Entscheidungsstichwort (Thema)
Mißbräuchliche Zwischenvermietung bei Werkswohnungen
Leitsatz (NV)
Die Vermietung von Räumen an Unternehmer zur Verwendung als Werkswohnungen kann rechtsmißbräuchlich sein.
Normenkette
UStG 1973 § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a, § 15 Abs. 2 Nr. 1; StAnpG § 6 Abs. 1; AO 1977 § 42; BGB § 565b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine 1972 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, kaufte am 25. November 1972 ein Grundstück der Firma . . . KG in M. Die anderen Gesellschafter der KG waren mit gleichen Anteilen auch an deren Komplementär-GmbH und der Klägerin beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer aller Gesellschaften war der Gesellschafter B. Die KG hatte in den Jahren 1962 bis 1970 beachtliche Verluste erlitten, die bei den Gesellschaftern Zweifel an ihrem Fortbestand begründet hatten. Sie fiel 1983 in Konkurs.
Die Klägerin tauschte das von der KG gekaufte Grundstück mit Vertrag vom 4. Januar 1973 gegen ein Grundstück der Stadt M. Sie übernahm hierbei die Verpflichtung, auf dem eingetauschten Grundstück ein Gebäude zu errichten, das mindestens . . . Wohnungseinheiten für Werksangehörige der KG umfaßt.
Die Klägerin errichtete ein Gebäude mit . . . Wohneinheiten (Bezugsfertigkeit: Januar 1974), die sie mit Vertrag vom 11.Dezember 1973 an die KG zum Gesamtpreis von monatlich . . . DM einschließlich Umsatzsteuer (lt. Vertrag vom 30. April 1974 nur noch . . . DM) vermietete. Die KG, die außerdem sämtliche Kosten und Reparaturen des Gebäudes übernahm, hatte die Miete unabhängig davon zu zahlen, ob sie die einzelnen Wohnungen vermieten konnte oder nicht. Sie war zur Weitervermietung an ihre Arbeitnehmer oder mit Zustimmung der Klägerin an andere Personen berechtigt. Für . . . bis . . . Wohneinheiten fand die KG über einen längeren Zeitraum keine Mieter.
Die Klägerin, die auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze nach § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 verzichtete, erklärte für das Streitjahr 1973 negative Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM und für die Jahre 1974 bis 1976 positive Umsatzsteuer. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die antragsgemäße Umsatzsteuerveranlagung für diese Jahre ab.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen folgendes aus: Die Zwischenvermietung stelle eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung dar. Die Klägerin hätte selbst Wohnungen an Arbeitnehmer der KG vermieten und hierbei eine Bindung an deren Arbeitsverhältnisse vorsehen können. Den Zeit- und Verwaltungsaufwand für eine eigene Vermietung hätte sie durch Abschluß eines Hausverwaltungsvertrags begrenzen können. Der Übernahme des Mietausfallwagnisses durch die KG komme lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Angesichts der ungünstigen wirtschaftlichen Lage der KG habe das Risiko von deren Zahlungsunfähigkeit bestanden. Zudem sei es angesichts der identischen Beteiligungsverhältnisse letztlich unerheblich gewesen, ob Mietausfälle sich zu Lasten der KG oder der Klägerin auswirkten. Gegen eine echte Verlagerung des Mietausfallwagnisses auf die KG spreche im übrigen, daß bereits nach . . . Monaten die Miete erheblich reduziert worden sei. Bedeutsam sei auch die Vertretung aller beteiligten Gesellschaften durch denselben Geschäftsführer.
Der Senat hat die Revision nur für das Streitjahr 1973 zugelassen. Für die Jahre 1974 bis 1976 hat er die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluß vom 17. Dezember 1987 V B 152/87 (BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286) zurückgewiesen.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG). Nach ihrer Auffassung sprechen beachtliche wirtschaftliche Gründe für die gewählte Gestaltung, insbesondere die beabsichtigte zumindest teilweise Vermietung an Arbeitnehmer der KG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug wegen Rechtsmißbrauchs nicht zu (§ 6 Abs. 1 StAnpG).
