Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Anwaltskosten, die einem vom Strafgericht freigesprochenen Steuerpflichtigen für seine Verteidigung im Strafprozeß erwachsen, sind regelmäßig außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG. Der Senat tritt dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 373/54 U vom 21. Juli 1955 (Slg. Bd. 61 S. 361, BStBl 1955 III S. 338) insoweit nicht bei.
Entsprechend sind grundsätzlich auch die von einem Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten eines von ihm erhobenen Beleidigungsprozesses nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig. Das gleiche gilt für Kosten einer vom Steuerpflichtigen erhobenen Klage auf Unterlassung ehrenrühriger Angriffe.
Die Kosten eines Steuerprozesses, die einem Steuerpflichtigen gemäß §§ 307 ff. AO auferlegt wurden, stellen keine zwangsläufige außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG dar. EStG
Normenkette
EStG §§ 9, 33
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Kosten, die dem Beschwerdegegner (Bg.) erwachsen sind durch ein gerichtliches Strafverfahren (a), durch eine von ihm erhobene Beleidigungsklage (b), durch zwei zivilrechtliche Unterlassungsklagen gegen die Mitarbeiter einer Zeitschrift (c), durch eine Klage im Verwaltungsgerichtsverfahren wegen Zahlung seiner Bezüge (d), durch ein finanzgerichtliches Verfahren zwecks Anerkennung von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung (e) und schließlich durch einen Rechtsstreit um die Anerkennung als politisch Verfolgter (f). Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung dieser Aufwendungen ab. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
I. Die Vorentscheidung erkannte die vom Bg. für die Durchführung des Verwaltungsgerichtsverfahrens aufgewendeten Beträge (d) an. Hinsichtlich der Aufwendungen für die Strafverteidigung (a), für die Beleidigungsklage (b), die Unterlassungsklagen (c) sowie für das finanzgerichtliche Verfahren (e) bejahte es eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die bei Durchführung des Rechtsstreits um die Ansprüche als politisch Verfolgter entstandenen Kosten wurden dagegen vom Finanzgericht als nicht berücksichtigungsfähig angesehen.
Die Vorinstanz sah die Aufwendungen des Bg. für seine Vertretung in dem Verwaltungsgerichtsverfahren wegen seiner Bezüge (d) als Werbungskosten an. Streitig gewesen sei die Unzulässigkeit der Dienstentlassung und damit die Weitergewährung der Dienstbezüge. Dieses Verfahren, in dem der Bg. obgesiegt habe, habe der Sicherung und Erhaltung seiner Bezüge gedient. Die dadurch entstandenen Kosten seien Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG.
Hinsichtlich der Kosten der Verteidigung in dem gerichtlichen Strafverfahren bejahte die Vorentscheidung in Gegensatz zu den Ausführungen des Bundesfinanzhofs in dem Urteil IV 373/54 U vom 21. Juli 1955 (Slg. Bd. 61 S. 361, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 338) eine außergewöhnliche Belastung. Das gerichtliche Strafverfahren gegen den Bg., der wegen Betrugs in mehreren Fällen, wegen versuchten Betrugs und wegen Gewerbevergehens angeklagt worden sei, habe in erster Instanz mit einem rechtskräftig gewordenen Freispruch in mehreren Fällen geendet, und zwar unter Belastung der Staatskasse mit den hierauf entfallenden Kosten des Verfahrens. Soweit eine Verurteilung erfolgt sei, habe die Revisionsinstanz das Urteil am 21. Januar 1954 samt den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben; Verfahrensmängel und Verstöße gegen das materielle Recht seien der Grund hierfür gewesen. Eine neue Hauptverhandlung habe vor dem Gericht der ersten Instanz bisher noch nicht stattgefunden. Angesichts dieses besonderen Sachverhalts müsse im Hinblick auf die soziale Zweckbestimmung des § 33 EStG die Anwendbarkeit dieser Vorschrift bezüglich der Kosten der Strafverteidigung bejaht werden. Die in dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 373/54 U vertretene Auffassung, das die Strafprozeßordnung (StPO) auch für das Steuerrecht verbindlich regele, inwieweit die Kosten eines Strafprozesses steuerlich berücksichtigt werden könnten, trifft nicht zu. Dieser Grundsatz sei richtig, wenn ein Steuerpflichtiger rechtskräftig verurteilt worden oder wenn ein Freispruch aus Mangel an Beweisen erfolgt sei, der Angeklagte aber tatsächlich schuldig sei. Wenn jedoch eine Schuld vom Strafgericht nicht nachgewiesen werden könne, dürfe dem Angeklagten regelmäßig nicht vorgeworfen werden, daß er vor Gericht gestanden habe. In diesem letzten Fall bürde der Staat zwar dem Steuerpflichtigen die Kosten seiner Verteidigung auf; diese Regelung ändere aber nichts daran, daß die Belastung als außergewöhnlich im Sinne des § 33 EStG anzusehen sei. Sie stelle sogar ein typisches Beispiel für eine außergewöhnliche Belastung dar. Die Folgerung des Bundesfinanzhofs wäre nur gerechtfertigt, wenn § 467 Abs. 2 StPO einen allgemein gültigen Rechtsgedanken wiedergebe. Für diese Annahme liege jedoch kein Anhaltspunkt vor. Bei der Schaffung der strafprozessualen Vorschrift habe der Gesetzgeber das jetzt geltende Einkommensteuerrecht noch nicht voraussehen und deshalb auch nicht in den Bereich seiner überlegungen einbeziehen können. Aber selbst wenn der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 467 Abs. 2 StPO den Ersatz der notwendigen Auslagen damals auf allen Rechtsgebieten hätte ausschließen wollen, könne diese Absicht heute nicht mehr beachtet werden; denn es widerspreche den jetzt geltenden sozialen Auffassungen, einen vom Strafgericht freigesprochenen Steuerpflichtigen infolge der Belastung mit Kosten der Strafverteidigung in eine wirtschaftliche Notlage zu bringen, ohne wenigstens einen steuerlichen Ausgleich zuzulassen. Die Zwangsläufigkeit der Belastung und damit die Berücksichtigungsfähigkeit nach § 33 EStG sei nur zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige durch sein Verhalten das Strafverfahren herbeigeführt habe. Das sei nicht nur der Fall, wenn eine Verurteilung erfolgt sei, sondern auch bei einem Freispruch, sofern der Angeklagte sich bewußt so benommen habe, daß ihm bestimmte strafbare Handlungen hätten zugeschrieben werden können. Das letztere könne aber nur angenommen werden, wenn ein Angeklagter die ihm erwachsenen Verteidigungskosten durch sein Verhalten mutwillig veranlaßt habe; allgemeine Verdachtsgründe reichten hierzu noch nicht aus.
Im Falle des Bg. könne nicht angenommen werden, daß er durch sein Verhalten in einer Weise Anlaß zu der Strafverfolgung gegeben habe, die die Zwangsläufigkeit der dadurch entstandenen Kosten ausschließe. Die Erwägung, daß die Finanzverwaltung durch diese Abgrenzung vor eine schwer lösbare Aufgabe gestellt werde, zwinge nicht zur Ablehnung des § 33 EStG. Es sei die Aufgabe des Gerichts, bestehende Rechtssätze auf konkrete Tatbestände anzuwenden; es habe aber nicht dafür zu sorgen, daß die Verwaltung gut arbeiten könne. Die Rechtsprechung habe aus rechtsstaatlichen Erwägungen lediglich darauf zu achten, daß sie nicht die Funktionsfähigkeit der Verwaltung überhaupt beseitige. Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Strafverteidigungskosten seien jedoch nicht so groß, daß diese Gefahr bestehe.
Auf Grund dieser Erwägungen seien nicht nur die dem Bg. für seine Verteidigung im Strafverfahren erwachsenen Kosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen, sondern auch seine Aufwendungen zur Abwehr ehrenrühriger Angriffe. Dazu gehörten insbesondere seine Anwalts- und Gerichtskosten für die beiden Unterlassungsklagen (c) gegen zwei Mitglieder einer Zeitschrift, die durch gerichtliche Vergleiche ihr Ende gefunden hätten, durch welche die Berechtigung der Rechtsverfolgung durch den Steuerpflichtigen mindestens zum erheblichen Teil nachgewiesen sei.
