Leitsatz (amtlich)
Ein Orden, der seine Lehre (Verbreitung geistiger und sittlicher Werte) aufgrund einer besonderen Lehrmethode durch Lehrbriefe vermittelt und das vertrauliche Lehrmaterial entsprechend den Ordensregeln und seiner Satzung ausschließlich seinen Mitgliedern zukommen läßt, dient nicht unmittelbar gemeinnützigen Zwecken und ist deshalb nicht von der Körperschaftsteuer befreit.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; StAnpG § 17; GemV § 1 ff.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein, gehört zur Organisation des ... Ordens, der über zahlreiche Länder der Welt verbreitet ist.
Für die Streitjahre (1966 bis 1968) ist die Satzung i. d. F. vom 1. April 1964 (im folgenden: Satzung 1964) und i. d. F. vom 25. September 1968 (im folgenden: Satzung 1968) maßgeblich.
Nach § 2 der Satzung 1964 ist Zweck des Vereins, die Natur- und Geistesgesetze zu studieren, zu erforschen und praktisch anzuwenden und "... ferner, seine Mitglieder zu lehren, wie sie in Übereinstimmung mit den schöpferischen und aufbauenden Kräften des Kosmos und der Natur in Gesundheit, Glück und Frieden zu leben vermögen und die Lehre des Ordens zu verwirklichen". In der Satzung 1968 sind in Art. 4 "die Ziele des Vereins" aufgeführt. Danach hat dieser u. a. "für die Fortdauer und Verbreitung der Grundsätze, Praktiken, Lehren und Ideale des ... zu sorgen ... unverändert ... die esoterischen, mystischen und metapsychischen, philosophischen, wissenschaftlichen, humanitären Lehren usw. ... aufrechtzuerhalten ..., die Verbreitung von Kenntnissen, Instruktionen und persönlichen Richtlinien, welche geeignet sind, im Leben von Männern und Frauen, besonders aber unter den Mitgliedern des Ordens, die Prinzipien von Anstand, Verantwortung und Moral durchzusetzen, um deren Charakter durch Kultur zu formen und eine weltweite Bruderschaft zu bilden, welche sich in einem Geiste des Friedens, der Wohltätigkeit und des guten Willens dem Menschengeschlecht gegenüber ausdrückt".
Mitglied des Klägers kann jeder werden, unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit, seiner Rasse, seinem Alter und seiner Religionszugehörigkeit (§ 4 Abs. 2 Satzung 1964, Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Satzung 1968). Die schriftlichen Aufnahmegesuche bedürfen bei einer Zurückweisung keiner Begründung; die Entscheidung des Ersten Vorsitzenden ist endgültig und geschieht nach freiem Ermessen (§ 4 Abs. 3 Satzung 1964, Art. 9 Abs. 3 Satzung 1968). Die Mitglieder haben eine Aufnahmegebühr und monatliche Mitgliedsbeiträge zu leisten, deren Höhe vom Vorstand festgesetzt wird (§ 6 Satzung 1964, Art. 14 Abs. 2 Satzung 1968).
Die Mitglieder des Ordens erhalten entsprechend einer Methode der persönlichen Lenkung und Führung nach Graden und Stufen eingeteilte sowie nach pädagogischen Gesichtspunkten abgefaßte Lehrbriefe, die ihnen die Lehre ... vermitteln sollen (§ 4 Abs. 1 Satzung 1964, vgl. auch Art. 9 Abs. 1 Satzung 1968). Das leihweise überlassene Lehrmaterial, die Lehrbriefe und Abhandlungen haben die Mitglieder vertraulich zu behandeln. Im deutschsprachigen Raum veranstaltet der Kläger jedermann zugängliche Konzerte und Vorträge, auf die zuvor in Zeitungsanzeigen hingewiesen wird.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hatte den Kläger zur Körperschaftsteuer herangezogen und die Steuer auf 514 DM (1966), 764 DM (1967) und 1 131 DM (1968) festgesetzt. Einen Antrag des Klägers, ihn als gemeinnützig anzuerkennen, hatte das FA kurz zuvor abgelehnt.
