Leitsatz (amtlich)
Tarifvertragliche Lohnzuschläge für Nachtarbeit können nach § 34 a Abs. 1 und 3 EStG auch dann in voller Höhe steuerfrei sein, wenn sie nur gewährt werden, soweit die Nachtarbeit gleichzeitig Mehrarbeit ist.
Normenkette
EStG 1971 § 34a Abs. 1, 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zahlte ihren Arbeitnehmern in den Streitjahren 1969 bis 1971 aufgrund des Manteltarifvertrags für die Angestellten des Einzelhandels in Baden-Württemberg (MTV) Zuschläge zum Arbeitslohn. Nach § 8 Nr. 2 MTV betragen die Zuschläge
für Mehrarbeit 25 v. H.
für Nachtarbeit, soweit sie Mehrarbeit ist 50 v. H.
für Arbeiten an Sonntagen
und lohnzahlungspflichtigen Wochenfeiertagen 50 v. H.
für Arbeiten an gesetzlichen Feiertagen,
die auf einen Sonntag fallen 100 v. H.
des auf einen Stundenlohn umgerechneten Arbeitslohns. Treffen mehrere Zuschläge für die gleiche Arbeitszeit zusammen, so wird nach § 8 Nr. 3 MTV nur der jeweils höhere Zuschlag bezahlt.
Die Zuschläge für Nachtarbeit zahlte die Klägerin ihren Arbeitnehmern in voller Höhe steuerfrei aus. Nach Ansicht des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) sind die Nachtarbeitszuschläge aufzuteilen in einen steuerfreien Lohnzuschlag von 25 v. H. für Nachtarbeit und einen steuerpflichtigen Lohnzuschlag von 25 v. H. für Mehrarbeit. Das FA ermittelte die Lohnsteuer pauschal mit einem Steuersatz von 23 v. H.
Einspruch und Klage gegen den Haftungsbescheid blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus:
Nach dem MTV würden Zuschläge für Nachtarbeit nur gezahlt, soweit sie Mehrarbeit sei. Zuschläge für "reine" Nachtarbeit seien nicht vorgesehen. Bei dem von der Klägerin als Nachtzuschlag gezahlten Betrag handle es sich daher im Grunde um einen aufgestockten Mehrarbeitszuschlag. Denn entscheidendes Kriterium für die Gewährung sei die Mehrarbeit, wobei der Grundzuschlag, soweit die Mehrarbeit während der Nachtstunden geleistet werde, um einen weiteren Zuschlag aufgestockt werde. Daher habe das FA zu Recht die Zuschläge entsprechend Abschn. 52 b Abs. 4 Nr. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien 1968 (LStR) in einen steuerpflichtigen Zuschlag von 25 v. H. für Mehrarbeit und einen steuerfreien Zuschlag von 25 v. H. für Nachtarbeit aufgeteilt.
Abschn. 52 b Abs. 4 Nr. 2 LStR sei im Streitfall nicht anwendbar, weil nach dem hier einschlägigen MTV Zuschläge für "reine" Nachtarbeit nicht gewährt würden.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 34 a und 38 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der §§ 2, 3, 46 LStDV.
Sie trägt vor: Die Zuschläge seien nach Abschn. 52 b Abs. 4 Nr. 2 LStR in voller Höhe steuerfrei. Der MTV sehe sowohl einen Zuschlag für Mehrarbeit als auch einen Zuschlag für Nachtarbeit vor. Letzterer solle in Höhe von 50 v. H. lediglich dann gezahlt werden, wenn die Nachtarbeit mit Mehrarbeit zusammentreffe. Daß es sich um einen "aufgestockten Mehrarbeitszuschlag" handle, habe das FG damit begründet, daß der MTV keine "reinen" Zuschläge für Nachtarbeit gewähre. Ein "Aufstocken" könne jedoch nur dann unterstellt werden, wenn unzweifelhaft festzustellen sei, daß der "reine" Nachtarbeitszuschlag 25 v. H. betrage. Hierfür gäbe es aber keine Anhaltspunkte.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Tarifvertragliche Zuschläge für Nachtarbeit sind unter den Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 und 3 EStG 1971 - der auch für frühere Kalenderjahre anzuwenden ist (§ 52 Abs. 23 EStG 1971) - steuerfrei. Zuschläge für Mehrarbeit gehören dagegen zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Trifft Nachtarbeit mit Mehrarbeit zusammen, so soll nach Abschn. 52 b Abs. 4 LStR von den dafür gezahlten Zuschlägen nur der Betrag steuerfrei bleiben, der den im Tarifvertrag festgesetzten Zuschlägen für Nachtarbeit entspricht. Werden bei einem Zusammentreffen von Nachtarbeit mit Mehrarbeit aber nur die Zuschläge für Nachtarbeit gezahlt, weil sie höher sind als die Zuschläge für Mehrarbeit, so sollen nach Abschn. 52 b Abs. 4 Nr. 2 LStR die gezahlten Zuschläge in voller Höhe steuerfrei sein. Die Lohnsteuer-Richtlinien legen insoweit § 34 a EStG 1971 zutreffend aus.
