Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Umständen die Abtretung eines Teils einer Kommanditbeteiligung seitens einer Gesellschafterin an ihren Ehemann im Hinblick auf das Bestehen einer Unternehmereinheit als umsatzsteuerlich unbeachtlich angesehen werden kann.
Die Bedeutung der Eintragungen im Handelsregister im Verhältnis zur Umsatzsteuer.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1 S. 2; UStG Abs. 2 Ziff. 2; StAnpG § 11 Nr. 3; BGB § 117 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die im Kalenderjahr 1958 bewirkten Lieferungen der Klägerin (zugleich Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionsklägerin, im folgenden Steuerpflichtige - Stpfl. -) an die Firma A- GmbH zur Umsatzsteuer heranzuziehen sind oder als sogenannte Innenumsätze nicht der Umsatzsteuer unterliegen.
Die Stpfl. betreibt Großhandel, die A- GmbH Einzelhandel mit Textilien. Die A- GmbH bezieht ihre Waren von der Stpfl. Beide Gesellschaften stehen in wirtschaftlicher Verbindung mit der Firma A- KG. Diese, eine reine Grundstücksverwaltungsgesellschaft, ist Eigentümerin und Verpächterin aller von der A- GmbH benutzten Betriebsgrundstücke.
Im Jahre 1958 waren beteiligt: an der A- KG Frau B. als persönlich haftende Gesellschafterin zu 76 v. H. und ihre vier Kinder als Kommanditisten zu je 6 v. H., an der Stpfl. dieselben Personen zu denselben Hundertsätzen mit der Ausnahme, daß eine der Kommanditistinnen, Frau C, nur 5 v. H. Kapitalanteil besaß und der restliche Kapitalanteil von 1 v. H. ihrem Ehemann, Herrn C, zustand. Frau C hatte ihrem Ehemann, der Prokurist bei der Stpfl. war, im Herbst 1953 von ihrem Kommanditanteil von 18.000 DM unentgeltlich 3.000 DM abgetreten, um ihm dadurch die Zugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer in X und die Möglichkeit zu verschaffen, in den Beirat der Kammer gewählt zu werden. Die Beteiligungsveränderung wurde im Handelsregister eingetragen. Ein Kapitalkonto wurde für Herrn C bei der Stpfl. nicht eingerichtet; das Kapitalkonto seiner Ehefrau blieb unverändert. - Einzige Gesellschafterin der A- GmbH war die A- KG.
Bei einer im Jahre 1959 durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß die Stpfl. in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für 1958 ihre mit der A- GmbH erzielten Umsätze nur für die Zeit bis zum 31. März 1958 angegeben hatte in der Annahme, zwischen ihr und der A- GmbH bestehe ein Organschaftsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 UStG und diese Umsätze seien ab 1. April 1958 infolge Aufhebung des Art. II des Kontrollratgesetzes (KRG) Nr. 15 und Wiedereinführung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft nicht umsatzsteuerbar. In der Schlußbesprechung hatten sich die Vertreter des FA dieser Auffassung angeschlossen, sich aber eine Nachprüfung der Rechtslage durch die OFD vorbehalten. Die OFD beurteilte die Rechtsverhältnisse zwischen den drei A- Gesellschaften zunächst wie folgt: Zwischen der A- KG und der A- GmbH bestehe eine Unternehmereinheit; zwischen dieser und der Stpfl. könne weder Organschaft noch Unternehmereinheit angenommen werden. Später stellte sich die OFD auf den Standpunkt, wegen der Kapitalbeteiligung des Herrn C an der Stpfl. sei weder zwischen allen drei Gesellschaften noch zwischen einzelnen von ihnen eine Unternehmereinheit gegeben; zwischen der A- KG und der A- GmbH bestehe ein Organschaftsverhältnis, wobei die A- KG die beherrschende Gesellschaft sei; ein Organschaftsverhältnis zwischen der Stpfl. und der A- GmbH entfalle, weil Organschaft nur zur einer Obergesellschaft möglich sei und Unternehmereinheit zwischen der A- KG und der Stpfl. ebenso ausscheide wie eine Eingliederung der A- KG in die Stpfl. gemäß § 2 Abs. 2 Ziff. 1 UStG (sogenanntes organschaftsähnliches Verhältnis). Die Lieferungen der Stpfl. an die A- GmbH könnten nicht als nichtsteuerbare Innenumsätze behandelt werden. Das FA zog die Stpfl. mit ihren Umsätzen an die A- GmbH für den gesamten Veranlagungszeitraum 1958 zur Umsatzsteuer heran. In der Einspruchsentscheidung folgte es im wesentlichen der von der OFD zuletzt vertretenen Rechtsauffassung.