Der Einspruch des Klägers gegen die Steuerbescheide war erfolglos.
Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die Steuerbescheide und die Einspruchsentscheidung auf und setzte die Körperschaftsteuer auf jeweils 0 DM fest. Der Kläger sei nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit.
Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG i. V. m. § 17 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG).
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger ist nicht gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG von der Körperschaftsteuer befreit.
1. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG waren von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienten. Die Voraussetzungen für diese persönlichen Steuerbefreiungen ergaben sich im einzelnen aus §§ 17 bis 19 StAnpG und aus der Verordnung zur Durchführung der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes (Gemeinnützigkeitsverordnung - GemV -) vom 24. Dezember 1953 (BGBl I 1953, 1592, BStBl I 1954, 6), zuletzt geändert durch Art. 5 des Steueränderungsgesetzes 1969 - StÄndG 1969 - vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477).
Danach waren gemeinnützig solche Zwecke, durch deren Erfüllung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wurde (§ 17 Abs. 1 StAnpG). Anzunehmen war eine Förderung der Allgemeinheit dann, wenn die Tätigkeit dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet nützte (§ 17 Abs. 2 StAnpG). In § 17 Abs. 3 StAnpG waren Beispielsfälle aufgeführt, in denen "insbesondere" die Förderung der Allgemeinheit und damit grundsätzlich auch die Gemeinnützigkeit anzuerkennen war. Als gemeinnützige Zwecke waren u. a. besonders genannt (Nr. 2) "die Förderung der Wissenschaft, Kunst und Religion, der Erziehung, Volks- und Berufsbildung ...".
Die Bestimmungen der Satzung mußten so genau gefaßt sein, daß aufgrund der Satzung die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung geprüft werden konnten (§ 12 Abs. 1 GemV).
2. Der Zweck des Klägers ist in den Satzungen 1964 und 1968 hinreichend genau bestimmt i. S. des § 12 Abs. 1 GemV.
In § 3 Satzung 1964 ist der Zweck eindeutig festgelegt; in Art. 4 Satzung 1968 sind nur "die Ziele des Vereins" aufgeführt. Es genügt jedoch insoweit, daß die sog. formelle Satzungsmäßigkeit aufgrund einer Auslegung der (gesamten) Satzungsbestimmungen ("... aufgrund der Satzung ...") anerkannt werden kann. Insbesondere aus Art. 3, 4 und 17 Satzung 1968 läßt sich - wovon auch das FG ausgegangen ist - entnehmen, daß Zweck des Klägers die Verbreitung geistiger und sittlicher Werte ist.
Dem steht nicht entgegen, daß sich der Kläger der obersten Großloge des Ordens "... in jeder Beziehung ..." untergeordnet hat. Wenn auch die Einzelheiten dieser Unterordnung in einer besonderen Geschäftsordnung festgelegt werden können, so gibt es doch keine Anhaltspunkte dafür, daß dadurch die satzungsmäßigen Zwecke beeinflußt oder geändert worden sind.
3. Der Kläger hat - entgegen der Auffassung des FG - in den Streitjahren nicht die Allgemeinheit i. S. des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts gefördert und auch nicht durch seine Tätigkeit dem allgemeinen Besten auf geistigem oder sittlichem Gebiet genützt (§ 17 Abs. 1, 2 StAnpG). Das entspricht dem richtigen Verständnis des unbestimmten Gesetzesbegriffes "Förderung der Allgemeinheit" (§ 17 Abs. 2 StAnpG), durch den der unbestimmte Wertbegriff gemeinnützige Zwecke in § 17 Abs. 1 StAnpG im wesentlichen umschrieben und definiert wird. ... - Begründung hierzu ist gleichlautend mit Abschn. I Nr. 4 a) des vorstehenden Urteils I R 39/78 - (s. S. 482 [484]).