Die Gerichtskosten, die der Bg. in einem Privatklageverfahren wegen Beleidigung (b) gegen X. aufgewendet habe, der dem Bg. u. a. Rechtsbeugung bei seiner Berufstätigkeit vorgeworfen habe, sei aus dem gleichen Grund als außergewöhnliche Belastung anzusehen, zumal X. verurteilt worden sei. Der Bundesfinanzhof habe im Urteil IV 373/54 U die Kosten eines solchen Privatklageverfahrens zwar grundsätzlich ebenso wie die Kosten der Strafverteidigung nicht als berücksichtigungsfähig angesehen; er habe jedoch für besondere Fälle eine andere Beurteilung als möglich bezeichnet. Ein solcher Ausnahmefall sei im vorliegenden Rechtsstreit gegeben. Wenn ein Beamter oder Richter, von dessen Unschuld der öffentliche Dienstherr nicht überzeugt sei, und den er infolgedessen nicht gegen Angriffe in Schutz nehme, gezwungen sei, seine Rechte persönlich wahrzunehmen und gegen Angreifer im Wege der Privatklage vorzugehen, so seien die dadurch entstehenden Kosten außergewöhnliche Belastungen. Die Notwendigkeit der Klageerhebung ergebe sich im vorliegenden Fall insbesondere daraus, daß der Arbeitgeber des Bg. Schlüsse in disziplinärer Hinsicht gezogen hätte, wenn der Bg. sich nicht gegen die Angriffe auf seine Ehre gewehrt hätte. Die vom öffentlichen Dienstherrn des Bg. verfügte fristlose Entlassung unter Sperrung seiner Dienstbezüge beweise dies hinreichend.
Aus den gleichen Erwägungen seien auch die Prozeßkosten in der Lohnsteuersache 1953 des Bg. (e) als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Der Bg. sei gezwungen gewesen, den Steuerprozeß zu führen, um die nach seiner Ansicht richtige Besteuerung durchzusetzen. Er habe zwar nicht obgesiegt. Da auch das Finanzgericht eine dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 373/54 U entgegengesetzte Rechtsauffassung vertreten habe und diese auch jetzt noch für zutreffend halte, sei die Zwangsläufigkeit der durch die Rechtsverfolgung des Bg. entstandenen Kosten trotz der Regelung in § 316 der Reichsabgabenordnung (AO) anzuerkennen. Die Kosten des vorliegenden Verfahrens seien dagegen nicht berücksichtigungsfähig.
II. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb) rügt der Vorsteher des Finanzamts die unrichtige Anwendung des geltenden Rechts durch die Vorinstanz. Unter Hinweis auf das in der Lohnsteuersache 1953 des Bg. ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs IV 373/54 U führt die Rb. aus, daß § 467 StPO die Erstattung der Kosten eines Strafprozesses abschließend regele. In dieser Vorschrift komme der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, wann ein Angeklagter die Aufwendungen für seine Verteidigung vom Staat ersetzt bekommen könne und wann nicht. Dieser Gesetzesbefehl sei verbindlich für alle Behörden und Organe, also auch für die Finanzämter. Dieser Grundsatz gelte nicht nur für gerichtliche Strafverfahren, sondern darüber hinaus für alle öffentlich-rechtlichen Verfahren. Der Bg. könne daher für seine sämtlichen Aufwendungen keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG beanspruchen.
Entscheidungsgründe
III. Die Rb. ist zum Teil begründet. 1. Gegen die Vorentscheidung bestehen keine rechtlichen Bedenken, soweit sie die vom Bg. im Verwaltungsgerichtsverfahren (d) gegen die Dienstenthebung gezahlten Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten anerkannt hat. Der Bg. hat sich in diesem Rechtsstreit gegen die von seinem öffentlichen Arbeitgeber ausgesprochene fristlose Entlassung gewendet, und zwar mit Erfolg. Seine Aufwendungen dienten demnach unmittelbar der Erhaltung seiner Rechte und seiner Bezüge aus seinem Beruf. Sie erfüllen damit die Voraussetzungen, die § 9 EStG für die Zurechnung zu den Werbungskosten aufstellt.
Hinsichtlich der Kosten des Bg. für seine Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren (a) ist nicht zu beanstanden, daß die Vorentscheidung diese Aufwendungen nicht zu den Werbungskosten gerechnet hat; denn wenn auch nicht zu leugnen ist, daß der Ausgang des Strafverfahrens für die berufliche Stellung des Bg. von Bedeutung sein kann, so handelt es sich bei den Kosten der Strafverteidigung doch zu einem erheblichen, vielleicht sogar überwiegenden Teil um Aufwendungen zur Abwehr einer die persönliche Lebenssphäre und Ehre des Bg. bedrohenden Gefahr. Infolge des Doppelcharakter dieser Aufwendungen entfällt nach § 12 Ziff. 1 EStG die Möglichkeit eines Werbungskostenabzugs.
Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat für gleichartige Aufwendungen des Bg. im Jahre 1953 auch das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung und damit eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG abgelehnt. Der erkennende Senat vermag den Gründen der Entscheidung IV 373/54 U vom 21. Juli 1955 (Slg. Bd. 61 S. 361, BStBl 1955 III S. 338) nicht in vollem Umfang beizutreten. Es bestehen keine Bedenken gegen diese Ausführungen für den Fall, daß der Angeklagte zu einer Strafe verurteilt wird und gemäß § 465 StPO die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner eigenen Auslagen zu tragen hat. Die Verfahrenskosten und Auslagen haben dann den Charakter einer kraft Gesetzes eintretenden Nebenstrafe. Daraus folgt, daß die StPO insoweit eine endgültige Regelung der Kostentragung beabsichtigt hat. Eine teilweise übernahme auf den Staat über eine Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG würde diesem vom Gesetzgeber gewollten Ergebnis widersprechen.
Ob diese Erwägung auch richtig ist, wenn der Angeklagte freigesprochen wird, ist dagegen zweifelhaft. Nach § 467 StPO werden einem freigesprochenen oder außer Verfolgung gesetzten Angeklagten die erwachsenen notwendigen Auslagen von der Staatskasse ersetzt, wenn das Verfahren seine Unschuld ergeben oder dargetan hat, daß gegen ihn ein begründeter Verdacht nicht vorliegt. In allen übrigen Fällen des Freispruchs steht es im Ermessen des Gerichts, ob es die Auslagen des Freigesprochenen der Staatskasse auferlegt oder nicht. Welche Auslagen als "notwendig" in diesem Sinn für eine Erstattung durch die Staatskasse in Betracht kommen, ist gleichfalls weitgehend dem Gericht überlassen (vgl. Schwarz, Strafprozeßordnung, 20. Aufl., § 467 Bem. 2). Das Gericht kann daher z. B. die Kosten eines vom Freigesprochenen zugezogenen Verteidigers als nicht notwendig ansehen und dadurch von der Erstattung ausschließen. Angesichts dieser Kostenregelung im Falle des Freispruchs dürfte es nicht gerechtfertigt sein anzunehmen, daß die Vorschriften der Strafprozeßordnung die Anwendung des § 33 EStG bei einem Freispruch von vornherein ausschließen. Es ist vielmehr in diesen Fällen eine Prüfung geboten, ob die Aufwendungen für die Strafverteidigung als "zwangsläufig" im Sinne des § 33 EStG anzusehen sind.
Die Vorentscheidung hat die Zwangsläufigkeit derartiger Aufwendungen grundsätzlich bejaht für den Fall, daß ein Steuerpflichtiger mangels Beweises freigesprochen wird und die ihm erwachsenen Kosten nicht von der Staatskasse übernommen werden. Dieser Rechtsauffassung kann im wesentlichen gefolgt werden. Wie in der Vorentscheidung zutreffend ausgeführt wird, kann einem mangels Beweises freigesprochenen Angeklagten grundsätzlich nicht vorgeworfen werden, daß er vor Gericht gestanden hat. Aus diesem Umstand kann daher regelmäßig auch nicht der Schluß gezogen werden, daß er durch sein Verhalten den Anlaß zu dem Strafverfahren gegeben hat und daß deshalb die Zwangsläufigkeit der Belastung hinsichtlich der Verteidigungskosten entfällt. Das Strafverfahren muß vielmehr im Rahmen der allgemeinen Aufgaben des Staates gesehen werden, die Vorgänge aufzuklären, die nach der staatlichen Rechtsordnung strafbar sein können. Dabei ist es möglich, daß sich für den einzelnen finanzielle Belastungen ergeben, z. B. Rechtsanwaltskosten. Derartige Aufwendungen sind bei einem Steuerpflichtigen, der in einem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren freigesprochen wird, als Ausfluß einer öffentlichen Verpflichtung anzusehen und grundsätzlich als zwangsläufige außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG anzuerkennen.