Mit der Berufung hatte die Stpfl. teilweise Erfolg. Das FG stellte die Stpfl. mit ihren in der Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1958 getätigten Umsätzen von der Umsatzsteuer frei. In übereinstimmung mit der Einspruchsentscheidung ging es davon aus, daß zwischen der A- GmbH als Untergesellschaft und der A- KG als Obergesellschaft ein Organschaftsverhältnis bestehe. In Abweichung von der Rechtsauffassung der OFD und des FA hielt es aber zwischen der A- KG (einschließlich der A- GmbH) und der Stpfl. eine Unternehmereinheit für gegeben: Der Anteil von 1 v. H. am Kapital der Stpfl. in der Hand des Herrn C sei steuerlich unschädlich. Im Innenverhältnis sei Herr C nicht als Gesellschafter angesehen worden, wie sich u. a. aus dem Fehlen eines Kapitalkontos für ihn ergebe. Der Abtretungsvertrag zwischen den Eheleuten C vom Herbst 1953 beruhe auf einem Scheingeschäft im Sinne des § 117 Abs. 1 BGB und sei daher gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 StAnpG für die Besteuerung ohne Bedeutung. Bei den in der Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1958 seitens der Stpfl. an die A- GmbH bewirkten Warenlieferungen habe es sich um nichtsteuerbare sogenannte Innenumsätze zwischen den zu einer Unternehmereinheit zusammengeschlossenen beiden KG (A-KG und Stpfl.) und der A- GmbH als deren Organgesellschaft gehandelt. Für die Zeit bis zum 31. März 1958 sei gemäß Art. II KRG Nr. 15 das Institut der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft aufgehoben gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten sich daher die Unternehmereinheit A- KG / Stpfl. einerseits und die A- GmbH andererseits als zwei selbständige Unternehmen gegenübergestanden. Das FA habe daher die zwischen ihnen vom 1. Januar bis 31. März 1958 getätigten Umsätze zu Recht zur Umsatzsteuer herangezogen.
Mit der Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 Abs. 2, §§ 115 ff. FGO), rügt das FA unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts. Die rechtliche Beurteilung des zwischen den Eheleuten C abgeschlossenen Abtretungsvertrages als Scheingeschäft sei unzutreffend. Eine Täuschungsabsicht allein genüge nicht zur Annahme eines Scheingeschäfts. Die Eintragung des Herrn C als Kommanditist im Handelsregister sei ernstlich gewollt gewesen. Auch aus dem Gesichtspunkt eines Treuhandverhältnisses könne nichts für die Annahme einer Unternehmereinheit gewonnen werden. § 11 Ziff. 2 StAnpG sei wegen des Grundsatzes der Erklärungstreue des Handelsregisters eng auszulegen, vor allem, wenn ein Treuhandverhältnis zwischen Eheleuten behauptet werde. Das FG hätte den Sachverhalt näher aufklären müssen und sich nicht auf die Behauptungen der Stpfl. verlassen dürfen. Erst nach der Einlegung der Revision durch das FA (nämlich erst am 13. Dezember 1963) habe die Stpfl. beim Handelsregister beantragt, festzuhalten, daß Herr C nie Gesellschafter gewesen sei. Herr C habe der Behandlung als Gesellschafter bei den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen 1953 bis 1958 nicht widersprochen. Wie sehr er auch im Innenverhältnis als Gesellschafter anerkannt worden sei, ergebe sich daraus, daß ihm durch notariellen Vertrag vom 18. Juli 1963 (also zwei Monate vor dem Ergehen des FG-Urteils) bei der Stpfl. und bei der A- KG zusätzlich Kapitalanteile in Höhe von 4 1/2 v. H. übertragen worden seien.
