Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsabsenkung und gehaltsgebundenes Versorgungsversprechen
Leitsatz (NV)
Sieht das Versorgungsversprechen des Gesellschafter-Geschäftsführers der Kapitalgesellschaft eine einschränkungslose Koppelung der Versorgungshöhe an die Vergütungshöhe vor, ist eine ergänzende Vertragsauslegung in der Weise, dass in der Situation der bloß vorübergehenden Gehaltsabsenkung die Versorgung in der ursprünglichen Höhe erhalten bleiben soll, mit dem Schriftformerfordernis des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht vereinbar.
Normenkette
EStG 1990 § 6a Abs. 1 Nr. 3; KStG § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Rz. 1
I. Streitig sind die steuerlichen Auswirkungen einer Herabsetzung des Gehalts des (Allein-)Gesellschafter-Geschäftsführers mit Blick auf ein Versorgungsversprechen.
Rz. 2
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine 1980 gegründete GmbH, betrieb bis zum Eintritt in die Liquidation (2009) ein Bauträgerunternehmen. Ihrem ―in den Streitjahren 1996 bis 1998― alleinigen Gesellschafter A, der zugleich als Geschäftsführer angestellt war, sagte sie mit Vertrag vom 1. Januar 1986 eine Altersrente (ab Vollendung des 65. Lebensjahres mit Eintritt der Unverfallbarkeit am 31. Dezember 1995) in Höhe von monatlich 2.600 DM zu; in der Vereinbarung heißt es weiter: "Der Altersrentenbetrag ändert sich während der Anwartschaftszeit im gleichen Verhältnis wie das laufende monatliche Festgehalt des Pensionsberechtigten. … Bei Abschluss dieses Pensionsvertrages beträgt das monatliche Festgehalt … (5 000 DM)." Nach Abschnitt VII der Vereinbarung ("Vorbehalt und Entzug der Leistungen", dort Nr. 1) behält sich "die Gesellschaft … vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Abschluß des Pensionsvertrages maßgebenden Verhältnisse sich so wesentlich geändert haben, daß ihr die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Pensionsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann". Mit Vereinbarung vom 30. Juni 1989 wurde die Altersrente auf monatlich 4.000 DM erhöht (unter Hinweis auf ein damals gezahltes monatliches Festgehalt von 7.500 DM).
Rz. 3
Die Klägerin musste in 1995 und 1996 erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen (Umsatzerlöse 1994: 326.069 DM; 1995: 3.934 DM; 1996: 1.800 DM). In der Folge kam es zu einer Absenkung des Geschäftsführergehalts: In 1995 zahlte die Klägerin lediglich ein gekürztes Gehalt aus und verbuchte sie insoweit "Gehälter" in Höhe von 24.000 DM p.a. (eine schriftliche Vereinbarung liegt insoweit nicht vor). Durch Gesellschafterbeschluss vom 30. November 1995 wurde das Geschäftsführergehalt (ab 1. Januar 1996) auf 0 DM herabgesetzt, "solange die Geschäftstätigkeit ruht". Auf der Grundlage weiterer Gesellschafterbeschlüsse erhielt A im Zeitraum vom 1. Mai 1997 bis zum 30. September 1999 nach wieder aufgenommener Geschäftstätigkeit ein Monatsgehalt von 3.000 DM, ab dem 1. Oktober 1999 ein Monatsgehalt von 10.000 DM (Umsatzerlöse 1997: 757.338 DM; 1998: 616.462 DM).