Die hier streitigen Zuschläge sind in voller Höhe steuerfrei. § 8 Nr. 2 MTV sieht neben den Zuschlägen für Mehrarbeit ausdrücklich Zuschläge für Nachtarbeit vor. Allerdings werden die Nachtarbeitszuschläge nur unter der Voraussetzung gezahlt, daß die Nachtarbeit gleichzeitig Mehrarbeit ist. Hieraus folgt jedoch nicht, daß sich der hier streitige Zuschlag aus einem Zuschlag für Mehrarbeit und einem solchen für Nachtarbeit zusammensetzt. Es handelt sich nur um einen Zuschlag, und zwar einen Zuschlag für Nachtarbeit. An sich müßte zwar neben dem Zuschlag für Nachtarbeit der Zuschlag für Mehrarbeit gezahlt werden. Gemäß § 8 Nr. 3 MTV ist indes bei einem Zusammentreffen mehrerer Zuschläge für dieselbe Arbeit der jeweils niedrigere Zuschlag (hier für Mehrarbeit) durch den höheren Zuschlag (hier für Nachtarbeit) abgegolten. Insoweit besteht für das Verhältnis der Zuschläge für Mehrarbeit und Nachtarbeit die gleiche Rechtslage wie für das Verhältnis der Zuschläge für Mehrarbeit und Sonntags- oder Feiertagsarbeit mit der Folge, daß die streitigen Nachtarbeitszuschläge in voller Höhe steuerfrei zu belassen sind. Diese Regelung erscheint vom Standpunkt der Tarifvertragsparteien auch durchaus sinnvoll. Mit der Zuschlagsregelung wollten sie sicherstellen, daß Arbeitnehmer, die regelmäßig nachts arbeiten (Pförtner, Bewachungspersonal usw.) keine Nachtarbeitszuschläge erhalten. Diese ausschließliche Begünstigung von unregelmäßiger Nachtarbeit bei Zuschlägen zum Arbeitslohn findet sich, wenn auch in anderer Form, ebenso in anderen Tarifverträgen.
Der Auffassung des FG, die streitigen Zuschläge seien in einen steuerpflichtigen Teil für Mehrarbeit und einen steuerfreien Teil für Nachtarbeit aufzuteilen, folgt der Senat nicht. Abschn. 52 b Abs. 4 Nr. 1 LStR geht von sog. gemischten Zuschlägen aus, die sich z. B. aus einem Zuschlag für Mehrarbeit und einem Zuschlag für Nachtarbeit zusammensetzen. Bei derartigen zusammengesetzten Zuschlägen ist dann nur der Teil steuerfrei zu belassen, der den im Tarifvertrag festgesetzten oder feststellbaren Zuschlägen für Nachtarbeit entspricht. Da aber § 8 des hier anwendbaren MTV Zuschläge für "reine" Nachtarbeit nicht enthält, kann ein auf die Nachtarbeit entfallender Anteil nicht herausgerechnet werden. Entgegen der Auffassung des FG kann mithin nicht unterstellt werden, daß der streitige Zuschlag nur insoweit, als er den Zuschlag für Mehrarbeit in Höhe von 25 v. H. übersteigt, Nachtarbeit abgilt. Der Senat geht daher davon aus, daß die streitigen Zuschläge in voller Höhe nach § 34 a EStG 1971 steuerfrei sind.
Fundstellen
Haufe-Index 72834 |
BStBl II 1978, 574 |
BFHE 1979, 383 |