Die Stpfl. betont in ihren Gegenerklärungen, es habe bei allen Beteiligten der Wille gefehlt, Herrn C als Gesellschafter in die Stpfl. aufzunehmen, und daher eine rechtswirksame übertragung des Geschäftsanteils an ihn nicht stattgefunden. Auf die rechtliche Einordnung des Geschehens als Scheingeschäft oder Treuhandverhältnis komme es nicht an. Die Stpfl. hält die Beweisführung des FA, soweit sie sich auf Vorgänge nach 1958 stützt, für unbeachtlich, weil sie auf neuem tatsächlichen Vorbringen beruhe, das in der Revisionsinstanz nicht zulässig sei. Nur vorsorglich legt sie die Gründe für ihr Verhalten in den Jahren nach 1958 dar. Sie ist der Ansicht, daß dieses Verhalten Schlüsse auf die Rechtsgültigkeit des Abtretungsvertrages von 1953 nicht zuläßt.
Mit der Anschlußrevision (früher Anschlußbeschwerde) begehrt die Stpfl. die Freistellung von der Umsatzsteuer, soweit sie auf ihre Lieferungen an die A- GmbH entfällt, auch für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1958: Die Tatsache, daß die A- GmbH nur ein Betrieb der A- KG sei, werde durch das KRG Nr. 15 nicht beseitigt. Da nach den Grundsätzen der Unternehmereinheit die A- KG mit der Stpfl. zusammen einen Unternehmer bilde, umfasse diese Einheit auch die A- GmbH. Das KRG Nr. 15 gebiete nur die Besteuerung der Umsätze zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft, hier also zwischen A- KG und A- GmbH, die jedoch nicht im Streit seien. Falls der Senat das Vorliegen einer Unternehmereinheit verneine, bleibe zu prüfen, ob nicht alle in Betracht kommenden Personen und Gesellschaften organschaftlich verbunden seien. Frau B könne, weil sie als Komplementärin mit 76 v. H. der Kapitalanteile die Willensbildung in beiden KG bestimme, als Spitze eines Organkreises angesehen werden, auf den wegen der Beherrschung durch eine Einzelperson das KRG Nr. 15 keine Anwendung finde.
Entscheidungsgründe
I. - Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Sachverhalt bedarf noch der weiteren Aufklärung. FA und OFD haben die Zusammenhänge zwischen den drei A- Gesellschaften nach den verschiedenen Richtungen hin umsatzsteuerrechtlich untersucht. Sie sind hierbei - wie oben aufgezeigt - zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. In der Einspruchsentscheidung hat das FA u. a. geprüft, ob zwischen der A- KG und der Stpfl. infolge Unterordnung der ersten unter die zweite ein organschaftsähnliches Verhältnis gemäß § 2 Abs. 2 Ziff. 1 UStG angenommen werden kann. Es hat die Frage mangels finanzieller und wirtschaftlicher Eingliederung der A- KG in die Stpfl. verneint. Es hat jedoch eine Prüfung der Frage, ob nicht umgekehrt die Stpfl. in die A- KG eingegliedert ist, nicht stattgefunden. Sie hätte um so näher gelegen, als das FA in der Einspruchsentscheidung selbst ausführt, die A- KG habe als Eigentümerin der Grundstücke, die teils an die A- GmbH und teils an die Stpfl. verpachtet seien, rechtlich und wirtschaftlich betrachtet, gegenüber der Stpfl. keine untergeordnete, sondern eine mindestens nebengeordnete Stellung. Manches deutet darauf hin, daß die A- KG der Stpfl. übergeordnet ist und die beiden KG nicht eine Unternehmereinheit sind, sondern in einem organschaftsähnlichen Verhältnis zueinander stehen. (Beachte jedoch die Ausführungen am Ende des Urteils*ü) In diesem Falle würden die drei A- Gesellschaften einen Organkreis bilden, in dem die A- KG die Muttergesellschaft, die A- GmbH eine echte Organgesellschaft und die Stpfl. eine organschaftsähnliche Gesellschaft wäre. Die Umsätze aller drei Gesellschaften untereinander, also auch die Lieferung der Stpfl. an die A- GmbH, wären alsdann ab 1. April 1958 nicht umsatzsteuerbar.