Rz. 4
Die Klägerin hat dazu vor dem Finanzgericht (FG) ausgeführt: "Der Grund für den Gehaltsverzicht lag in der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft zum Zeitpunkt des Gesellschaftsbeschlusses vom 30. November 1995. Die Gesellschaft ist als Bauträgerunternehmen tätig. Die Tätigkeit besteht darin, Grundstücke anzukaufen und diese sodann durch Fremdunternehmen zu bebauen und anschließend zu veräußern. Zum besagten Zeitpunkt befanden sich weder bebaute Grundstücke im Betriebsvermögen, noch war die Möglichkeit gegeben, aufgrund der Marktsituation Grundstücke anzukaufen, um sie dann unternehmerisch zu nutzen. Insoweit ruhte die Umsatztätigkeit aufgrund der Marktgegebenheit für 15 Monate, so dass eine Geschäftsführertätigkeit nicht erforderlich war. Anfang des Jahres 1997 wurden wieder geschäftliche Tätigkeiten entwickelt, so dass die Führung der Geschäfte gefordert war." Die Klägerin hat dem FG darüber hinaus ein unter dem Datum 20. Januar 2005 gezeichnetes "Ergänzungs-Protokoll der Gesellschafterversammlung … vom 30.11.1995" vorgelegt, nach dem im Rahmen der Gesellschafterversammlung mündlich beschlossen worden sei, die Anwartschaften auf Versorgungsleistungen auch für den Fall bestehen zu lassen, dass eine Gehaltsminderung vereinbart werde oder der Geschäftsführer kein Gehalt beziehe.
Rz. 5
Die Klägerin ging davon aus, dass die Pensionsansprüche des A von dem Gehaltsverzicht nicht berührt würden. Der von ihr beauftragte Sachverständige berechnete die auszuweisenden Rückstellungen in der irrigen Annahme monatlicher Aktivbezüge von 10.000 DM. Auf dieser Grundlage wies die Klägerin in ihren Jahresabschlüssen der Streitjahre die folgenden Pensionsrückstellungen aus: 256.306 DM (31. Dezember 1996); 282.782 DM (31. Dezember 1997); 311.366 DM (31. Dezember 1998).
Rz. 6
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte unter Hinweis auf die Absenkung der laufenden Bezüge Rückstellungsbeträge von 84.835 DM (31. Dezember 1997) und von 93.410 DM (31. Dezember 1998); die zum 31. Dezember 1996 gebildete Rückstellung löste das FA vollständig auf, da A am Bilanzstichtag keinen Anspruch auf aktive Bezüge und dementsprechend auch keinen Anspruch auf Altersversorgung gehabt habe. Die Klagen gegen die entsprechenden Änderungsbescheide, mit denen begehrt wurde, ausgehend von einem zivilrechtlichen Pensionsanspruch von 4.000 DM Rückstellungsbeträge von 185.275 DM (31. Dezember 1996), 205.123 DM (31. Dezember 1997) und 226.713 DM (31. Dezember 1998) zu berücksichtigen, waren erfolgreich (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteile vom 11. Februar 2010 1 K 3/05, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2010, 889, und vom 11. Februar 2010 1 K 4/05).
Rz. 7
Mit seinen Revisionen macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Es beantragt sinngemäß, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Rz. 8
Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
II. Die zur einheitlichen Entscheidung verbundenen Revisionen (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) sind begründet; sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Abweisung der Klagen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat eine Rückstellung für die Pensionsverpflichtung der Klägerin gegenüber A zu Unrecht in der von der Klägerin beantragten Höhe berücksichtigt.
Rz. 10
1. Die Klägerin hatte in den Gewinnermittlungen der Streitjahre für ihre Verpflichtung aus dem Versorgungsversprechen grundsätzlich eine Rückstellung zu bilden.
Rz. 11
a) Gemäß § 6a Abs. 1 des in den Streitjahren maßgebenden Einkommensteuergesetzes (EStG 1990/1997) ―für die Einkommensermittlung bei der Körperschaftsteuer i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1996), für die Ermittlung des Gewerbeertrages darüber hinaus i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes 1991― darf für eine Pensionsverpflichtung eine Rückstellung (Pensionsrückstellung) nur gebildet werden, wenn der Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf einmalige oder laufende Pensionsleistungen hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG 1990/1997), die Pensionszusage keinen Vorbehalt hinsichtlich der Minderung oder dem Entzug der Pensionsanwartschaft oder -leistung enthält (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG 1990/1997) und die Pensionszusage schriftlich erteilt ist (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990/1997). Die Rückstellung ist höchstens mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung anzusetzen (§ 6a Abs. 3 Satz 1 EStG 1990/1997). Dabei sind nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG 1990/1997 Erhöhungen oder Verminderungen der Pensionsleistungen nach dem Schluss des Wirtschaftsjahrs, die hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Wirksamwerdens oder ihres Umfanges ungewiss sind, bei der Berechnung des Barwerts der künftigen Pensionsleistungen und der Jahresbeträge erst zu berücksichtigen, wenn sie eingetreten sind.