1. Der Tatbestand des Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts (§ 6 Abs. 1 StAnpG, vgl. jetzt § 42 Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) ist erfüllt, wenn für die Einschaltung eines Zwischenvermieters, d.h. einer Person, die das Mietverhältnis nur eingeht, um die gemietete Wohnung an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (ständige Rechtsprechung seit Senatsurteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388). Das Umsatzsteuergesetz 1967/1980 geht bei der Besteuerung von Wohnraum davon aus, daß der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung dadurch gestaltet wird, daß die Wohnung demjenigen vermietet wird, der sie bewohnen will. Im Regelfall widerspricht die Zwischenvermietung dieser Wertung des Gesetzgebers und ist daher der Umsatzbesteuerung nicht zugrunde zu legen (zusammenfassend Senatsurteil vom 14. Mai 1992 V R 12/88, BFHE 168, 468, BStBl II 1992, 931).
2. Für die Zwischenvermietung der Wohnungen an die KG fehlen wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe. Dementsprechend ist nicht die Vermietung an die KG, sondern die Vermietung an den jeweiligen Endmieter für die steuerliche Beurteilung der Vermietungsumsätze maßgebend (§ 6 Abs. 2 StAnpG). Diese sind nach § 4 Nr.12 Satz 1 Buchst. a UStG 1973 steuerfrei. Die bei der Wohnungserrichtung angefallenen Vorsteuerbeträge sind gemäß § 15 Abs. 2 Nr.1 UStG 1973 vom Abzug ausgeschlossen.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Vermietung von Räumen an Unternehmer zur Verwendung als Werkswohnungen grundsätzlich keine unangemessene Gestaltung i.S. des § 42 AO 1977 bzw. § 6 Abs. 1 StAnpG (Senatsurteil vom 26. November 1987 V R 29/83, BFHE 152, 170, BStBl II 1988, 387). Hieran hält der Senat fest.
Der Streitfall weist jedoch solche Besonderheiten auf, daß auch insoweit Gestaltungsmißbrauch i.S. des § 6 Abs. 1 StAnpG vorliegt, als die KG Wohnungen an ihre Arbeitnehmer vermietet hat, wie das FG revisionsrechtlich einwandfrei ausgeführt hat. Die Klägerin hätte auch selbst Wohnungen an die Arbeitnehmer der KG vermieten und dadurch ihrer Verpflichtung gegenüber der Stadt M nachkommen können. Abstimmungsschwierigkeiten mit der KG wären hierbei schon deshalb ausgeschlossen gewesen, weil an der Klägerin und der KG dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt waren und auch der Geschäftsführer identisch war. Die Sondervorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über Werkswohnungen (§§ 565b bis 565d BGB) sind auch dann anwendbar, wenn der Vermieter der Wohnungen und der Arbeitgeber verschiedene Personen sind (Palandt/Putzo, Bürgerliches Gesetzbuch, 51. Aufl., Vorbemerkung vor §§ 565b bis 565e Rdnrn.1, 7, 8). Dies zeigt § 565d BGB, der ausdrücklich zwischen dem Vermieter und dem Dienstberechtigten unterscheidet. Maßgeblich ist nur, ob Wohnraum mit Rücksicht auf das Bestehen eines Dienstverhältnisses vermietet ist (§ 565b BGB).
Für die Klägerin kommt die Übernahme des Erstvermietungs- und Mietausfallrisikos durch die KG auch nicht als beachtlicher Grund für die Zwischenvermietung in Betracht. Die KG hatte in den Vorjahren erhebliche Verluste erlitten, die bei den Gesellschaftern Zweifel an ihrem Fortbestand begründet hatten. Die von der KG zu entrichtende Miete wurde bereits vier Monate nach Vertragsabschluß beträchtlich reduziert. Mietausfälle wirkten sich letztlich immer im Vermögen der Gesellschafter der Klägerin und der KG aus, und zwar aufgrund der gleichen Beteiligungsverhältnisse auch gleichermaßen.
Hinsichtlich des Arbeitsaufwands war es ohne Belang, ob die Klägerin oder die KG die Wohnungen vermietete. Beide Gesellschaften wurden von demselben Geschäftsführer vertreten. Zudem hätte die Klägerin die Arbeitsbelastung aus der Vermietung der Wohnungen durch Abschluß eines Hausverwaltervertrags mit der KG annähernd in gleichem Maße vermindern können wie durch die Zwischenvermietung.
b) Soweit die Wohnungen nicht an Arbeitnehmer der KG vermietet wurden, können die von der Klägerin angeführten Argumente aus den soeben dargelegten Gründen die Zwischenvermietung ebenfalls nicht rechtfertigen.
Fundstellen