Prüft man die Voraussetzungen eines organschaftsähnlichen Verhältnisses zwischen der A- KG als Obergesellschaft und der Stpfl. als Untergesellschaft, so zeigt sich folgendes: Die organisatorische Eingliederung ist infolge der Geschäftsleitung beider KG durch die Komplementärin, Frau B. gegeben. Auch die finanzielle Eingliederung ist im Hinblick darauf, daß Frau B 76 v. H. der Gesellschaftsanteile in beiden KG in ihren Händen hat, nicht zweifelhaft. Wie der Senat erst kürzlich bestätigt hat, kann eine Organschaft oder ein organschaftsähnliches Verhältnis auch dann vorliegen, wenn die Obergesellschaft an der Untergesellschaft nur mittelbar (über ihre Gesellschafter) beteiligt ist (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des BFH V 35/64 vom 2. Februar 1967). Noch nicht hinreichend geklärt ist jedoch die wirtschaftliche Eingliederung der Stpfl. in die A- KG. Ist die A- KG Eigentümerin aller oder der hauptsächlichsten der von der Stpfl. benutzten Betriebsgrundstücke - wie es nach der Einspruchsentscheidung den Anschein hat -, so entsprechen die Verhältnisse in dieser Hinsicht weitgehend denen zwischen der A- KG und der A- GmbH. Die A- KG könnte durch Kündigung des Pachtvertrages der Stpfl. die Betriebsgrundstücke entziehen (vgl. Urteil des Senats V 113/65 vom 17. November 1966, BFH 87, 231, BStBl III 1967, 103, und die dort weiter angeführten Urteile). In welcher Weise sich die "Betriebsaufspaltung" vollzieht - ob durch Gründung einer neuen Gesellschaft, der das gesamte Betriebsvermögen mit Ausnahme der Betriebsgrundstücke übertragen wird, oder durch Umbildung einer bestehenden Gesellschaft (hier: Umwandlung der A- KG aus einer Einzelhandelsgesellschaft in eine Grundstücksgesellschaft), der die Betriebsgrundstücke übereignet werden -, macht keinen entscheidenden Unterschied aus. In dem an die OFD Y gerichteten Schriftsatz der Stpfl. vom ... wird ausgeführt, daß eine solche Grundstücksübereignung an die A- KG im Jahre 1958 stattgefunden habe. Noch zu klären sind ihr genauer Zeitpunkt und ihr Umfang (vgl. auch die dem Betriebsprüfungsbericht beigefügte Vermögensaufstellung, nach der die Stpfl. am 31. Dezember 1958 erhebliches Grundvermögen besaß; beachte auch die Ausführungen am Ende dieses Urteils).