Rz. 12
b) Das Schriftformerfordernis (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990/1997) ist im Streitfall nicht eingehalten, soweit die vom FG anerkannte Rücklagenhöhe auf einer Auslegung des schriftlichen Versorgungsversprechens in der Situation der (vorübergehenden) Absenkung der laufenden Vergütung beruht, die dem Wortlaut der Vereinbarung widerspricht.
Rz. 13
aa) Der Gesetzgeber hat das Schriftformerfordernis eingeführt, um die Nachprüfbarkeit der Pensionszusage, insbesondere durch die Finanzbehörden, zu erleichtern. Den einschlägigen Materialien (BTDrucks 7/1281, S. 38) lässt sich entnehmen, dass die Schriftform in erster Linie der Beweissicherung über den Umfang der Pensionszusage dienen soll. Dadurch soll vermieden werden, dass über den Inhalt der Pensionszusage, insbesondere über die für die Bemessung wesentlichen Faktoren (Zusagezeitpunkt, Leistungsvoraussetzungen, Art und Höhe der Leistungen, Widerrufsvorbehalte), Unklarheiten bestehen oder später Streit entsteht (Senatsurteil vom 22. Oktober 2003 I R 37/02, BFHE 204, 96, BStBl II 2004, 121, m.w.N.). Erforderlich ist damit, dass sich ―wie im Senatsurteil vom 24. März 1999 I R 20/98 (BFHE 189, 45, BStBl II 2001, 612) im Zusammenhang mit den Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1996 entschieden (s. auch Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 1074)― der Inhalt der Zusage zweifelsfrei feststellen lässt, und zwar sowohl über Grund (Art, Form, Voraussetzungen, Zeitpunkt) als auch über Höhe der Zusage; durch § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG 1997 i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 wird dies ausdrücklich klargestellt (s. Gosch in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 6a Rz 10). Das so verstandene Gebot der Schriftlichkeit bezieht sich auf den jeweiligen Bilanzstichtag; es betrifft daher nicht nur das Ursprungsversprechen, sondern auch spätere Änderungen der Zusage (FG Köln, Urteil vom 11. April 2000 13 K 4287/99, EFG 2000, 1035; Gosch, ebenda).
Rz. 14
bb) Dass das FG im Streitfall von einer in seinem Kernbereich (der Höhe der Versorgung) unklaren und daher auslegungsbedürftigen Vereinbarung ausgegangen ist, die unter Berücksichtigung der Interessenlage der Parteien für den Fall der (vorübergehenden) Absenkung der laufenden Vergütung einen unveränderten Fortbestand der Versorgungsverpflichtung vorsieht, ist für das Revisionsverfahren nicht i.S. des § 118 Abs. 2 FGO bindend. Diese Auslegung trägt dem festgestellten eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung nicht ausreichend Rechnung.
Rz. 15
Das FG hat seine Auslegung der sog. Anpassungsklausel der Versorgungsvereinbarung im Wesentlichen darauf gestützt, dass auf das "laufende monatliche Festgehalt" Bezug genommen worden sei. Aus dem Gesamtzusammenhang der Vereinbarung lasse sich eine Aussage über die Auswirkungen eines vorübergehenden Gehaltsverzichts für wirtschaftliche Ausnahmesituationen (wie z.B. die vorübergehende Einstellung des aktiven Geschäftsbetriebs oder eine erforderliche Sanierung) nicht entnehmen. Das FG hat dabei eine vorläufige Aufrechterhaltung des bisherigen Pensionsanspruchs bei einem lediglich vorübergehenden Gehaltsverzicht als abgewogen angesehen; auch unter Berücksichtigung einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht könne es dem Gesellschafter-Geschäftsführer bei einer vorübergehenden Absenkung des Gehalts um mehr als 50 % nicht zugemutet werden, unmittelbar (anteilig) seine Versorgung zu verlieren.