Hiervon sind jedoch Ausnahmen denkbar. Sie können sich insbesondere ergeben, wenn ein Steuerpflichtiger von der gegen ihn erhobenen Anklage zum Teil freigesprochen wird, wegen anderer Anklagepunkte aber eine Verurteilung erfolgt. Bei einem solchen teilweisen Freispruch werden die den Steuerpflichtigen belastenden Prozeßkosten regelmäßig nicht nach § 33 EStG zu berücksichtigen sein, wenn die den Gegenstand der Anklage bildenden Vorgänge in einem inneren Zusammenhang stehen. Der Steuerpflichtige hat in diesen Fällen durch sein Verhalten gegen die stattliche Rechtsordnung verstoßen und es erscheint mit dem in § 465 StPO niedergelegten Grundsatz nicht vereinbar, ihn unter diesen Umständen durch Anwendung des § 33 EStG von einem Teil der von ihm zu tragenden Kosten des Strafprozesses zu entlasten. Der vom Gericht festgestellte Verstoß gegen die staatliche Rechtsordnung, der zur Verurteilung geführt hat, steht so sehr im Vordergrund, daß der teilweise Freispruch demgegenüber keine für den Steuerpflichtigen günstigen Auswirkungen bei der Besteuerung herbeiführen kann. Es ist in diesen Fällen auch nicht die Aufgabe der Finanzämter, zu untersuchen, ob der Freispruch oder die Verurteilung überwiegt. Eine solche Wertung liegt außerhalb des Aufgabenbereichs der Finanzverwaltung. Die Finanzämter haben lediglich aus den von den Strafgerichten verhängten Urteilen die für die Besteuerung notwendige steuerliche Folgerung zu ziehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 322/56 S vom 10. September 1957, BStBl 1957 III S. 415). Diese muß im Falle der Verurteilung darin bestehen, daß ein Verstoß gegen das Strafgesetz die Ursache der den Steuerpflichtigen belastenden Zahlung ist. Damit liegt hinsichtlich des ganzen den Gegenstand der Anklage bildenden und innerlich zusammenhängenden Sachverhalts ein Verstoß gegen die im Interesse der Allgemeinheit erlassene Rechtsordnung vor, der eine teilweise übernahme der Kosten des Strafprozesses auf die Allgemeinheit im Rahmen des § 33 EStG grundsätzlich ausschließt. Falls bei einer Anklageerhebung wegen mehrerer in Tateinheit begangener Straftaten hinsichtlich eines Teils der Anklage ein Freispruch erfolgt, dürften diese Erwägungen regelmäßig eine Berücksichtigung der dem Steuerpflichtigen erwachsenden Kosten des Strafprozesses ausschließen. Eine andere Beurteilung könnte allenfalls gerechtfertigt sein, wenn der Steuerpflichtige in dem überwiegenden Anklagepunkt freigesprochen wird und er nur wegen einer verhältnismäßig geringfügigen, mehr oder weniger formalen Gesetzesverletzung bestraft wird; dies wäre z. B. denkbar bei einem Freispruch von der Anklage der fahrlässigen Tötung und einer Verurteilung wegen übertretung des Straßenverkehrsgesetzes.
Wenn mehrere selbständige Handlungen des Steuerpflichtigen bei der Anklageerhebung zu einer Anklage zusammengefaßt wurden, könne bei nur teilweiser Verurteilung hinsichtlich der Anwendung des § 33 EStG wegen der Kosten der Strafverteidigung diese Fälle nicht anders beurteilt werden. Eine Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG kann für die einem Angeklagten erwachsenen Kosten des Strafprozesses demnach mindestens dann nicht in Betracht kommen, wenn die den Gegenstand der Anklage bildenden verschiedenen selbständigen Handlungen in einem inneren Zusammenhang stehen. Das ist z. B. anzunehmen, wenn mehrere Personen durch verschiedene selbständige Handlungen eines Steuerpflichtigen, die eine gewisse ähnlichkeit aufweisen, geschädigt wurden.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ist gegen den Bg. wegen Betrugs in mehreren Fällen und wegen versuchten Betrugs sowie wegen Gewerbevergehens Anklage erhoben worden, und zwar lagen den sämtlichen Punkten der Anklage ähnliche Vorgänge zugrunde. Bisher ist der Bg. in einigen Fällen rechtskräftig freigesprochen worden. Hinsichtlich der übrigen Anklagepunkte ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Angesichts der ähnlichkeit der Vorgänge, die den einzelnen Fällen der Anklage gegen den Bg. zugrunde liegen, hängt die Möglichkeit einer Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG davon ab, ob hinsichtlich der sämtlichen den Gegenstand der Anklage bildenden Punkte ein Freispruch erfolgen wird. Dies steht noch nicht fest. Es kann daher gegenwärtig noch keine Entscheidung darüber ergehen, ob § 33 EStG auf die von dem Bg. geltend gemachten Kosten der Strafverteidigung anwendbar ist. Es ist nicht zu verkennen, daß hierin für den Bg. eine gewisse Härte liegt. Da eine wesentliche Voraussetzung für die Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG nach den obigen Darlegungen aber noch nicht feststeht, ist bis zur Behebung dieser Ungewißheit eine Entscheidung über die von dem Bg. beantragte Steuerermäßigung noch nicht möglich. Es dürfte daher zweckmäßig sein, daß das Finanzgericht die Entscheidung über die Anwendung des § 33 EStG hinsichtlich der Kosten der Strafverteidigung des Bg. insoweit bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafprozesses aussetzt.
