewertung herbeigeführt wird (Urteil III R 86/69). Hierzu hat das FG unangefochten und damit bindend (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, die in mehrfacher Hinsicht von der Masse der im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäuser abweichenden Gestaltungs- und Ausstattungsmerkmale des Grundstücks des Klägers bewirkten, daß für das Einfamilienhaus des Klägers eine übliche Miete nicht erzielt werden kann, in der diese Merkmale berücksichtigt sind. Der Kläger wendet zwar dagegen ein, bei Zugrundelegung der ihm entstandenen Herstellungs- und Anschaffungskosten ergebe sich ein Mietpreis von nur 1 000 DM, der auch nach Auffassung des FG zu erzielen sei. Unbeschadet der Frage, ob der vom Kläger geltend gemachte Jahresmietwert von 12 000 DM zutreffend ermittelt ist, berücksichtigt der Kläger jedenfalls nicht, daß die besondere Gestaltung und Ausstattung des Grundstücks nicht allein durch die Höhe der Anschaffungs- und Herstellungskosten bedingt ist.
Ebenso unbegründet ist der Einwand des Klägers, die Vorentscheidung verstoße gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Im Streitfall war die Wertermittlung deshalb im Sachwertverfahren durchzuführen, weil das Vorhandensein der Schwimmhalle im Zusammenwirken mit anderen Gestaltungs- und Ausstattungsmerkmalen die wesentliche Abweichung des Grundstücks des Klägers von der Masse der Einfamilienhäuser begründete, und zwar unabhängig von der vom Kläger behaupteten Verwaltungsanweisung der OFD Münster.
Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 72706 |
BStBl II 1978, 294 |
BFHE 1978, 370 |
NJW 1978, 1280 |