Leitsatz (amtlich)
Beamte des Finanzamts, welche die Befähigung zum Richteramt besitzen, treten vor dem Bundesfinanzhof nicht als Prozeßbevollmächtigte, sondern als gesetzliche Vertreter dieses Finanzamts auf.
Normenkette
BFH-EntlastG Art. 1 Nr. 1
Tatbestand
Auf die Revision des beklagten Finanzamts gegen das der Klage stattgebende Urteil des Finanzgerichts hat die Klägerin angeregt, vorab über die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu entscheiden. Dementsprechend hat der Senat durch Beschluß vom 7. Dezember 1978 angeordnet, über die Zulässigkeit der Revision abgesondert zu verhandeln. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerien. Sie hat dazu vorgetragen:
Abweichend von den Vorschriften des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 - BFH-EntlastG - (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) habe sich das Finanzamt bei der Einlegung der Revision nicht vertreten lassen. Der Vorsteher des Finanzamts, der die Revisionsschrift persönlich unterzeichnet habe, habe keine Prozeßvollmacht vorgelegt. Dieser Mangel sei nach dem Wortlaut des § 62 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht mehr heilbar. Der Vorsteher besitze zwar die Befähigung zum Richteramt und sei deshalb eine zur Prozeßvertretung des Finanzamts allgemein befähigte Person. Er sei aber erkennbar lediglich als gesetzlicher Vertreter des Finanzamts und nicht, wie es Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG verlange, als dessen Bevollmächtigter aufgetreten. Die Revisionseinlegung sei deshalb unwirksam.
Der Beklagte ist dem Antrag des Klägers entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist zulässig.
Die Revision ist nicht zulassungsbedürftig, da der Wert des Streitgegenstandes 10 000 DM übersteigt (Art. 1 Nr. 5 BFH-EntlastG). Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung entsprechen den formellen Anforderungen des § 120 Abs. 1 und 2 FGO. Aus der Regelung des Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG lassen sich gegen die Zulässigkeit der Revision keine Bedenken herleiten.
Nach dieser Vorschrift muß sich jeder Beteiligte vor dem Bundesfinanzhof durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt u. a. auch für die Einlegung der Revision. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, vertreten lassen.
Aus den nachstehenden Gründen entsprechen sowohl die Einlegung als auch die Begründung der Revision diesen Voraussetzungen.
a) Im Gegensatz zu den Rechtsausführungen der Klägerin ist der erkennende Senat der Auffassung, daß sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden vor dem Bundesfinanzhof nicht notwendigerweise von Bevollmächtigten vertreten lassen müssen. Vielmehr verlangt das Gesetz diese Art der Prozeßvertretung nur von den sonstigen Verfahrensbeteiligten. Behörden dagegen haben, wie der Wortlaut der oben wiedergegebenen Vorschrift durch die Konjunktion "auch" deutlich macht, die Möglichkeit, entweder einen Bevollmächtigten aus dem zuvor genannten Personenkreis zu bestellen oder sich durch einen Beamten oder Angestellten, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, vertreten zu lassen. Dieser ist, wenn er im Rahmen seiner Vertretungsmacht als Beamter der beteiligten Behörde handelt, nicht Bevollmächtigter i. S. des § 62 FGO und damit nicht "Prozeßbevollmächtigter" i. S. des § 81 der Zivilprozeßordnung - ZPO - (vgl. die Bedeutung des Worts "vertreten" in § 78 Abs. 3 ZPO), sondern, auch wenn nicht "Vorsteher", so doch aus der inneren Organisation der Behörde von Amts wegen "berufener Vertreter" (Beauftragter). Er wird durch seine bloße Dienststellung und nicht durch einen besonderen Auftrag legitimiert.
