Leitsatz (amtlich)
Unter den nach § 19 Abs. 1 BerlinFG für eine Investitionszulage in Betracht kommenden abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sind nur die in § 19 Abs. 2 BerlinFG genannten beweglichen Wirtschaftsgüter und Gebäude, Ausbauten und Erweiterungen zu verstehen. Sogenannte Außenanlagen sind nicht investitionszulagebegünstigt.
Normenkette
BerlinFG § 19 Abs. 1-2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stellt in Berlin (West) Drahtwaren her. Im Jahre 1971 sind ihr für eine Hofbefestigung und eine Umzäunung Teilherstellungskosten in Höhe von ... DM entstanden. Ihren Antrag, ihr von dem genannten Betrag eine Investitionszulage von 10 v. H. zu gewähren, lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ab. Auch der Einspruch und die Klage blieben erfolglos. Das FG vertrat die Auffassung, daß nach § 19 Abs. 1 und 2 BerlinFG nur bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Gebäude sowie Ausbauten und Erweiterungen an zum Anlagevermögen gehörenden Gebäuden begünstigt seien. Für sogenannte Außenanlagen sei im Gesetz eine Investitionszulage nicht vorgesehen.
Demgegenüber trägt die Klägerin mit der Revision vor:
Nach § 19 Abs. 1 BerlinFG seien abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens schlechthin begünstigt. Dazu gehörten auch die Außenanlagen. Weitere Erfordernisse stelle § 19 Abs. 1 BerlinFG nicht auf. Lediglich § 19 Abs. 2 BerlinFG enthalte noch zusätzliche Voraussetzungen, beschränke diese jedoch auf die dort im einzelnen aufgeführten beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sowie auf die Gebäude, Ausbauten und Erweiterungen. Die Außenanlagen würden dabei nicht erwähnt. Daraus, daß die Außenanlagen in § 19 Abs. 2 BerlinFG übergangen worden seien, könne auch nicht geschlossen werden, daß sie nach § 19 Abs. 1 BerlinFG nicht begünstigt seien. Denn der Wortlaut des § 19 Abs. 1 BerlinFG sei eindeutig. Auch die Entstehungsgeschichte spreche für diese Auslegung. Durch die Einführung des InvZulG vom 18. August 1969 für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) habe sich der Präferenzvorsprung für Berlin verringert. In der Absicht, diesen wieder herzustellen, seien die Investitionszulagevergünstigungen in § 19 des BHG - i. d. F. des Art. 6 StÄndG 1969 vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) - (dem späteren Berlinförderungsgesetz) verbessert worden (vgl. Bundestags-Drucksache V/4287). Das sei u. a. dadurch geschehen, daß die Worte "für die nach dem 30. Juni 1968 angeschafften oder hergestellten abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" durch die Worte "für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Ausbauten und Erweiterungen an zum Anlagevermögen gehörenden Gebäuden" ersetzt worden seien. Diesen Wortlaut habe man dem Investitionszulagengesetz entnommen. Da Außenanlagen unstreitig nach dem Investitionszulagengesetz begünstigt seien (vgl. Erlaß des BdF vom 12. Februar 1970, BStBl I 1970, 226 unter Nr. 5 Abs. 6) müsse dies auch für § 19 Abs. 1 BerlinFG gelten. Das sei auch die Auffassung von Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 33 zu § 19 BerlinFG.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Änderung des Bescheids vom 10. August 1972 das FA zu verpflichten, aus einem Betrag von ... DM ihr eine weitere Investitionszulage in Höhe von 10 v. H. zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Ginge man bei der Auslegung nur vom Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 1 BerlinFG aus, so wäre die Einbeziehung der sogenannten Außenanlagen in die Begünstigung nach § 19 Abs. 1 BerlinFG allerdings möglich. Denn unter die "abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" fallen außer den beweglichen auch die unbeweglichen Wirtschaftsgüter, und damit auch die Außenanlagen.
Eine solche, allein am Wortlaut orientierte Auslegung würde jedoch weder dem systematischen Zusammenhang gerecht, in dem § 19 Abs. 1 BerlinFG steht, noch würde sie - entgegen der Auffassung der Klägerin - mit der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift in Einklang stehen (vgl. wegen der einzelnen Kriterien, nach denen ein Gesetz auszulegen ist, Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 1 StAnpG, Anm. 8 ff., und wegen ihres Verhältnisses zueinander Entscheidung des BVerfG, vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, Band 11 S. 126 [130]).