Rz. 16
Dieses Verständnis wird der niedergelegten Anpassungsklausel jedoch nicht gerecht. Denn nach ihrem Wortlaut stellt die sog. Anpassungsklausel der Versorgungsvereinbarung einen unmittelbaren Bezug zwischen der Höhe des "laufende(n) monatliche(n) Festgehalt(s)" und der Höhe der Versorgung her. Dieser Regelung entsprechend kam es Mitte Juni 1989 zu einer der Erhöhung der laufenden Bezüge entsprechenden Erhöhung des Versorgungsanspruchs. Einen Anhalt dafür, diese Klausel nur auf eine "reguläre Gehaltsentwicklung mit einer auf unbestimmte Zeit gerichteten Anpassung der Bezüge" zu beziehen und die Versorgung bei einer durch eine wirtschaftliche Krise der Klägerin veranlassten Absenkung der Bezüge unverändert zu belassen, gibt der Wortlaut der Vereinbarung nicht her. Wenn das Versorgungsversprechen das Interesse des Berechtigten an einer Mindestversorgung unabhängig von der laufenden Vergütung stärker gewichten soll, ist vielmehr zu verlangen, dass eine Anpassungsklausel dem entsprechend ausdrücklich begrenzt wird.
Rz. 17
Auch in das Gesamtgefüge der Versorgungsabrede fügt sich eine solche Auslegung nicht ein: Die Existenz des Abschnitts VII der Vereinbarung ("Vorbehalt und Entzug der Leistungen") zeigt vielmehr, dass die Vertragsparteien durchaus die Situation einer endgültigen wirtschaftlichen Überbelastung der Klägerin als Verpflichtete regeln wollten, was einschließen kann, die Situation der vorübergehenden wirtschaftlichen Überbelastung als durch die Bezugnahme auf die Höhe der monatlichen Vergütung abgedeckt anzusehen. Außerdem hat die Klägerin, wenn man das "Ergänzungs-Protokoll der Gesellschafterversammlung … vom 30.11.1995" als authentische Tatsachenbekundung zugrunde legt, im Zusammenhang mit der Absenkung der laufenden Vergütung durchaus einen Regelungsbedarf mit Blick auf die Höhe des Versorgungsversprechens erkannt, es aber versäumt, eine solche Regelung entsprechend dem Gebot der Schriftlichkeit ("eindeutige Angaben") formgerecht und eindeutig zu fixieren. Dazu hätte es ―dem Zweck des Schriftlichkeitsgebots entsprechend― zur Vermeidung späterer Auseinandersetzungen aber gerade einer klaren Vereinbarung dazu bedurft, welcher Zeitrahmen ("vorübergehend") und/oder welcher Maßstab der wirtschaftlichen Belastung der Klägerin ausschlaggebend sein soll; dazu wären wiederum zeitnah konkrete Feststellungen zur Geschäftslage und den Zukunftsaussichten der Klägerin erforderlich gewesen.
Rz. 18
2. Die Berechnung der Höhe der Rückstellungen durch das FA ist ―wenn man die Höhe des Versorgungsanspruchs zu den jeweiligen Stichtagen nach der Maßgabe der Ausführungen zu 1. ermittelt― zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Insoweit kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob der vom FG zugestandene Rückstellungsansatz auf der Grundlage einer monatlichen Vergütung von 4.000 DM auch den Anforderungen des § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG 1990/1997 (sog. Überversorgungs-Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 15. September 2004 I R 62/03, BFHE 207, 443, BStBl II 2005, 176; vom 9. November 2005 I R 89/04, BFHE 211, 287, BStBl II 2008, 523; vom 28. April 2010 I R 78/08, BFHE 229, 234) gerecht wurde (zur Situation der bloß vorübergehenden Gehaltsabsenkung s. FG München, Urteil vom 6. Mai 2008 6 K 4096/05, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2009, 521; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 6a Rz 19; ders. in Gosch, a.a.O., § 8 Rz 1128; Veit, Betriebs-Berater 2008, 1840).
Fundstellen
Haufe-Index 2602123 |
BFH/NV 2011, 452 |