Vertretungsbefugnis und Postulationsfähigkeit müssen zur Überzeugung des Gerichts feststehen; der formelle Nachweis dieser Eigenschaften ist jedoch im Gegensatz zu der dem Bevollmächtigten obliegenden Vorlage einer schriftlichen Vollmacht weder eine Prozeßvoraussetzung noch eine Voraussetzung für die Wirksamkeit einzelner Prozeßhandlungen (vgl. § 80 Abs. 3 FGO).
Diese Rechtsauffassung steht nicht im Widerspruch zu dem Beschluß des III. Senats des Bundesfinanzhofs vom 12. November 1976 III R 14-15/76 (BFHE 120, 335, BStBl II 1977, 121), auf den sich die Klägerin berufen hat. Denn dieser Beschluß befaßt sich in den die Entscheidung tragenden Gründen nur mit der Rechtsfrage, ob die Revision von einer Steuerberatungsgesellschaft eingelegt werden kann. Er enthält keine Entscheidung zu dem hier aufgeworfenen Problem der ordnungsmäßigen Vertretung einer Behörde vor dem Bundesfinanzhof.
Im vorliegenden Falle ist deshalb die Revisionsschrift als wirksame Prozeßhandlung zu beurteilen, da sie vom Vorsteher des beklagten Finanzamts unterzeichnet wurde und dieser die persönliche Voraussetzung für die Postulationsfähigkeit vor dem Bundesfinanzhof, die Befähigung zum Richteramt, besitzt.
Angesichts dieser Rechtslage erübrigt sich eine Erörterung der von der Klägerin vertretenen Auffassung, daß nach Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG eine durch einen Prozeßbevollmächtigten vorgenommene fristgebundene Prozeßhandlung (Revisionseinlegung) mit Rücksicht auf die konstitutive Bedeutung, die der Einreichung der Vollmacht zukommen soll, unwirksam sei, wenn nicht die Prozeßvollmacht innerhalb der für die Prozeßhandlung maßgebenden Frist vorgelegt wurde.
An der Ordnungsmäßigkeit der Revisionseinlegung ändert es nichts, daß sich der Vorsteher des Finanzamts in der Revisionsschrift nicht ausdrücklich als Prozeßvertreter bezeichnet hat. Ein solcher Hinweis war nach den vorstehenden Ausführungen rechtlich nicht geboten.
b) Das beklagte Finanzamt hat auch im Zusammenhang mit der Revisionsbegründung die Vorschrift des Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG nicht verletzt. Der Schriftsatz wurde von Regierungsdirektor Dr.Y, dem zur Vertretung des Vorstehers bestellten und zum Richteramt befähigten Beamten des Finanzamts, "in Vertretung" des Vorstehers unterzeichnet. Nach der oben dargelegten Rechtslage bedurfte dieser Beamte zur Wirksamkeit seiner Prozeßhandlungen keiner Vollmacht. Im übrigen wurde Dr. Y vom Vorsteher des Finanzamts mit Schreiben vom 6. Januar 1978 zur Vertretung des Finanzamts vor dem Bundesfinanzhof ausdrücklich ermächtigt. Da dieses Schreiben innerhalb der Revisionsbegründungsfrist beim Bundesfinanzhof eingegangen ist, können, selbst wenn der rechtlichen Beurteilung die Rechtsauffassung der Klägerin zugrunde zu legen wäre, keine Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Prozeßhandlung bestehen.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ein Verstoß gegen Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, daß im Revisionsverfahren sowohl der Vorsteher des Finanzamts als auch ein von diesem bevollmächtigter Beamter aufgetreten sind. Denn abgesehen vom Recht des Strafprozesses gilt für das gesamte Prozeßrecht der Grundsatz, daß eine postulationsfähige Partei oder der postulationsfähige gesetzliche Vertreter eines Verfahrensbeteiligten in einem und demselben Verfahren neben einem oder mehreren postulationsfähigen Prozeßvertretern jederzeit selbst Prozeßhandlungen wirksam vornehmen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 73057 |
BStBl II 1979, 283 |