4. Bei dieser Rechtsauffassung vom unbestimmten Gesetzesbegriff "Förderung der Allgemeinheit" kann die Tätigkeit des Klägers nicht als dem allgemeinen Besten nutzend und damit steuerlich als gemeinnützig angesehen werden. Die Tätigkeit des Klägers kam in den Streitjahren nicht der Allgemeinheit i. S. des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts zugute.
a) Das FG hat zutreffend die Verbreitung geistiger und sittlicher Werte als den maßgeblichen Vereinszweck angesehen, der durch Studium, Erforschung und praktische Anwendung von Natur- und Geistesgesetzen verwirklicht werden soll. Der Kläger will ferner "seine Mitglieder" - auch das ist ein Zweck des Klägers, wie er in der Satzung 1964 festgelegt ist - "lehren, wie sie in Übereinstimmung mit den schöpferischen und aufbauenden Kräften des Kosmos und der Natur in Gesundheit, Glück und Frieden zu leben vermögen ...". Wenn das FG diese Zwecke als nützlich für den einzelnen Menschen und auch für die Allgemeinheit gewertet hat, so ist das nicht zu beanstanden.
b) Daraus folgt jedoch (noch) nicht, daß der Kläger durch diese Zwecke - wie das FG annimmt - ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert hat.
Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit des Klägers wird nicht schon nach § 17 Abs. 4 StAnpG ausgeschlossen. Der Kläger ist kein fest abgeschlossener Verein mit geschlossener Mitgliederzahl. Nach den Satzungen des Klägers (§ 4 Satzung 1964, Art. 9 Satzung 1968) kann grundsätzlich jedermann Mitglied werden. Daß ein schriftliches Aufnahmegesuch zu stellen ist, kann für sich allein nicht als Beschränkung bei der Mitgliederaufnahme gewertet werden. Nicht ganz unbedenklich in diesem Zusammenhang erscheint jedoch die Regelung, nach der allein der Erste Vorsitzende über die Aufnahmegesuche entscheidet, und zwar endgültig und nach seinem freien Ermessen. Eine solche Entscheidung bedurfte zunächst (§ 4 Abs. 3 Satz 2 Satzung 1964) noch der Schriftform; das ist später (Art. 9 Abs. 3 Satzung 1968) weggefallen. Eine Begründung war bei Zurückweisung des Gesuchs nicht vorgesehen (so ausdrücklich Art. 9 Abs. 3 Satzung 1968). Es gibt jedoch keine Hinweise dafür, daß durch dieses satzungsmäßige Aufnahmeverfahren nur eine exklusive, der Zahl nach begrenzte Mitgliedschaft gewonnen werden sollte.
Erhebliche Bedenken hinsichtlich einer Förderung der Allgemeinheit ergeben sich jedoch aus der satzungsgemäßen Lehrtätigkeit des Klägers. Diese soll, wie in der Satzung ausdrücklich festgelegt (§ 2 Satzung 1964), nur seinen Mitgliedern zugute kommen. Diesen wird die Lehre aufgrund einer besonderen Lehrmethode durch Lehrbriefe vermittelt, die nach Graden und Stufen eingeteilt und nach pädagogischen Gesichtspunkten abgefaßt sind. Das Lehrmaterial ist vertraulich zu behandeln; die von den einzelnen Mitgliedern gewonnenen Erkenntnisse dürfen nicht anderen Menschen, die nicht Vereinsmitglieder sind, mitgeteilt oder mit diesen besprochen werden. Die dazu ergangenen Regeln des Ordens lassen es, worauf das FG zutreffend hinweist, nur zu, über die Lehren, Riten und Gebräuche des Ordens mit gleich- oder übergeordneten Rangträgern des Ordens zu sprechen. Die daraus von dem FG gezogenen Schlüsse, es solle Unsicherheit bei unerfahrenen Mitgliedern und ein unkontrolliertes Eindringen von Geistesströmungen von außerhalb in den Orden verhindert werden, mögen zutreffen. Diese Ordensregeln können jedoch bei der Beurteilung, ob der Kläger die Allgemeinheit gefördert hat, nicht außer Betracht bleiben. Der Senat mißt ihnen vielmehr besondere Bedeutung in diesem Zusammenhang bei. Er vermag die Auffassung des FG nicht zu teilen, diese Art der Lehre stehe einer Öffnung des Klägers für die Allgemeinheit nicht entgegen. Insoweit