2. Zunächst spricht alles dafür, daß der Gesetzgeber die nach § 19 Abs. 1 BerlinFG begünstigten "abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" in § 19 Abs. 2 BerlinFG nur näher umschreiben und im einzelnen die Voraussetzungen bestimmen wollte, unter denen sie zulagebegünstigt sind. Dafür, daß der Gesetzgeber in § 19 Abs. 2 BerlinFG nur für die beweglichen Wirtschaftsgüter sowie für Gebäude, Ausbauten und Erweiterungen zusätzliche Voraussetzungen aufstellen wollte, während die Außenanlagen nach § 19 Abs. 1 BerlinFG ohne solche zusätzlichen Erfordernisse begünstigt sein sollten, gibt es keinen vernünftigen Grund. Im Gegenteil, die Vorinstanz hat mit Recht darauf hingewiesen, daß ein sinnwidriges Ergebnis entstehen würde, wenn man die Außenanlagen ohne Rücksicht auf den Zusammenhang der Vorschriften in die "abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" i. S. der Begünstigung des § 19 BerlinFG einbeziehen würde. Denn während die Gewährung einer Investitionszulage nach § 19 Abs. 2 BerlinFG davon abhängt, daß bewegliche Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in dem Berliner Betrieb verbleiben und die Gebäude, Ausbauten und Erweiterungen in Berlin errichtet werden, bestünde eine ähnliche Bindung für Außenanlagen nicht. Das hätte zur Folge, daß beispielsweise auch in der Bundesrepublik errichtete Außenanlagen nach dem Berlinförderungsgesetz begünstigt wären, obwohl sich dieses Gesetz ausdrücklich nur auf Investitionen in Berlin bezieht.
3. Auch auf die Regelung in § 14 BerlinFG hat die Vorinstanz mit Recht hingewiesen. § 14 und § 19 BerlinFG stehen in einem Zusammenhang zueinander. Auch § 14 BerlinFG geht von den abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens aus. Während er für diese Wirtschaftsgüter die Sonderabschreibung regelt, betrifft § 19 BerlinFG die Investitionszulagen. Auch äußerlich nimmt § 19 Abs. 2 Satz 4 BerlinFG auf § 14 BerlinFG Bezug. Es ist deshalb gerechtfertigt, bei der Auslegung des § 19 BerlinFG die Regelung des § 14 BerlinFG mit heranzuziehen.
Nach dem Berlinhilfegesetz 1964 (BStBl I 1964, 510) war eine erhöhte Abschreibung auch auf Außenanlagen möglich, sofern sie zum Anlagevermögen einer in Berlin (West) gelegenen Betriebstätte gehörten und nach dem 31. Dezember 1958 und vor dem 1. Januar 1970 in Berlin (West) errichtet wurden (vgl. § 14 Abs. 1 und 2 BHG 1964). Im Berlinhilfegesetz 1968 - i. d. F. von Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes vom 19. Juli 1968 (BGBl I 1968, 833, BStBl I 1968, 1006) - hat man diese Regelung jedoch geändert. Seitdem sind Sonderabschreibungen außer bei beweglichen Wirtschaftsgütern nur noch bei bestimmten Gebäuden möglich. Eine Sonder-AfA auf Außenanlagen gibt es nicht mehr. § 19 BerlinFG, dessen Auslegung hier im Streit ist, geht auf Art. 6 StÄndG 1969 zurück. Die Vorinstanz weist nun darauf hin, daß es keinen ersichtlichen Grund für die Annahme gibt, der Gesetzgeber habe in Art. 6 StÄndG 1969 für die Außenanlagen eine Investitionszulage einführen wollen, obwohl er sie erst wenige Monate zuvor von der Sonder-AfA ausgeschlossen habe. Der erkennende Senat hält diese Schlußfolgerung der Vorinstanz ebenfalls für zutreffend.
4. Auch auf die Gesetzesmaterialien kann sich die Klägerin nicht berufen. Zwar ergibt sich aus dem Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses zu Art. 6 StÄndG 1969 (S. 9 zu Bundestags-Drucksache V/4287), daß § 19 BHG in mehreren Punkten verbessert werden sollte, um Berlin den Präferenzvorsprung zu erhalten, der durch die Einführung eines Investitionszulagengesetzes für den Bereich der Bundesrepublik gefährdet erschien. Es heißt dort: "Die bisher nur für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gewährte Investitionszulage nach § 19 BHG wird in Anpassung an die Regelung in Artikel 1 § 1 des Steueränderungsgesetzes auf zum Anlagevermögen gehörende Gebäude sowie auf Ausbauten und Erweiterungen an zum Anlagevermögen gehörenden Gebäuden ausgedehnt. Die Investitionszulage, die in diesen Fällen einheitlich 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten betragen soll, kommt nur für Gebäude im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a des Berlinhilfegesetzes in Betracht...". Danach war eine Ausdehnung der Investitionszulagenvergünstigung also nur auf Gebäude, Ausbauten und Erweiterungen vorgesehen. Außenanlagen werden hier nicht erwähnt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß diese Verbesserung "in Anpassung" an die Regelung des Investitionszulagengesetzes erfolgen sollte. Denn daraus kann nicht geschlossen werden, daß die ganze Regelung des Investitionszulagengesetzes für das Berlinhilfegesetz übernommen werden sollte.
Platzbefestigungen und Umzäunungen können in Ausnahmefällen Betriebsvorrichtungen (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG 1965) und damit bewegliche Wirtschaftsgüter i. S. des Einkommensteuerrechts und des Investitionszulagerechts sein (vgl. Urteile des BFH vom 23. Februar 1962 III 222/58 U, BFHE 74, 474, BStBl III 1962, 179, und vom 2. Juni 1971 III R 18/70, BFHE 102, 560, BStBl II 1971, 673). Da auch dies hier unstreitig nicht der Fall ist, war die Revision zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 71793 |
BStBl II 1976, 320 |
BFHE 1976, 270 |