Eine Unternehmereinheit zwischen der A- KG und der Stpfl. kann wegen der zusätzlichen Beteiligung des Herrn C an der letzteren nicht angenommen werden.
die Abtretung des Anteils von 1 v. H. seitens Frau C an ihren Ehemann war nach Ansicht des Senats kein Scheingeschäft im Sinne des § 117 Abs. 1 BGB. Die Eheleute wollten den Eintritt des mit der Erklärung beabsichtigten Erfolges. Denn nur als Gesellschafter und damit als selbständiger Kaufmann, nicht als Angestellter, konnte Herr C in den Beirat der Industrie- und Handelskammer gewählt werden. Es ist unwahrscheinlich, daß die Industrie- und Handelskammer, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, Herrn C als Mitglied ihres Beirats akzeptiert hätte, wenn ihr bekannt gewesen wäre, daß seine Bestellung als Gesellschafter und die Eintragung in das Handelsregister nur zum Schein erfolgt seien. Es spricht gegen den Scheincharakter eines Rechtsgeschäfts, wenn der mit ihm erstrebte Zweck nur bei Gültigkeit des Rechtsgeschäfts erreicht werden kann (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs V ZR 103/60 vom 25. Oktober 1961, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 36 S. 84 (88)). Die Vertragspartner haben mit dem Abtretungsvertrag einen bestimmten, wirtschaftlich vernünftigen Zweck verfolgt.
Auch ein Treuhandverhältnis im Sinne des § 11 Ziff. 3 StAnpG liegt nicht vor. Treuhänder ist, wer einen Gegenstand oder ein Vermögen zu treuen Händen übertragen erhält, damit er die übertragene Rechtsmacht in eigenem Namen uneigennützig im Interesse des Treugebers ausübt. Es bestand kein Anlaß, Herrn C als Treuhänder seiner Frau zum Gesellschafter zu bestellen. Die übertragung des Geschäftsanteils an Herrn C erfolgte in dessen Interesse bzw. im Interesse der Firma, nicht aber im Interesse von Frau C. Außerdem sind an Beweisanzeichen für Treuhänderschaft zwischen Ehegatten besonders strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Urteil des Senats V 234/59 vom 21. Dezember 1961, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962 S. 214 - HFR 1962, 214 -).
Hiervon abgesehen kommt es im Umsatzsteuerrecht auf die Tatsachen an, nicht darauf, was der Einzelne angeblich will oder nicht will, wenn sein Wollen oder Nichtwollen nach außen nicht in Erscheinung tritt oder gar zum Geschehensablauf in Gegensatz steht. In diesem Zusammenhang haben die Eintragungen im Handelsregister besondere Bedeutung. Im Handelsrecht ist durch Gewohnheitsrecht der Satz aufgestellt worden, daß derjenige, der im Handelsverkehr eine öffentliche Erklärung abgibt (insbesondere durch Anmeldung zum Handelsregister), von einem gutgläubigen Dritten daran festgehalten werden kann (Grundsatz der "Erklärungstreue"; vgl. dazu Urteil des Reichsgerichts VII 140/16 vom 16. September 1916, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 89 S. 163; Gierke, Handels- und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl., S. 64; Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 165 Anm. 18). Dieses Recht steht auch dem FA zu. Die öffentlichkeit bedarf des Vertrauensschutzes, den das Handelsregister gewährt, in besonderem Maße (vgl. die Urteile des Senats V 105/59 vom 18. Januar 1962, HFR 1962, 248; V 267/59 vom 3. Mai 1962, HFR 1962, 291). Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des BFH sind aus Gründen der Gleichmäßigkeit und Klarheit der Besteuerung Vereinbarungen zwischen dem Vorlieferer und dem Inhaber eines Ladengeschäfts, dieser sollte im Namen und für Rechnung des Vorlieferers tätig sein, umsatzsteuerrechtlich ohne Bedeutung, wenn die Vermittlereigenschaft nicht für Dritte deutlich erkennbar hervortritt. Der Grundsatz, daß es im Umsatzsteuerrecht entscheidend auf das Auftreten nach außen ankommt, muß erst recht gelten, wenn Erklärungen des Stpfl. in einem dem Vertrauensschutz dienenden öffentlichen Buch wie dem Handelsregister dokumentiert werden.