ist das FG hinsichtlich Inhalt und Bedeutung des Gesetzesbegriffes "Förderung der Allgemeinheit" einem Rechtsirrtum unterlegen. Gerade diese Besonderheiten in der Lehrtätigkeit des Klägers lassen nämlich deutlich werden, daß es ihm (in den Streitjahren) nicht um die Verbreitung seiner Lehren und Grundsätze unmittelbar zugunsten (zur Förderung) der Allgemeinheit ging, sondern in erster Linie und allein um die Erkenntnisse sowie die Wissens- und Verhaltensbildung seiner Mitglieder. Damit war zugleich der Personenkreis, dem die Tätigkeit des Klägers hätte nutzen können, in einer Weise eingegrenzt, daß dieser nicht mehr als "Allgemeinheit" i. S. des Gemeinnützungkeitsrechts angesehen werden kann. Die Förderung des gemeinen Besten in dem Kreis der Mitglieder kann dann nicht (mehr) zugleich als unmittelbare Tätigkeit zum Wohle der weiteren Allgemeinheit (vgl. oben 3. b) gewertet werden.
c) Die von dem Kläger veranstalteten Konzerte und Vorträge rechtfertigen keine andere Beurteilung. Wenn auch zu diesen Veranstaltungen Nichtmitglieder Zutritt hatten und auf diese Veranstaltungen durch Zeitungsanzeigen hingewiesen wurde, so können sie doch nicht die Allgemeinheit fördern i. S. des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts. Sie dienen vielmehr, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, lediglich dazu, den Kläger einem breiteren Publikum vorzustellen. Davon hat die Allgemeinheit jedoch keinen Nutzen i. S. des § 17 Abs. 2 StAnpG.
d) Die Anerkennung der Mutterloge des Klägers in ... als gemeinnützig löst - entgegen der Annahme des Klägers - keine entsprechende Anerkennung des Klägers in Deutschland aus. Die steuerrechtlichen Voraussetzungen für eine solche Anerkennung sind in den beiden Ländern verschieden. Im Streitfall können nur die einschlägigen Vorschriften des deutschen Steuerrechts angewendet werden. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß sich der Kläger der obersten Großloge "... in jeder Beziehung ..." untergeordnet hat.
e) Schließlich können auch die Ausführungen des Klägers zu Art. 137 Abs. 7 der Weimarer Verfassung und zu Art. 140 GG nicht dazu führen, eine Förderung der Allgemeinheit i. S. des § 17 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG durch die Tätigkeit des Klägers anzuerkennen. Selbst wenn der Kläger - was der Senat nicht abschließend zu entscheiden braucht - eine Weltanschauungsgemeinschaft wäre, würde seine Gleichstellung mit den Religionsgemeinschaften (Art. 137 Abs. 7 der Weimarer Verfassung) nicht bedeuten, daß seine Bestrebungen die Religion fördern. Die genannten Verfassungsvorschriften stellen lediglich die verschiedenen Gemeinschaften einander gleich. Daraus folgt nicht, daß die Förderung einer jeden Weltanschauung steuerrechtlich als gemeinnützige Tätigkeit zu werten ist.
5. Die Vorschriften der Abgabenordnung sind auf den Streitfall nicht anwendbar. Art. 97 § 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung stellt auf am 1. Januar 1977 anhängige Verwaltungsverfahren ab, nicht aber auf gerichtliche Verfahren. Die Heranziehung des Klägers zur Körperschaftsteuer war auf Verwaltungsebene abgeschlossen.
6. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war seine Entscheidung aufzuheben. Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der Kläger hat in den Streitjahren durch seine Tätigkeit nicht die Allgemeinheit gefördert und damit nach seiner Geschäftsführung nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken gedient. Er ist deshalb nicht von der Körperschaftsteuer gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG befreit. Seine Klage war daher abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 73144 |
BStBl II 1979, 492 |
BFHE 1979, 352 |