Nicht zu beanstanden ist, daß das Finanzgericht die Kosten des Bg. zur Abwehr ehrenrühriger Angriffe als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG angesehen hat. Diese Aufwendungen sind dem Bg. durch einen Beleidigungsprozeß (b) und zwei Klagen auf Unterlassung (c) gegen zwei Mitarbeiter einer Zeitschrift entstanden. Da diese Prozesse von dem Bg. sowohl zum Schutz seiner persönlichen Ehre als auch im beruflichen Interesse zur Erhaltung seiner Stellung geführt wurden, kommt ein Abzug dieser Kosten gemäß § 12 Ziff. 1 EStG allerdings nicht als Werbungskosten in Betracht. Aufwendungen dieser Art können jedoch, wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat, eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG sein. Die Voraussetzungen hierfür sind die gleichen wie bei den oben erörterten Aufwendungen für eine Strafverteidigung in einem Strafprozeß. Nach den Feststellungen in der Vorentscheidung kann angenommen werden, daß im vorliegenden Rechtsstreit § 33 EStG auf diese Anwendungen des Bg. anzuwenden ist; denn es war nicht vorauszusehen, daß eine Zeitschrift sich mit den den Gegenstand der Anklage bildenden Vorgängen befassen und dadurch den Bg. nötigen würde, mit Unterlassungsklagen gegen Mitarbeiter dieser Zeitschrift vorzugehen. Dies ist um so mehr anzunehmen, als die Klagen zum Abschluß von Vergleichen geführt haben, die die Berechtigung der Rechtsverfolgung des Bg. mindestens zum Teil dargetan haben.
Die Vorentscheidung hat die Berücksichtigung der Aufwendungen des Bg. nach § 33 EStG abgelehnt, soweit diese auf das Verwaltungsstreitverfahren auf Anerkennung seiner Eigenschaft als politisch Verfolgter entfallen, mit dem er einen Schadensersatz für Schäden an Körper und Gesundheit angestrebt hat. Sie ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß diese Kosten aufgewendet wurden zur Erlangung von Einnahmen, die nicht der Einkommensteuer unterliegen. Derartige Aufwendungen sind nach § 9 EStG keine Werbungskosten. Da sie zur Erzielung bestimmter Einkünfte dienen sollen, scheiden sie nach dem Grundsatz, der in § 51 Abs. 1 letzter Satz der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1953 seinen Ausdruck gefunden hat, auch für eine Berücksichtigung im Rahmen des § 33 EStG aus.
Die Kosten des Bg. in seinem Finanzgerichtsverfahren (Aktenzeichen des Bundesfinanzhofs IV 373/54 U) wegen seiner Lohnsteuer für 1953, das rechtskräftig vom IV. Senat des Bundesfinanzhofs zu seinen Ungunsten entschieden wurde, hat die Vorinstanz nach § 33 EStG berücksichtigt. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Es ist anzunehmen, daß die in § 307 ff. AO vom Gesetzgeber getroffene Regelung endgültig sein soll. Es geht deshalb nicht an, im Gegensatz hierzu über § 33 EStG einen Teil der Kosten, die ein im Steuerprozeß unterlegener Steuerpflichtiger zu tragen hat, dem Staat zu überbürden. Die Vorentscheidung, die dies verkannt hat, ist daher auch aus diesem Grund aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 408928 |
BStBl III 1958, 105 |
BFHE 1958, 267 |
BFHE 66, 267 |