Dies gilt vor allem bei Unternehmereinheiten. Der Senat verlangt für die Anerkennung einer Unternehmereinheit in ständiger Rechtsprechung, daß klare und übersehbare Beteiligungsverhältnisse vorliegen (vgl. z. B. Urteil V 162/52 S vom 8. Februar 1955, BFH 60, 294, BStBl III 1955, 113). Macht der Stpfl. - wie im Streitfalle - geltend, der Inhalt des Handelsregisters stimme mit dem wirklichen Willen der Beteiligten bezüglich der Zugehörigkeit eines Gesellschafters zur Gesellschaft nicht überein, so fehlt es an dieser Voraussetzung. Einer Würdigung der vom FA für die Rechtsgültigkeit der Abtretungserklärung von 1953 vorgetragenen Argumente und der Gegenargumente der Stpfl. - die nach Aufhebung der Vorentscheidung im Revisionsverfahren möglich wäre, obwohl zum Teil neue Tatsachen vorgebracht werden - bedarf es daher nicht. Stellt das FG im zweiten Rechtsgang fest, daß die Stpfl. der A- KG nicht untergeordnet, sondern ihr nebengeordnet ist, so kommt Nichtsteuerbarkeit der Lieferungen der Stpfl. an die A- GmbH mit der Begründung, es bestehe Unternehmereinheit zwischen der Stpfl. und der A- KG und Organschaft zwischen dieser Unternehmereinheit und der A- GmbH, nicht in Betracht.
II. - Die Anschlußrevision der Stpfl. ist in jedem Falle unbegründet, gleichviel ob zwischen der A- KG und der Stpfl. über- bzw. Unterordnung oder Nebenordnung besteht; dies würde selbst dann gelten, wenn im Verhältnis zwischen der A- KG und der Stpfl. alle Voraussetzungen der Unternehmereinheit vorlägen. Im Falle eines Organschaftsverhältnisses zwischen A-KG und Stpfl. waren vor dem 1. Erlaß FinMin NW S-2528 - 664/59 VA - 2 v. 11. 5. 1959 Weiss UStR 1976 143; BFH Urteil V R 23/73 v. 19. 2. 1976; April 1958 alle Umsätze zwischen den einzelnen Gesellschaften (also auch die Umsätze zwischen den Schwestergesellschaften) auf Grund des Art. II KRG Nr. 15 umsatzsteuerbar. Im Falle einer Unternehmereinheit zwischen der A- KG und der Stpfl. bildete die hinter den beiden KG stehende Personengruppe den Unternehmer. Diese Personengruppe und die A- GmbH waren auf Grund des Art. II KRG Nr. 15 vor dem 1. April 1958 als zwei selbständige Unternehmer anzusehen und ihre Umsätze zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Die Umsätze der A- KG (bei Annahme eines organschaftsähnlichen Verhältnisses zwischen ihr und der Stpfl.) bzw. die Umsätze der Personengruppe (bei Unterstellung einer Unternehmereinheit zwischen der A- KG und der Stpfl.) können nicht in Umsätze der Komplementärin Frau B umgedeutet werden. Zwischen den Umsätzen einer Gesellschaft und den Umsätzen ihrer Mitglieder ist im Umsatzsteuerrecht scharf zu unterscheiden.
III. - Die die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1958 betreffende Anschlußrevision war daher als unbegründet zurückzuweisen. Für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1958 wird das FG den Sachverhalt in den angegebenen Richtungen noch weiter aufzuklären und alsdann unter Beachtung der obigen Rechtsausführungen erneut zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 412556 |
BStBl III 1967, 543 |
BFHE 1967, 106 |
BFHE 89, 106 |